Friederike Elbel

Versteckspiel mit T-Rex


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nicht so schnell, Robert. Wir haben sicherlich noch ein paar Fragen an dich. Weiß jemand, wie das deutsche Wort König im Englischen heißt?“ Als keiner antwortete, klärte er die Klasse auf.

      „König heißt King oder lateinisch Rex. Hat jemand weitere Fragen?“ Mr. Clifford schaute sich suchend im Klassenzimmer nach weiteren Meldungen um. Und ausgerechnet Bobby hob den Arm für eine Wortmeldung.

      „Ja, Bobby? Hast du eine Frage an Robert?“, fragte Mr. Clifford.

      „Ja, das habe ich tatsächlich. Ich würde gerne von unserem neuen Klassenkameraden erfahren, welchen Beruf sein verehrter Herr Papa ausgeübt hat.“ Robert hörte im Hintergrund unterdrücktes Kichern aus den Reihen der Bobby-Clique.

      Ihm blieb nichts anderes übrig, als darauf zu antworten. „Mein Vater war Wissenschaftler. Er hatte eine Professur an einer deutschen Universität inne und lehrte Geologie und Vulkanologie.“

      Wieder meldete sich Bobby und die halbe Klasse kicherte.

      „Bobby, ich erkenne dich nicht wieder. Du meldest dich doch sonst kaum. Eigentlich meldest du dich nie“, wunderte sich Mr. Clifford.

      „Nun ja, ich bin eben heute besonders wissbegierig. Ich möchte Mr. Rex zuerst mein tiefes Beileid über das Ableben seines Vaters aussprechen. Dennoch würde ich gerne erfahren, ob sein Vater derjenige war, nach dem mein armer, überarbeiteter Vater tagein und tagaus unter teils lebensgefährlichen Bedingungen in der Wildnis des Mount Rainiers suchen musste?“

      Mr. Clifford stutzte. „Bobby, was meinst du damit?“

      „Ich würde einfach nur zu gerne wissen, ob sein Vater einer der zwei Trottel war, die irgendwo in unseren Vulkan gefallen sind.“ Inzwischen versuchte die Bobby-Clique nicht einmal mehr, das Lachen zu unterdrücken. Ihr Klassenlehrer schaute Robert irritiert an.

      „Ist das wirklich dein Vater gewesen, der mit einem anderen Wissenschaftler am Mount Rainier verschollen ist?“

      „Ja, und der andere Wissenschaftler war mein Großvater“, musste Robert zugeben.

      „Und stimmt es auch“, fragte Bobby grinsend, „dass dein Vater und Großvater in unserem schönen Vulkan lebende Dinosaurier vermuteten und danach suchten?“ Nun brach im Klassenzimmer tosendes Gelächter aus und Mr. Clifford musste die Klasse zur Ruhe mahnen. Doch Robert liefen kalte Schauer den Rücken hinunter, als er das hörte, und eine Flut von Fragen strömte durch sein Gehirn. Wie kam dieser Bobby an Informationen über seinen Vater? Und weshalb sollte sein Vater Dinosaurier in einem Vulkan vermuten? Und wenn ja, nach welchen Dinosauriern hatte sein Vater gesucht? Doch wohl kaum nach hochgefährlichen Raubsauriern? Die qualvollste und wichtigste Frage war jedoch, weshalb seine Mutter nie mit ihm über die Suche seines Vaters nach lebenden Dinosauriern gesprochen hatte. Ihm fiel allerdings noch eine andere äußerst wichtige Frage in diesem Zusammenhang ein, nämlich, inwieweit sein Vater daran schuld war, dass seine kleinen Geschwister in den Besitz eines T-Rex gelangen konnten. Während diese und andere Fragen sein Gehirn marterten, war das Gelächter im Klassenzimmer abgeklungen und er durfte sich setzen.

      „Nun Robert, ich hoffe, du nimmst deinen Klassenkameraden ihre Taktlosigkeit nicht übel. Mir tut es natürlich leid um deinen Vater und Großvater. Doch jetzt öffnet bitte euer Englischbuch auf Seite 34. Robert, fang bitte an zu lesen. Ich möchte herausfinden, wie gut dein Englisch ist.“ Er tat wie ihm befohlen, doch seine Gedanken waren ganz woanders. Er überlegte, wer ihm Auskunft geben könnte, was genau sein Vater und sein Großvater in dem Vulkan zu finden gehofft hatten, ohne Misstrauen zu wecken und auf einen lebenden T-Rex hinzudeuten. Besonders interessierte ihn, wer alles von dem geheimnisvollen Vorhaben seines Vaters und Großvaters gewusst haben könnte. Er nahm an, dass sein Großvater seinen Vater begleitet hatte, weil jener Tierarzt von Beruf war. Als erstes musste Robert herausfinden, ob sein Vater tatsächlich in einem Vulkan auf der Suche nach lebenden Dinosauriern gewesen war, denn dann würde sich auch das lebende Grauen, das zu Hause auf ihn wartete, erklären.

      Sein Handy brummte in der Schultasche und als er es herauszog, las er entsetzt die Meldung seiner Großmutter: „Robert, kann Mutter nicht erreichen. Hier im Haus fürchterliche Geräusche. Es springt und hüpft ganz merkwürdig im ersten Stock. Bin in Küche eingeschlossen. Rufe Polizei! Gruß Gomi“, schrieb sie ihm.

      „Nein, Gomi, bitte belästige die Polizei damit nicht. Komme sofort“, meldete er sich hektisch zurück. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass in seinem neuen Zuhause die Polizei herumschnüffeln würde. Glücklicherweise war die Unterrichtsstunde gerade vorbei. Er ging zu Mr. Clifford und fragte ihn, ob er wisse, wo seine Mutter sei.

      „Soviel ich weiß, lässt sie gerade eine Mathematikklausur schreiben. Wieso? Ist etwas passiert?“, fragte ihn sein Klassenlehrer.

      „Meine Großmutter hat sich in der Küche eingeschlossen. Ich muss nach Hause, um sie zu befreien. Sie wissen ja sicherlich, in welchen Verhältnissen wir wohnen. In diesem Haus funktioniert rein gar nichts.“ Er glaubte es sei besser, die Geräusche, die seine Großmutter hörte und deretwegen er eigentlich nach Hause wollte, unerwähnt zu lassen.

      „Das ist in der Tat ein sehr merkwürdiges Haus, das deine Mutter gekauft hat. Ich hätte ihr davon abgeraten. Hat sie sich denn keine Gedanken darüber gemacht, weshalb das Haus über 20 Jahre lang leer stand? Aber geh nur und befreie deine Großmutter, und danach kommst du bitte wieder zurück“, erlaubte ihm sein Lehrer, den Unterricht zu unterbrechen. Robert lief so schnell er konnte, um seine Großmutter davon abzuhalten, etwas Unüberlegtes zu tun. Zwar wäre die Strecke mit dem Fahrrad in fünfzehn Minuten zu bewältigen gewesen, da er aber heute früh mit seiner Mutter im Auto zur Schule gefahren war, musste er nun zu Fuß die Strecke zurücklegen. Allerdings kam ihm das nächtliche Gassigehen mit dem Glücksdrachen zugute. Er hatte sich eine gewisse Kondition antrainiert und rannte ohne Mühe in weniger als 20 Minuten zu seinem neuen Heim. Unterwegs informierte er nochmals seine Großmutter per Textnachricht, dass er auf dem Weg war und es überhaupt keinen Grund gab, die Polizei zu rufen.

      „Gomi, ich bin da“, rief er, als er in die Eingangshalle stürmte. „Ich laufe gleich nach oben, um nachzuschauen, was es sein könnte!“

      „Nein, mein Junge, lass mich das tun!“ Seine Großmutter schloss die Tür zur Küche von innen auf und kam auf ihn zu, bewaffnet mit einem Küchenmesser, mit dem man bestimmt einen Büffel hätte zerteilen können. Als deine Großmutter gehe ich natürlich vor. Ich will nicht, dass dir etwas passiert.“

      „Gomi, ich glaube wir benötigen kein Langmesser“, versuchte Robert seine Großmutter zu beruhigen. „Es wird sich bestimmt nur um einen Waschbären oder ein ähnliches Tierchen handeln, schlimmstenfalls um eine Ratte, die nach Nahrung sucht.“

      „Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Glaubst du allen Ernstes, ich hätte Angst vor einer Ratte oder einem Waschbären? Ich weiß genau, was ich gehört habe und es war bestimmt kein kleines Tier.“ Verärgert lief sie an ihm vorbei und sprang, für ihre 65 Jahre erstaunlich schnell, die morsche Treppe zum ersten Stock hinauf. Dort angekommen besann sie sich jedoch und tastete sich vorsichtig an die Kinderzimmertüre heran, hinter der sie die unheimlichen Geräusche gehört zu haben glaubte. Tatsächlich vernahmen sie ein leichtes Kratzen hinter der Tür des Kinderzimmers.

      „Gomi, komm, lass mich das besser machen.“ Er nahm seiner Großmutter vorsichtig das Küchenmesser aus der Hand. „Ich werde nachschauen.“ Er wunderte sich, dass klein T-Rex wach war. Er für seinen Teil hätte sofort einschlafen können, so müde fühlte er sich.

      „Also, von unten hat es sich wie ein Einbrecher angehört“, entschuldigte sich seine sichtlich enttäuschte Großmutter.

      „Ich glaube, du kannst dich wieder entspannen und nach unten gehen. Ich werde mit dem Tierchen bestimmt alleine fertig“, versuchte er seine Großmutter abzulenken.

      Bedauerlicherweise dachte sie überhaupt nicht daran, von seiner Seite zu weichen.

      „Falls das Tier dich angreift oder flüchtet, kann ich mich in den Weg stellen.“

      „Aber das Tier könnte dennoch gefährlich sein“, sagte