Fritz Gustavo Allewelt

Abgefahren


Скачать книгу

diesmal ein Österreicher. Während ich mir die Tränen aus den von der Lotion gereizten Augen wischte, sah ich, wie eine Person auf dem Rennrodel sitzend und mit beiden Füßen auf der Bahn, die Kurve im Schneckentempo nahm.

      „Wer ist das denn, das mache ich auch, so kommt man wenigsten durch die Kurve“, rief ich und klang nicht gerade begeistert.

      „Das ist Silvia, du weißt doch, die Frau von Helmut Wilder“, folgerte Huber.

      Dann wurde mein Start aufgerufen.

      „Startnummer Dreizehn, Norbert Krüger Deutschland, bitte an den Start.“

      So ein beschissenes Gefühl hatte ich noch nicht mal beim Drachenfliegen gehabt. Ein Gang zur Schlachtbank konnte nicht schlimmer sein.

      In gebückter Haltung schob ich mit kräftigen, schneller werdenden Laufschritten den Rennschlitten vor mich her. Mit einem kühnen Schwung platzierte ich mein Gesäß in die vordere Mitte des Schlittens, legte mich sofort rücklings hin und drückte, wie empfohlen, die rechte behandschuhte Hand zur Steuerungsunterstützung auf das Eis der Bahn.

      Verdammt noch mal, dachte ich, ist der Skianzug glatt!

      Ständig musste ich meine Liegeposition korrigieren, um nicht vom Schlitten zu rutschen. Sehen konnte ich nichts, der Fahrtwind hatte meine Augen in Wasserfälle verwandelt.

      Mein Kopf flog von links nach rechts, über mir sah ich schemenhaft Lichter vorbei flitzen. Wann kommt die Kurve, die verdammte Kurve, dachte ich, krampfhaft meine Liegeposition korrigierend.

      Ein Ritt in die Hölle, das geht nicht gut, ich hätte nicht mitmachen sollen, bereute ich meine Fahrt, als es heller wurde und viele Stimmen „Halt, Halt, zieh hoch, Halt“, riefen, ja schrien!

      Dann gab es einen lauten Knall, ich hatte das Gefühl die Schallmauer durchbrochen zu haben, als dieser Höllenritt urplötzlich zu Ende war und ich mit dem Kopf nach vorne in einen Strohhaufen schoss.

      Lebe ich oder bin ich tot?

      „Langsam, Norbert, geht es die gut? Tut dir was weh? Kannst du aufstehen?“

      Besorgte Fragen brachten mich in die Realität zurück.

      Ich antwortete: „Mir geht es gut“, dann zögerlich nachgeschoben, „glaube ich.“

      Das war wirklich ein Höllenritt, den ich da hingelegt hatte. Von der Fahrt hatte ich in Ermangelung meiner Sehfähigkeit nicht viel mitbekommen, zudem überlagerte der Gedanke vom Schlitten zu fallen alle anderen. Eine Fahrt ohne Raum und Zeit.

      Dort, wo Halt geschrien wurde, befand sich die Ziellinie, da hätte ich bremsen müssen. Ungebremst war ich über die Ziellinie geschossen, nach rechts abgekommen, durch ein geschlossenes, vergammeltes Scheunentor gerast und dann zwischen den Rädern eines Pferdefuhrwerks durch kopfüber in einen Strohhaufen gelandet!

      Wie viele Leben hat eigentlich ein Mensch?

      Kaum zu fassen, ich hatte für diesen Wettbewerb die Bestzeit gerodelt.

      Gabi, meine Rodelpartnerin, das zarte Geschöpf, errodelte den zweiten Platz.

      Jetzt erst erfuhr ich, dass Gabi Zillertaler Rodelmeisterin und Tiroler Vizemeisterin war!

       Kapitel 2

      Der Beamte mit der Kelle in der Hand, der uns auf einen Parkplatz leitete, unterbrach abrupt meinen etwas wehmütigen Rückblick.

      „Grüß Gott, Vignettenkontrolle!“

      „Moin, moin, da habe ich sie hin geklebt.“

      Mit kurzem Griff zur Vignette überprüfte der Beamte, ob die Vignette vollständig angeklebt war.

      „Das war‘s, danke und gute Fahrt.“

      Bislang war alles super gelaufen, wenn es so weiter geht, was wollte ich mehr.

       Die österreichische Autobahn war nicht stark befahren und wir näherten uns zügig der Brenner-Autobahn. Gerade passierten wir die Europabrücke, Europas zweithöchste Brücke mit 1350 Meter Länge und einer Höhe von 190 Metern. Sie hielt unser Gespann aus. Für die Brenner-Autobahn wurden 6 Mark Mautgebühr fällig.

      Willig zerrte der Peugeot seine Last in die sehr enge Mautstation.

      Die Brenner-Autobahn hat eine maximale Steigung von 3%, von der das treue Vehikel nicht viel Aufhebens machte. Allerdings waren der dritte, vierte und fünfte Gang überflüssig und wurden daher geschont.

      Am Brenner Grenzübergang zu Italien angekommen, wurden wir ohne Kontrolle durchgewunken.

      Ich steuerte den nächsten freien Parkplatz an, um mich in der Wechselstube mit 200.000 Lire zu versorgen. Das müsste für das Nötigste während der weiteren Fahrt durch Italien reichen.

      Für das Tanken und die Autobahnmaut, die südlich von Neapel zu zahlen war, sollte die Bankkarte ihre Dienste tun, mit der ich auf einer Autobahnraststätte Geld ziehen wollte.

       Der absolute Hochgenuss, in der Cafeteria am Brenner, ein Ciabatta-Brötchen mit original italienischer Mortadella und einen original italienischen Cappuccino zu sich zu nehmen.

       “Un Panino con Mortadella ed un Cappuccino, per favore”, gab ich meine Bestellung auf.

      “Ma volentieri Signore. Anche un po di Acqua per il Cane? “

      fragte der Venditore, der Verkäufer.

      “Si, va bene, ja gerne.“

      Dina freute sich über die Schüssel mit Wasser und ich freute mich über das Mortadellabrötchen und den Cappuccino.

      Und weiter ging die Fahrt Richtung Süden.

      Für die Benutzung der italienischen Autobahn musste man an der fast freien Mautstation ein Ticket ziehen.

      Herrlich diese Fahrt durch die weiten Täler und über die imposant geschwungene Autobahn, die sich auf gigantischen Pfeilern entlang der Berghänge schmiegte. Schier unendliche Obstplantagen säumten die Autobahn.

      Der allgemeine Fahrstil auf der italienischen Autobahn war total impulsiv und äußerst temperamentvoll, besonders bei den italienischen Lkws.

      Dreißig Kilometer hinter Trento plante ich die nächste Rast auf der Autobahnraststätte, um zu tanken, zu duschen und mit Dina Gassi zu gehen.

      In Italien sind die Raststätten anders aufgebaut als in Deutschland. Es wird erst geparkt und dann getankt.

      Also erst mal duschen und dann mit Dina in die Cafeteria. Gute Einrichtung diese Dusche, ich war total begeistert.

      Ich duschte mit lauwarmem Wasser, ohne Seife. Durch das Badezimmerfenster sah ich ein Carabinierifahrzeug langsam an unserem Wohnmobil vorbeifahren. Verdammt, ich hatte vergessen, den Abwasserschieber zuzumachen! Warum kam erst jetzt die Meldung vom Hirn?! Schnell abtrocknen und anziehen, die kommen garantiert zurück.

      Und ob die kamen. Ich hatte gerade meine Shorts und mein T-Shirt angezogen, da ballerte es an der Tür, als wollte sie jemand mit Beulen verzieren.

      Schnell öffnete ich, bevor die Tür noch demoliert wurde.

      Vor mir standen zwei Carabinieri.

      Die sehen immer aus, als wenn sie gerade frisch rasiert und frisiert vom Friseur kommen.

      Ihre Uniformen scheinen brandneu und maßgeschneidert zu sein.

      „Signori, buon giorno”, begrüßte ich sie.

      “Buon giorno, che cosa è, guten Tag, was ist das?“, fragte der eine Carabinieri und zeigte mit seinem manikürten Finger auf das Rinnsal, das langsam unter dem Wohnmobil hervorkroch.

      „Nur klares Wasser ohne Seife“, antwortete ich in der Hoffnung, die Sache wäre damit erledigt, „ich habe vergessen, das Ventil zu schließen.“

      „O.k., so wird es