breit niemand“, wunderte sich seine Mutter. Robert hätte eigentlich mehr Schutz von seiner Mutter vor dem Sheriff erwartet.
„Soll das etwa heißen, dass, wenn es hier Menschen zum Beobachten geben würde, du mir ohne weiteres zutraust, ich könnte ein Spanner sein? Wieso hast du dem Sheriff nicht gesagt, mein Sohn tut so etwas nicht‘?“
„Aber Robert, natürlich glaube ich ihm kein Wort. Ich bin von diesen Anschuldigungen völlig überrascht worden. Ich dachte, er wollte in unserem Haus nach kranken Waschbären suchen. Es tut mir wirklich sehr leid, mein Großer. Pass auf, ich habe eine Idee. Ich werde morgen zum alten Sheriff gehen und ihn bitten, mit Sheriff Rimbaud zu reden, damit er dir dein Teleskop zurückgibt. Jetzt habe ich es aber eilig. Die Zwillinge warten bestimmt schon vor dem Kindergarten auf mich.“ Seine Mutter lief eilig zum Auto und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Während er seiner Mutter nachschaute, fiel ihm plötzlich sein wahres Problem wieder ein. Er rannte die Treppe, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hinauf in sein Zimmer. Von unten hörte er seine Großmutter rufen: „Junge, verzeih mir bitte!“
„Ja Gomi, ist schon gut“, rief er zurück, obwohl er in Wahrheit sehr böse auf sie war. Weshalb glaubte sie, sich in wirklich alles einmischen zu müssen? Er war durch diese dumme Waschbärengeschichte dermaßen aufgehalten worden, dass er keine Zeit mehr gefunden hatte, für klein T-Rex Futter zu besorgen. Er öffnete seine Schranktür und schaute vorsichtig hinein. Er schob behutsam seine Pullover auseinander und war erleichtert, denn der Raubsaurier schien tief und fest zu schlafen. Als er ihn mit dem Pullover vorsichtig wieder zudecken wollte, blinzelte klein T-Rex mit den Augen. Er streckte sich und setzte sich auf. Robert kraulte ihm den Hals und der Kleine hielt genüsslich seinen riesigen Schädel in die Höhe, damit Robert auch bestimmt an jede Stelle kam.
„Zuerst brauchst du etwas zu fressen.“ Es war ihm der Gedanke gekommen, als Nahrungsergänzung Fisch mit auf den Speiseplan zu nehmen. Der Pazifische Ozean bot sich an, denn er lag vor der Haustür. Damals, als sein Vater noch lebte, waren sie manchmal in Deutschland zusammen Angeln gegangen, daher glaubte er, noch einige Angelkenntnisse zu besitzen. Mit Fisch wären sie erst einmal die größten Ernährungsprobleme los. Außerdem hätten sie sich damit noch ein anderes, weitaus wichtigeres Problem vom Hals geschafft, nämlich das mögliche aufkeimende Interesse des T-Rex an Menschen oder deren Gefährten, wie beispielsweise Hunden. Kühe würde er sicherlich auch nicht verschmähen, die er mangels guter Fütterung ebenfalls als potenzielle Nahrungsquellen ansehen könnte.
In Roberts Zimmer gab es einen begehbaren Schrank. Dort hatte er, als er nach Amerika umziehen musste, zuerst einmal alle seine Sachen verstaut, die er nicht sofort benötigte.
„In welchem Karton ist wohl die Angel?“ Er wühlte sich durch etwa zwei Dutzend Kartons. Selbstverständlich lag die Angel mit Zubehör in einem der letzten Kartons. Er überlegte, ob er gleich jetzt zum Strand gehen sollte, um seine rudimentären Kenntnisse des Angelns wieder aufzufrischen, obwohl es noch hell war. Oder doch besser nachts, wenn ihn niemand sah und die Blamage weitaus geringer ausfiel. Von draußen drang das Geräusch von zuschlagenden Autotüren herein. Bald darauf hörte er die trippelnden Schritte der Zwillinge auf der Treppe und ihr unvermeidliches Rufen nach ihrem Glücksdrachen.
Robert beobachtete, inwieweit klein T-Rex, der immer noch zusammengekullert zwischen seinen Pullis döste, auf die Lockrufe der kleinen Geschwister reagierte. Zu Roberts Erstaunen zeigte der Saurier keinerlei Wiedererkennen, geschweige denn Freude, wie beispielsweise ein Hund sie erkennen ließ. Selbst als seine Geschwister vor Roberts Schrank standen und klein T-Rex begrüßten, nahm er kaum Notiz von ihnen. Erst als er von den Zwillingen angefasst wurde, schien er sie überhaupt wahrzunehmen. Robert wunderte sich, dass seine Geschwister das offensichtliche Desinteresse ihres Glücksdrachen ihnen gegenüber nicht bemerkten.
„Hast du unserem Glücksdrachen etwas zu essen besorgen können?“, fragte ihn Miranda, ganz die fürsorgliche Mama. Sie nahm den Dino auf und wiegte ihn auf ihren kleinen Ärmchen hin und her.
„Nein, ich habe leider noch keine Zeit gehabt. Aber ich wollte ihm gerade etwas Leckeres fangen“, sagte Robert und zeigte ihnen seine Angelutensilien.
„Seit wann kannst du angeln?“, wunderte sich Sebastian. Und als Robert die Angelrute auspackte und sich ziemlich ungeschickt dabei anstellte, sie zusammenzusetzen, kamen bei seinen kleinen Geschwistern erste Zweifel auf, ob Fische fangen auch wirklich die schnellste Art der Nahrungsbeschaffung sein würde. Robert fingerte nervös an der Angelrute herum.
„Also irgendwie müssen die Teile doch zusammengehören!“, schimpfte er.
Eigentlich war es so, dass jüngere Geschwister immer zu ihren älteren Geschwistern aufblickten, weil die älteren Geschwister den jüngeren Geschwistern gegenüber einen Wissensvorsprung besaßen. Und je größer der Altersunterschied, desto größer war der Wissensvorsprung. Bei Miranda und Sebastian schien dieses unumstößliche Geschwistergesetz, zumindest was das Angeln betraf, nicht zu gelten.
„Und du glaubst, das funktioniert?“, zweifelte Miranda.
„Und wie oft hast du schon mit Papa geangelt?“, wollte Sebastian wiederum wissen.
„Habt ihr eine bessere Idee?“, fragte Robert seine Geschwister gereizt. „Angeln wäre die harmloseste und unauffälligste Art, um für einen T-Rex Nahrung zu besorgen.“
„Wieso willst du denn Fressen für einen T-Rex besorgen und was ist das überhaupt für ein Tier?“, verlangte seine kleine Schwester zu erfahren.
„Das sind diese grausamen Dinosaurier mit den riesigen Hinterbeinen, die nur diese kleinen verkrüppelten Ärmchen haben. Erinnerst du dich an den Film, wo der T-Rex die Menschen fressen wollte und du vor lauter Angst geschrien hast?“
„Meinst du das Monster in Jurassic Park?“, fragte Miranda.
Sebastian bestätigte dies. „Ganz genau. Der riesige, schwarze Dinosaurier, der so fürchterlich schniefend hinter dem Auto her gelaufen ist.“ Beide schauten sich entsetzt an und das Grauen, das sie empfanden, war in ihren Gesichter abzulesen.
Robert biss sich auf die Zunge. „Verdammt!“, dachte er zerknirscht, „was für ein blöder Versprecher.“ Doch vielleicht würden sich nun die Zwillinge Gedanken über ihren Glücksdrachen machen. Es wäre langsam an der Zeit.
„Ich meinte natürlich, dass ich für euren bildhübschen Glücksdrachen, der nur so ein klitzekleines bisschen einem T-Rex ähnelt, Fressen besorgen muss“, korrigierte sich Robert schnell. „Also, er gleicht ihm wirklich kaum! Außer vielleicht die monströse Schnauze und wenn man genauer hinschaut, ähneln auch diese kümmerlichen Ärmchen diesem Tier. Und wenn wir schon dabei sind, die Hinterbeine sind auch recht stämmig.“ Robert wartete gespannt auf die Reaktion der Zwillinge. Doch anstatt ihren Glücksdrachen, der noch immer auf Roberts Pullovern friedlich schlummerte, genauer in Augenschein zu nehmen, straften sie Robert mit einem bitterbösen Blick.
„Das ist kein Dinosaurier, sondern ein Glücksdrache. Das ist etwas völlig anderes!“, empörten sich seine Geschwister.
„Und übrigens sind die Dinosaurier sowieso schon längst ausgestorben“, wurde er von seinen kleinen Geschwistern aufgeklärt.
„Glücksdrachen bringen Glück, sind treu und besonders verschmust“, meinte Sebastian.
„Außerdem kann man auf ihnen reiten, wenn sie ausgewachsen sind und sie fliegen gelernt haben“, vervollständigte Miranda noch die Liste der erforderlichen Eigenschaften eines Glücksdrachen. Robert gab es für den Moment auf. Offensichtlich konnte man Fünfjährigen nicht mit Logik kommen. Also musste er warten, bis das schnuckelige Tierchen irgendwann und unausweichlich den beiden gegenüber garstig werden würde, und er hoffte bald, denn er befürchtete, dass die Zähne demnächst durchbrechen würden. Ein T-Rex besaß schließlich keine Zähne, um Weichtiere, wie harmlose Schnecken oder Regenwürmer, zu fressen. Der Bauch des Raubsauriers machte ein gurgelndes Geräusch und erinnerte Robert daran, auf Fischfang zu gehen, obwohl seine Geschwister die Eierdiebestour beim Nachbarn bevorzugten.
„Ich schleiche mich mal in die Gruselküche und schaue im Kühlschrank nach. Vielleicht haben