Friederike Elbel

Versteckspiel mit T-Rex


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wäre seine Behauptung hinfällig, falls Sheriff Rimbaud das schlafende Tierchen ausgerechnet in Roberts Schrank finden würde. Ihm graute davor, dies erklären zu müssen. Und fatalerweise gab es noch die Aussage seiner Großmutter, denn klein T-Rex glich genau ihrer Beschreibung des merkwürdigen Waschbären. Robert befürchtete, sein gesamtes schauspielerisches Talent aufbringen zu müssen, um so ahnungslos wie möglich zu erscheinen, falls der Scheriff das Tierchen finden würde. Zuerst benötigten sie einen Anwalt, der glaubhaft vor Gericht versichern konnte, dass die Zwillinge, die durch ihr Alter noch strafunmündig waren und unmöglich wissen konnten, was sie taten, die Hauptschuldigen seien und Robert als Bruder nur versucht habe, sie zu beschützen. Tatsächlich fühlte er sich geradezu erleichtert, den Raubsaurier nicht selber töten zu müssen. Der Sheriff würde alles Notwendige erledigen und er konnte seinen Geschwistern mit reinem Gewissen gegenübertreten. Der Sheriff und er waren zwischenzeitlich an seinem fantastischen neuen Heim angekommen.

      „Nur zu deiner Information. Ich habe, bevor ihr hier eingezogen seid, das gesamte Haus von oben bis unten durchsucht. Die Vorbesitzer haben nichts Unerlaubtes in diesem Haus zurückgelassen“, klärte ihn der Sheriff auf, während sie die brüchigen Stufen zur Eingangstür hinaufstiegen. Robert beschlich ein ungutes Gefühl. Ihm kam es so vor, als ob der Sheriff einen Vorwand suchte, um in ihr Haus zu kommen. Nur weshalb? Von der Existenz eines T-Rex konnte er unmöglich etwas ahnen. Die Großmutter musste sie gehört haben, denn sie öffnete freudestrahlend die überdimensionierte Eingangstür, deren ursprüngliches Massivholz nach und nach durch Spanplatten ersetzt worden war.

      „Sehr verehrter Herr Sheriff, wie überaus freundlich von ihnen, so schnell vorbei zu kommen“, begrüßte sie ihn überschwänglich. Robert hingegen warf sie nur ein flüchtiges „So, du bist also auch da“ hin.

      „Ja, liebe Gomi, ich bin auch da. Ich wohne nämlich bedauerlicherweise hier.“

      „Sei nicht so frech zu deiner Großmutter“, tadelte ihn unfairerweise der Sheriff.

      „Und wo, Sheriff Rimbaud, fangen wir nun an zu suchen?“, fragte seine Großmutter mit dem gütigsten Lächeln, zu dem sie fähig war.

      „Nein, Madam, Sie brauchen mir nicht zu helfen. Das Haus werde ich alleine durchsuchen. Glauben Sie mir, das Letzte, was ich benötige, ist unprofessionelle Hilfe. Vielen Dank. Es wird bestimmt nicht lange dauern. Ich glaube, auf die Erlaubnis ihrer Tochter können wir verzichten.“ Er stieg die Treppen hinauf und verschwand in einem der unzähligen Gänge. Seine Großmutter blieb sprachlos zurück und schaute ihren Enkel etwas hilflos an.

      „Übrigens, weiß Mama, dass der Sheriff eine Hausdurchsuchung bei uns durchführt?“, fragte Robert.

      „Welche Hausdurchsuchung?“, frage seine Großmutter. „Er will lediglich nachschauen, ob es noch mehr kranke Waschbären in unserem Haus gibt.“

      „Nein Großmutter, ich vermute, er verfolgt ganz andere Pläne. Bitte versuche Mama zu erreichen und sage ihr, dass der Sheriff in unserem Haus herumschnüffelt“, rief Robert, während er schon die Stufen hinauf jagte. Aus einem ihm unerfindlichen Grund war es ihm nun geradezu zuwider, dass der Sheriff den Glücksdrachen seiner Geschwister finden würde. Natürlich war die Vorstellung verlockend gewesen, diese ungeheure Verantwortung, die auf ihm lastete, loszuwerden. Doch misstraute er dem Kerl und weshalb sollte der Vater einen besseren Charakter haben als sein Sohn, denn der hatte erwiesenermaßen überhaupt keinen. Bobby gehörte zu der widerwärtigen Art von Menschen, die, um sich selber zu erhöhen, andere erniedrigen mussten. Und wie hieß es so schön? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!

      „Ja, wohin denn so eilig?“, rief der Sheriff, als er plötzlich hinter Robert stand, gerade als dieser seine Zimmertüre öffnen wollte. Der Sheriff drängte ihn beiseite und ließ seinen prüfenden Blick über jeden Gegenstand in Roberts Zimmer gleiten.

      „Da haben wir ja ein Corpus Delicti“, grinste der Kerl und schien sich sichtlich zu freuen, fündig geworden zu sein. Zu Roberts Erstaunen ging er schnurstracks auf das Weihnachtsgeschenk seiner Mutter zu.

      „Das ist ein Teleskop“, antwortete Robert völlig irritiert. „Das hat, glaube ich, nichts mit einem kranken Waschbären zu tun.“ Der Sheriff schlenderte durch sein Zimmer und trat zum Fenster.

      „Mir ist es nicht entgangen, dass du Erwachsenen gegenüber den nötigen Respekt fehlen lässt“, maßregelte ihn der Sheriff. Robert protestierte.

      „Meine Mutter und ich sind übereingekommen, dass man von vorneherein jeden respektieren sollte, völlig unabhängig vom Alter.“ Er wunderte sich über sich selbst, dass er noch vor einigen Minuten bereit gewesen war, diesem Mann ihr gefährliches Haustier anzuvertrauen. Er hoffte, der Sheriff würde die Waschbärensuche beenden oder seine Mutter würde endlich auftauchen und den Scheriff rausschmeißen. Er musste nämlich befürchten, dass klein T-Rex bald aus seinem Mittagsschläfchen aufwachen würde. Stattdessen schlenderte Sheriff Rimbaud, alles genau untersuchend, umher. Er hob Roberts Bücher auf und studierte die Titel, ging zum Schreibtisch und schaute sich die darauf liegenden Hefte an. Er scheute sich nicht einmal, darin zu blättern.

      „Gute Noten“, murmelte der Sheriff, mehr zu sich selbst. „Mein Bobby hat mir schon von deinen Leistungen im Unterricht berichtet. Du scheinst sehr schnell die ungeteilte Aufmerksamkeit der Lehrer erlangt zu haben. Alle Lehrer, so hört man, mögen dich. Du weißt aber, dass man sich dadurch auch unbeliebt machen kann?“ Der Sheriff grinste ihn spöttisch an, um sich dann wieder interessiert dem Ausblick aus Roberts Erkerfenster zu widmen.

      „Wen beobachtest du eigentlich mit deinem Fernrohr? Nachbarn? Vögel? Irgendetwas Ungewöhnliches?“, fragte ihn der Sheriff.

      „Wie ich bereits sagte, es handelt sich um ein Teleskop. Damit kann man Sterne beobachten und sogar Galaxien, jedoch keine Gegenstände auf der Erde, da alles verkehrtherum abgebildet wird.“ Robert versuchte den Eindruck zu vermeiden, den Sheriff belehren zu wollen. Doch der überhörte seine Erklärung und schraubte ungerührt das Teleskop vom Ständer.

      „Nun, mein Junge, wir mögen hier einfach keine Spanner. Das Ding wird konfisziert!“ Der Sheriff klemmte sich das Teleskop unter den Arm und spazierte aus dem Zimmer. Robert sah sich gezwungen, dem Sheriff hinterher zu laufen.

      „Verzeihen Sie bitte, Sheriff Rimbaud, es handelt sich um ein wissenschaftliches Instrument. Damit kann man keine Menschen beobachten“, versuchte er ihn umzustimmen. Doch schienen Roberts Argumente dem Sheriff vollkommen egal zu sein. Endlich hörte Robert in der Ferne ein herannahendes Auto. Es wurde auch langsam Zeit, dass seine Mutter kam. Doch anstatt ihm zu Hilfe zu eilen fragte sie, als sie zur Haustür eintrat und ihn sah, was er denn nun wieder angestellt hätte.

      „Nichts, Mama. Der Sheriff hat ohne jeden Grund mein Teleskop konfisziert.“

      Sie stutzte, als sie den Sheriff mit dem Teleskop unter dem Arm die Treppe herabkommen sah.

      „Sheriff Rimbaud! Was für eine Freude Sie zu sehen. Ich hoffe, Robert hat sich nichts zu Schulden kommen lassen? Das wäre mir schrecklich peinlich.“

      „Nun ja, Frau Doktor König, wie man es nimmt“, antwortete er und musterte Roberts Mutter mit sichtlichem Wohlgefallen ungeniert von Kopf bis Fuß, obwohl der Sohn daneben stand. Robert war sehr wohl bewusst, dass seine Mutter, obwohl bereits vierzig und zudem dreifache Mutter, immer noch, auch wegen ihrer vollen blonden Haaren, ihrem strahlenden Lachen und durchtrainierten Körper, auf Männer sehr attraktiv wirkte. Sogar einige ihrer Schüler an der alten Schule in Deutschland schwärmten von ihr. Zu seinem Verdruss hatte er das mehrmals mitbekommen.

      „Zwar hat Ihr Sohn heute einiges falsch gemacht. Allerdings liegt keine Straftat vor, wenn man mal davon absieht, dass Ihr Sohn, so wie es aussieht, Gefallen daran findet, andere Menschen mit dem Fernrohr zu beobachten. Ich glaube, es gab bereits ein paar Hinweise. Ich darf natürlich nicht näher darauf eingehen. Deshalb werde ich das Fernrohr konfiszieren. Übrigens ist es verboten, wegen der brütenden Tölpel, an die Klippen zu gehen. Bitte tragen Sie unbedingt dafür Sorge, dass Ihre Kinder dieses Verbot beachten.“ Lässig tippte er zum Abschied mit zwei Fingern an seinen imposanten Sheriffshut und verließ mit Roberts Teleskop das Haus. Er ging zu seinem Auto und verstaute