Selena Mayfire

Yuri


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Modorok mit zwei glühenden Zauberfunken, die sich um seine Hand schlangen und ihn veranlassten, sein Schwert vor Schmerz fallen zu lassen. "Zauberer", stieß er hervor, beugte sich zu mir hinunter und verzog das Gesicht zu einer wütenden Fratze. Ich fuchtelte mit dem Zauberstab vor seinen Augen herum. "Soll ich weitermachen damit oder lasst Ihr und Eure Kameraden uns jetzt endlich in Ruhe?" Er sprang von seinem Pferd, verpasste mir mit seiner gesunden Linken einen Fausthieb. Ich taumelte, spürte einen gellenden Schmerz, der sich von meinem Unterkiefer bis zu meinem Schopfe hin erstreckte und schmeckte Blut. Die Hand, in der ich meinen Zauberstab hielt, lockerte sich für einen Moment; schnell fasste ich wieder zu und feuerte einen Schockzauber ab, der aber anstatt des Feindes Fuß den Boden erwischte und versiegte. Der Modorok lachte. Ich wurde wütend, schleuderte ihm einen weiteren Schockzauber entgegen. Er wich aus, warf den Schockzauber mit einer galanten Schwertbewegung auf mich zurück; ich konnte mich im letzten Augenblick ducken und mein Zauber zischte durch die Luft davon. Drei weitere Soldaten waren nun hinzu gekommen und hatten Yuri, der vom Pferd gesprungen war, in den Schraubstock genommen. "Sollen wir nun zum Schloss aufbrechen, Herr?", fragte einer von ihnen. "Hier sind wir eigentlich fertig." Der Anführer ließ seinen Blick nicht von mir ab. "Ich bestimme, wann wir hier fertig sind!", bellte er und holte mit dem Schwert in meine Richtung aus. Ich wich zurück, zückte den Zauberstab und mir gelang ein mittelschwerer Explosionszauber, der als gelbgoldner Sprühschwall aus der Zauberstabspitze entwich, mit einem leisen Knall explodierte und sich in viele raketenartige Feuerfunken zerteilte, die auf den Anführer hinab hagelten. Beim Aufprall gegen seine Rüstung sprühte und klirrte es; er taumelte unter der Wucht der hagelkörnergroßen Funken und blies das Horn, das er in seinen metallenen Hüftgurt gesteckt trug. Die Soldaten gehorchten seinem Ruf; sie ließen von unserem Dorf ab. Der Anführer schwang sich auf sein Ross zurück und verpasste mir dabei einen Hieb mit der Ferse seiner hackigen Stiefel. Ein kurzer, stechender Schmerz durchfuhr mein Kiefer. Der Modorok schnaubte zufrieden und glich dabei seinem widerlichen Ross. "Jetzt sind wir fertig." Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Fischerleute versuchten, aus ihren Hütten zu retten, was zu retten war, und mit einigen Eimern Regenwasser das Feuer zu löschen. Die Modoroks hatten sich nun rund um ihren Anführer eingefunden. Der warf mir einen verächtlichen Blick zu. "Willst du noch was, Verräter?" - "Gerechtigkeit!", schnappte ich und reckte meinen Zauberstab abermals in die Höhe. Der Modorok verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. "Du elender..." - "Herr!", rief plötzlich einer seiner Männer dazwischen, "Der Knabe...!" Das zuvor so finstere Gesicht des Anführers wandelte sich schlagartig in einen Ausdruck des Schreckens. "Was?" Ich ließ verblüfft den Zauberstab sinken. Yuri schien bewusstlos geworden zu sein. Wie eine Puppe hing er inmitten der drei Modoroks, die ihn festhielten, und bei näherem Hinsehen wurde deutlich, dass seine Augen hinter den geschlossenen Lidern wild hin und her zuckten. Ich sah von einem Modorok zum anderen. Sie schienen Yuri nicht das erste Mal in diesem Zustand gesehen zu haben, was sie offensichtlich in eine gewisse Unruhe und Anspannung versetzte. Ich spürte, wie Vorfreude in mir hochkam. Vielleicht war Yuri gerade drauf und dran, zu transformieren? Damit würde sich nun endlich der Verdacht bestätigen, dass er tatsächlich der Auserwählte war! Aufgeregt hielt ich den Atem an, als plötzlich auch Yuris Beine und Arme seltsam zu zucken begannen. Die Modoroks hielten ihn eisern fest und starrten ihn ebenso gebannt an wie ich, allerdings weniger begeistert. Ich wartete darauf, dass sich Yuri jeden Moment verwandeln würde, aber mit jeder folgenden Sekunde, in der nichts geschah, wurde ich unsicherer. Schließlich hörte Yuri auf, sich zu bewegen, gab ein leises, schwaches Stöhnen von sich und öffnete die Augen. Er blinzelte und sah sich verwirrt um. "Was... ist passiert?" - "Gar nichts", brummte der Anführer erleichtert und zog die Zügel seines Pferdes fest, "packt euch zusammen, wir brechen auf. Sind wir vollzählig?" Tausende Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum. Wenn Yuri also doch nicht transformieren konnte, weshalb waren die Modoroks so besessen darauf, ihn wieder mit ins Schloss zu nehmen? Verbarg er ein ganz anderes Geheimnis? Oder konnte er sehr wohl transformieren und hatte es aus irgendeinem Grund soeben einfach nicht geschafft? Das würde zumindest die Erleichterung des Anführers erklären. Ein gellender Schrei riss mich plötzlich aus meinen Gedanken. Ich wandte mich um. Der letzte Modorok kam auf uns zugelaufen, sein Pferd am Zügel führend mit der linken Hand, mit der rechten ein Mädchen hinterher schleifend, das ich sofort als Pauline erkannte. Schweiß trat mir aus allen Poren. "Was soll das?", zischte ich und zückte den Zauberstab. "Lass sie sofort los!" - "Hat sich mit ihrer Großmutter hinter der Herrenhütte versteckt. Die Alte war mir egal, aber mit diesem Püppchen hier ließe sich so einiges anstellen...!" - "Lass sie los oder ich fege dir deinen Kopf vom Hals!" - "Nicht so voreilig!" Der Modorok ließ die Zügel seines Pferdes los und nahm stattdessen sein Schwert zur Hand. Blitzschnell hatte er die Klinge an Paulines Hals gedrückt. "Komm einen Schritt näher und ich schlitze ihr die Kehle durch!" Meine Knie sackten mir weg. Ich taumelte, fing mich aber wieder und blieb wie angewurzelt stehen. "Wenn... du das tust... ist sie dir aber nutzlos", stieß ich hervor. Mein Kopf war blank, meine Hände schweißnass, meine Füße zittrig. Der Modorok lachte und seine Kameraden, allen voran der Anführer, stimmten mit ein. "Das kann schon sein", feixte er dann, "aber eine junge Frau wie die zum Spaßhaben finde ich allemal wieder. Das kann aufgeschoben werden. Dich zu quälen allerdings nicht. Daran hab ich viel zu viel Freude." Er riss Pauline an den Haaren und fasste ihr an die Brust. Wut stieg in mir hoch und brachte mein Gesicht zum Glühen. Irgendetwas musste ich doch tun können! Noch bevor ich einen Entschluss gefasst hatte, packte mich der Modorok, der hinter mir stand, an den Armen und drehte sie mir auf den Rücken. Ein Stich fuhr meine gesamte Wirbelsäule entlang; mein Zauberstab fiel zu Boden. Ich zog und zerrte hin und her, aber der Griff des Modoroks war zu stark. Und plötzlich erhellte wie von Geisterhand ein Blitz aus Nebel und Licht für den Augenblick eines Herzschlags die düstere Umgebung; ein Raunen und Rufen ging durch die Modoroks und die Fischerleute; als ich die Augen wieder öffnete, konnte ich es nicht glauben: ein schneeweißer, Furcht einflößend knurrender Wolf hatte sich vor dem Soldaten, der Pauline festhielt, aufgebäumt. Er war etwas mager, aber sehr groß, und seine bloße Präsenz schien den Modorok so einzuschüchtern, dass er sein Schwert vor Schreck fallen ließ und Pauline die Gelegenheit ergriff, um sich loszureißen. Sie fiel in den Schnee. Der Wolf stieß ein drohendes Bellen aus und warf sich mit ungeheurer Wucht auf den Modorok, presste ihn zu Boden, die Zähne gefährlich gebleckt, die Tatzen mit voller Kraft gegen die Brust des Soldaten gedrückt. Niemand sagte oder tat etwas; alle waren zu entgeistert, um die Situation erfassen zu können. Yuri?, schoss es mir durch den Kopf, ich wandte mich zu den anderen Modoroks um und konnte von ihren Gesichtern ablesen, was ich mir die ganze Zeit erhofft hatte: Ja. Yuri konnte transformieren. Er war es. Er war der Auserwählte. Als der Modorok hinter mir seinen Griff lockerte, nutzte ich die Chance und stieß ihm den Ellenbogen in den Magen. Er stöhnte auf und ging in die Knie. Ich griff nach meinem Zauberstab und setzte anschließend den Anführer der Modoroks, der zum Angriff auf den Wolf angesetzt hatte, mit zwei kräftigen Stoßzaubern in den Magen außer Gefecht. Als die Modoroks bemerkten, dass ihr Anführer bewusstlos war, erwartete ich, dass sie zur Gegenattacke ausholen und es mir heimzahlen würden; stattdessen aber packten sie ihn mit aufs Pferd und traten den Rückzug an. Keiner schien es zu wagen, den wütenden Wolf anzugreifen. Das Tier ließ von dem panisch schreienden Modorok unter ihm ab und die Soldaten ergriffen auf ihren Rössern die Flucht. Gerade rechtzeitig, denn mein Schutzzauber war mittlerweile verflogen. Kimama kam aus dem Getümmel auf Pauline zugelaufen, stürzte sich zu ihr auf die Knie und starrte den weißen Wolf verworren an. Der Wolf, die türkisen Augen, die eindeutig Yuris waren, noch zu schmalen Schlitzen verengt, blinzelte kurz, schwankte, und sackte dann jaulend in sich zusammen.

      Keiner von uns rührte sich von der Stelle.

      Kapitel 5 - TANZ DES GOLDGREIFS

Bild 177213 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

       PAULINE.

      Ich konnte meinen Blick nicht von dem Wolf abwenden.

      Er lag, von Schnee bedeckt, am Boden und bewegte sich nicht. Nur sein Brustkorb hob und senkte sich auffallend stark. Ich klammerte mich fest an Kimama. Mein Herz schlug wie wild, ich spürte immer noch die Pranken des Modoroks um meinen Körper geschlungen. Tränen liefen mir stumm übers Gesicht.