Salakridas W.

Elynne


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Mädels! Zickt euch doch nicht so an. Was ist denn los mit euch?“, mischt sich Professor Garou ein.

      „Halten Sie sich doch da raus! Gehen Sie doch als allererstes zum Büro des Schulleiters und reden Sie zuerst mit ihm, bevor Sie den Lehrer raushängen lassen und sich in unsere Angelegenheiten dreinmischen!“, schreie ich aufgebracht und renne davon. Ich verschwinde auf der Mädchentoilette und schliesse mich in einer der Kabinen ein.

      Kabinen sind in den verschiedensten Blautönen angestrichen worden. Die Toiletten in der Schule sind sehr modern ausgestattet und immer blitzblank. Ich setze mich auf den Toilettendeckel in der Kabine und bereue mein Verhalten von vorhin. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich bin ziemlich frech zu Professor Garou gewesen. Wahrscheinlich muss ich schon am ersten Schultag Nachsitzen. Toll gemacht, Elynne Badrey. Wieso muss ich immer so vorlaut sein? Dad fragt sich immer, von wem ich das freche Verhalten geerbt habe. Von ihm garantiert nicht. Mein Dad neigt eher dazu, meine Mom mit dieser Gerda zu betrügen und trotz seines idiotischen Verhaltens den Schein zu wahren. Meine Mom ist wortwörtlich ein Engel. Sie hat sich noch nie etwas zu Schulden kommen lassen und behandelt ihre Mitmenschen immer respektvoll und zuvorkommend. Leyth kommt vom Verhalten her, eher nach Mom. Und ich sitze wie ein Häufchen Elend auf der Mädchentoilette und grüble darüber nach, wieso ich vom Verhalten her überhaupt nicht nach meinen Eltern komme. Und meine Haare? Wieso bin ich rothaarig, während meine Eltern braun- und blondhaarig sind? Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Die Tür zur Mädchentoilette geht auf und irgendjemand kommt herein.

      „Ely? Alles okay bei dir?“, erkundigt sich Sissy und sucht die Toilettenkabinen nach mir ab.

      „Ist er wütend?“, frage ich meine beste Freundin schniefend.

      „Professor Garou? Nein, er wirkte eher ein wenig verwirrt“, beantwortet Sissy meine Frage und steht vor der geschlossenen Kabinentüre. „Freust dich auf Englisch?“, versucht Sissy das Thema zu wechseln. „Hoffentlich ist Professor Rooper ein netter Lehrer, und nicht so streng, wie Professor Smack.“

      „Hoffentlich muss ich wegen meinem Verhalten nicht Nachsitzen. Ich musste bis jetzt noch nie Nachsitzen. Es wäre eine Schande, wenn ich ausgerechnet am ersten Schultag Nachsitzen müsste. Meine Eltern würden mir vermutlich eine Standpauke über ein vorbildliches Benehmen vorhalten“, sage ich zu meiner besten Freundin, die laut seufzt.

      „Hast du mir überhaupt zugehört, oder habe ich mich soeben nur mit der blauen Kabinentüre unterhalten?“, will Sissy empört wissen.

      Als die Schulglocke ertönt, raffe ich mich auf die Füsse, schliesse die Kabinentüre auf und mache mich mit Sissy auf den Weg zum Englischunterricht. Auf dem Weg ins Klassenzimmer holen uns Bixi und Malia ein. Wir laufen an den blauen Spinden vorbei, die alle leer sind, da wir sie vor den Sommerferien ausräumen mussten. Heute kriegt jeder einen neuen Spind. Bei uns in der Schule herrscht keine Sitzordnung. Deshalb steht Kyara völlig hilflos beim Lehrerpult und beobachtet ihre Mitschüler, die Platz nehmen und fröhlich miteinander reden. Keiner von ihnen würde auf die Idee kommen, Kyara zu sagen, dass sie sich einfach irgendwo hinsetzen kann. Als wir ins Klassenzimmer reinkommen, sieht Kyara uns hilfesuchend an.

      „Setzt dich einfach irgendwo hin. Bei uns herrscht keine Sitzordnung“, sage ich zu Kyara, die mich dankend anlächelt und in der vordersten Reihe Platz nimmt.

      Malia und Sissy setzten sich zusammen an einem Tisch in der hintersten Reihe, da es der einzige Tisch ist, wo noch niemand sitz. Bixi setzt sich neben Pete, der ihm nur stumm zunickt, als er sich auf den Stuhl gesetzt hat. Ich sehe mich im Klassenzimmer um. Neben Inge, einer Mitschülerin, die sich ständig kratzt, als plage sie ein schrecklicher Juckreiz und neben Kyara, die neu in der Schule ist, ist noch ein Platz frei. Ich setze mich neben Kyara hin, die mich mit einem leisen „Hallo“ begrüsst und unsicher anlächelt.

      „Hallo. Ich bin Ely. Keine Sorge, wir wissen auch noch nicht, wer dieser Professor Rooper ist“, sage ich zu ihr und erwidere das Lächeln.

      Das Lächeln auf Kyaras Gesicht wird breiter. Ein Pfefferminzduft weht in meine Nase. Ich schaue mich suchen um. Eigentlich ist es nicht erlaubt, in der Schule Kaugummi zu kauen. Doch es gibt immer irgendwelche Schüler, die meinen, dass dieser Kaugummiverbot nicht für sie gelten. Auf der anderen Seite der vordersten Tischreihe, sitzt Lae Abatayo, die beste Freundin von Tamera. Sie kaut einen Kaugummi, während Tamera, die neben ihr sitzt, ihr etwas sagt. Die beiden Mädchen beginnen zu Kichern. Die Lehrer merken es oft nicht, wenn jemand in der Klasse einen Kaugummi kaut. Daher wundert es mich nicht, dass der Kaugummi in Laes Mund den Englischunterricht überlebt hat.

      „Professor Rooper ist sehr nett“, meint Kyara zu mir.

      Ich stimme ihr nickend zu. Professor Rooper hat uns erzählt, dass er sein Studium vor den Sommerferien erfolgreich abgeschlossen hat. Er ist Ende Zwanzig, hat goldblondes Haar und braune Augen. Unser Sprachlehrer kann sich in acht verschiedenen Sprachen verständigen. Von denen acht Sprachen, spricht er vier fliessend. Ein wahres Sprachtalent. In der kurzen Pause, die wir jetzt gerade haben, wechseln einige ihre Plätze. Malia und Sissy setzten sich an den freien Tisch neben mir. Bixi bleibt hinter mir sitzen und lächelt mich an, als ich mich zu ihm umdrehe. Mit Zeichensprache teile ich meinem besten Freund mit, dass Lae einen Kaugummi kaut. Mein bester Freund deutet mit seinem Finger auf seine Nase und sieht mich dabei fragend an. Ich nicke.

      „Psst!“, macht Bixi in Malias und Sissys Richtung.

      Meine besten Freundinnen drehen sich fragend zu Bixi um, der mit seinem Mund Kaubewegungen macht und danach mit dem Kopf in Laes Richtung deutet. Malia sieht mich warnend an und hält einen Finger an ihre Lippen. Sei ruhig, will sie mir damit sagen. In diesem Moment betritt Professor Garou das Klassenzimmer. Meine Mitschülerinnen himmeln ihn an, doch er scheint das gar nicht zu merken.

      „Guten Morgen, zusammen!“, begrüsst Professor Garou die Klasse und sieht dabei jeden einzelnen an. „Mein Name ist Professor Garou. Ich bin euer neuer Lehrer in den naturwissenschaftlichen Fächern und in Sport.“

      Alans Hand schiesst in die Höhe.

      „Wie ist dein Name?“, will Professor Garou von Alan wissen.

      „Alan Martin. Sind Sie gut im Sport? Entschuldigen Sie, bitte, dass ich Sie das frage, aber unsere frühere Sportlehrerin war eine Niete. Sie war ziemlich unsportlich“, erklärt Alan dem Lehrer.

      Professor Garou lacht. „Du wirst bestimmt nicht enttäuscht sein, Alan.“

      „Gut.“ Alan gibt sich mit dieser Antwort zufrieden.

      Sei still, Ely. Reg dich nicht auf! Du kannst es nicht hören. Deine Freunde hören es auch nicht. Ich schüttle den Kopf, um die Kaugeräusche loszuwerden.

      „Wie ist dein Name, Rotschopf?“, höre ich eine Stimme fragen. Die Stimme klingt so weit weg.

      „Das ist Ely“, antwortet Kyara an meiner Stelle.

      „Erde an Ely“, raunt Bixi mir zu.

      Ich kann nicht mehr! Das ist doch nicht normal! Wieso höre ich, wie Lae ihren Kaugummi kaut? Wieso kann ich den Kaugummi in ihrem Mund riechen?

      „Ich war wohl in Gedanken. Tut mir leid“, murmle ich und schaue in die türkisfarbenen Augen.

      „Immer noch besser als einschlafen, nicht wahr?“, sagt Professor Garou lächelnd.

      Er nimmt mir das von vorhin also nicht übel. Einige meiner Mitschüler lachen. Sissy schaut mich an. Ich erwidere ihren Blick mit ausdrucksloser Miene. Meine beste Freundin deutet mit dem Finger zuerst auf ihren Mund, danach auf ihr linkes Ohr. Hörst du, wie Lae kaut? Ich deute mit meinem Daumen nach oben. Ja.

      „Sie hört Lae kauen“, höre ich Sissy leise in Malias Ohr flüstern.

      „Was gibt’s hier zu Tuscheln?“, erkundigt sich Professor Garou und stützt sich mit beiden Händen auf den Tisch von meinen besten Freundinnen ab.

      „Nichts“, behauptet Malia schnell.

      „Wer ist Lae?“, fragt Professor Garou in die Klasse.

      Hat er etwa mitbekommen,