Indira Jackson

Rayan - Der Stich des Skorpions


Скачать книгу

Hummer und Cho die Kunden zwei Stunden später zufrieden verabschiedet hatten, hatte sich Yasin noch immer nicht wieder blicken lassen.

      Sie überlegten einen Moment lang, ob sie zu ihm hineingehen sollten, doch dann kamen sie zu dem Schluss, dass ihm ein wenig mehr Zeit zum Nachdenken sicher nicht schaden würde. Und dass er kein Typ war, um dessen Gesundheit sie sich Sorgen machen mussten, stand ohnehin fest. Er würde schon wieder auftauchen, sobald er seine Gedanken sortiert und wieder mit sich im Reinen war.

      So machten sie sich zwar nach wie vor mit schlechtem Gewissen, jedoch weitgehend unbesorgt wieder an ihre Arbeit.

      Bis dann Chos Telefon klingelte und zu dessen Überraschung einer seiner Kontaktmänner anrief. „Hey altes Schlitzauge!“, kam die wenig höfliche Begrüßung. „Ich bin’s.“ Er nannte wie üblich keine Namen. Aber das war auch nicht notwendig. „Ja klar, es gibt auch nur einen der mich derart beleidigt …“ Die Antwort war ein rostiges Lachen.

      „Hör mal ich wollt‘ dich nur wissen lassen, dass dein Firmenmitinhaber wohl Probleme hat … jemand gräbt nach seinen Daten und stellt Fragen. Das geht nicht gut aus, sage ich dir. Für wen auch immer. Ich habe mitbekommen, dass schon ‚die anderen‘ davon Wind bekommen haben und der Sache bereits nachgehen.“

      Ohne eine Reaktion abzuwarten, legte der Mann auf. Er wurde auch nicht für Höflichkeit, sondern für Informationen bezahlt und was Cho daraus machen würde, war ihm dann meistens egal. Dafür war er aufmerksam und hatte genügend Grips, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden, das musste man ihm lassen.

      Verblüfft legte Cho das Telefon zur Seite und überlegte, was er nun mit dieser Information anfangen sollte. Dann beschloss er, dass es Zeit war, zu Yasin zu gehen, um unter anderem mit ihm über diesen Anruf zu reden. Ihre Differenzen hin oder her, das war wichtiger.

      Doch zu seiner Überraschung war das Büro gegenüber inzwischen leer. Beunruhigt ging er zu ihrer Assistentin und fragte, ob sie Mr. Tanner gesehen hätte?

      Wie zu erwarten war, hob die Blondine kurz die Brauen, als wollte sie fragen, ob die Herren jetzt gar nicht mehr miteinander sprächen? Offenbar hatte Tamara zu ihrer üblich professionell-kühlen Art zurückgefunden. Präzise und knapp wie üblich informierte sie ihn: „Mister Tanner ist vor zwanzig Minuten gegangen. Er sagte, er habe etwas zu erledigen. Und bevor Sie fragen: Nein, er hat nicht gesagt, was das ist oder wohin er geht. Und schon gar nicht, wann er zurück sein möchte.“

      Anfang September 2015 – München – Wiedersehensfreude

      Ein wenig war Carina zunächst beleidigt, dass Rayan sich ein Zimmer genommen hatte, trotzdem er genau wusste, dass sie hier noch ihren Wohnsitz hatte. Doch als sie in der vornehmen Suite angekommen waren, legten sich ihre Bedenken schnell.

      Zuvor hatte sie noch Jassim herzlich begrüßt, der sich nicht davon hatte abbringen lassen, bei seinem Herrn in München zu bleiben. Zu deutlich hatte auch er noch die Entführung am Anfang des Jahres vor Augen. Immerhin hatte er klein beigegeben, im Hotel zu warten, denn Rayan hatte sich strikt geweigert, mit Leibwächter auf der Gartenparty zu erscheinen. Carina musste über dessen Reaktion lachen, als sie ihm vom Autorennen berichtete: Jassim schaffte es, trotz seiner stets respektvollen Haltung deutlich seinen Unmut auszudrücken. „Was für ein Leichtsinn!“, sagte sein Blick, und: „Kaum lässt man ihn einmal alleine.“ Doch er äußerte nichts davon laut.

      Dann schloss sich die Türe der Suite hinter den beiden und Rayan raunte ihr „Petze!“ ins Ohr. „Jetzt lässt er uns bestimmt überhaupt nicht mehr aus den Augen. Am liebsten würde er mit ins Zimmer reinkommen …“ Zuerst war in seinem Blick Ärger zu erkennen, weil er sich auf keinen Fall bevormunden lassen wollte - schon gar nicht von seinem eigenen Leibwächter! - dann aber stimmte er in Carinas Lachen ein und begab sich in Badezimmer.

      Ein wenig sprachlos sah sich Carina in der Zwischenzeit um und fühlte sich in dieser luxuriösen Umgebung förmlich eingeschüchtert. Das Hotel war das „Westin Grand“ im Nordosten der Stadt.

      Am meisten stach ihr das breite Bett ins Auge, dessen Rahmen aus hochwertigem Edelstahl tatsächlich aus einer Art elegant geschwungenem Gestänge bestand. Sie verstand, warum es Rayans Fantasie angeregt hatte.

      Während dieser unter der Dusche war, bewunderte sie den exklusiven Inhalt des großzügigen Kühlschranks sowie den großen Flachbildschirm und den begehbaren Kleiderschrank. Außerdem hatte man aufgrund der Höhe einen schönen Blick auf Umgebung, wie den Effnerplatz, das Staatsministerium, aber auch die umliegenden Kliniken.

      Um ihre Nerven nach der rasanten Autofahrt wieder zu beruhigen, hatte sie gleich zwei Gläser Champagner getrunken und fühlte sich nun ein wenig schummrig. Sie überlegte, wie das sein konnte, und fand gleich mehrere Gründe: Zunächst hatte sie auch im Laufe des Nachmittags immer wieder ein neues Glas genommen. Und dabei kaum etwas gegessen. Ihr fiel auf, dass sie Hunger hatte. Irgendwie hatte sie durch die Ereignisse keine Zeit gefunden, sich am reichhaltigen Buffet zu bedienen. Und der wichtigste Grund war wohl, dass es Monate her war, dass sie zum letzten Mal Alkohol getrunken hatte.

      Sie dachte an Rayan, der sowohl einen Whisky, als auch ein Glas Champagner getrunken hatte, und fragte sich, wieso er offenbar keine Wirkung zeigte. Was sie nicht wissen konnte: Der kam aufgrund seines zweiten Lebens in Amerika öfter als sie vermutete dazu, Alkohol zu trinken. Es schickte sich eben nicht, bei einem Geschäftsabschluss in Millionenhöhe nur Wasser zum Feiern zu nehmen.

      Als sie hörte, dass die Dusche abgestellt wurde, wurde sie auf einmal nervös. Wie ein Teenager bei einem seiner ersten Dates! Das lag zum einen an Rayan - dem Mann - selbst. Seine übermächtige Präsenz war schon genug, ihre Nerven zum Flattern zu bringen. Und heute vor allem an seinen Ankündigungen. Was hatte er vor?

      Mit nur einem Handtuch um die Hüften kam er wenige Sekunden später bereits aus dem Badezimmer. Lächelnd trat er auf sie zu und sah ihr in die Augen: „Meine Schöne!“, sagte er bewundernd. „Endlich sind wir alleine und ich muss dich nicht mehr mit all diesen Fremden teilen.“

      Er zog sie an sich und küsste sie zärtlich auf die Lippen. Dann lehnte sie sich an seine Schulter und er schloss seine Arme fest um sie. Eine Weile standen sie bewegungslos mitten im Raum. Aufgrund des Größenunterschieds - sie reichte ihm mit ihren 1,65 m gerade einmal bis an die Schulter - kam es Carina vor, als würde sie vollkommen in seiner Umarmung verschwinden. Alle Nervosität fiel von ihr ab und sie fühlte sich geborgen. Bedächtig sog sie den Duft seines Körpers in sich ein und wurde sich bewusst, dass sie genau das die letzten Wochen vermisst hatte.

      Rayan dagegen vergrub sein Gesicht in ihren weichen Haaren, deren goldene Farbe ihn schon beim ersten Anblick, damals im Flugzeug auf dem Weg von München nach Dubai, fasziniert hatte. Sie hatte heute Morgen ein anderes Shampoo benutzt, eines das nach Rosen duftete. Ein wunderbarer Geruch, der ihn an den Garten in Zarifa erinnerte.

      Auch er erfreute sich einige Minuten lang auf diese Weise an ihrer Wiedervereinigung, wobei er innerlich über sich selbst lächeln musste. Er war schon mit vielen Frauen zusammen gewesen, aber mit noch keiner hatte er eine bloße Umarmung derart genossen. Er war einfach kein „Kuscheltyp“ und so hatten sich seine Beziehungen lediglich auf Sex beschränkt. Frauen waren Lustbefriedigung, mehr nicht. Selbst mit Leila, mit der er über Jahre hinweg eine mehr oder weniger offene Beziehung geführt hatte, hatte nicht dieses Verlangen in ihm ausgelöst. Andererseits war die Verbindung zu Leila aufgrund ihrer speziellen Neigungen aufregend gewesen.

      Sein Blick fiel auf das Bett und brachte seine Erinnerung von heute Mittag, als er im Hotel eingecheckt hatte, zurück. Er hatte es sich angewöhnt, das Zimmer selbst in Augenschein zu nehmen, denn wenn er schon in Europa unterwegs war, gönnte er sich den Luxus, auf den er sonst in Zarifa nur zu gerne verzichtete.

      Er spürte wie das Bild, das sich in seinem Kopf breitgemacht hatte, seine Männlichkeit anschwellen ließ. Absichtlich drückte er diese an Carina, die daraufhin den Kopf hob und ihn ansah. Er kannte dieses Lächeln, das nun ihre Lippen umspielte nur zu gut: Auch sie spürte nun ein starkes Verlangen nach ihm. Und er hatte nicht die Absicht, sie noch länger