Salakridas W.

Elynne


Скачать книгу

nicht Kaugummi gekaut. Hat sonst noch jemand einen im Mund? Wenn ja, dann soll er oder sie gefälligst auch nach vorne kommen und den Kaugummi hier reinschmeissen.“

      „Woher hat er es gewusst?“, raunt mir Bixi zu.

      Ich zucke mit den Schultern. Unwillkürlich nehme ich den Geruch von Erdbeere wahr. Es kaut noch jemand einen Kaugummi. Lae steht mit hochtotem Kopf auf und spuckt den Kaugummi raus, der im Abfalleimer verschwindet.

      Der Lehrer blickt sich in der Klasse um. „Noch jemand?“

      Niemand meldet sich. Keiner steht auf. Ich drehe mich auf meinem Stuhl um und sehe meinen besten Freund ungläubig an.

      Bixi bewegt lautlos seine Lippen. Wer?

      Ich forme genauso lautlos mit meinen Lippen den Namen. Tamera. Kyara verfolgt unsere stumme Unterhaltung mit grossem Interesse.

      „Ely, hier vorne spielt die Musik“, sagt Professor Garou streng, der mittlerweile den Abfalleimer wieder abgestellt hat.

      Soll ich Tamera petzen? Die würde mich garantiert auch petzen, wenn sich die Gelegenheit bieten würde. Aber was ist, wenn er mich fragt, woher ich das weiss? Ich kann ihm schlecht sagen, dass ich den Kaugummi rieche. Der würde mich doch für völlig bekloppt halten. Ich frage mich nur, woher Professor Garou gewusst hat, dass Lae einen Kaugummi im Mund hat. Hat er ihn etwa auch gerochen, oder hat er tatsächlich mitbekommen, was Sissy zu Malia gesagt hat? Das wäre jedoch unmöglich, da Sissy sehr leise geflüstert hat. Das ich Sissy gehört habe, ist kein Wunder. Bei mir ist schliesslich irgendwas bei der Geburt kaputtgegangen. Wahrscheinlich habe ich einen Gendefekt. Ich drehe mich zu Professor Garou um, der mich immer noch fragend mustert.

      „Was ist? Haben Sie noch nie einen Rotschopf gesehen?“, will ich genervt wissen.

      „Doch. Ein Freund von mir ist rothaarig.“ Mit dieser Antwort hätte ich jetzt wirklich nicht gerechnet.

      Ich schaue Professor Garou verblüfft an. „Tatsächlich? Hat er auch einen Gendefekt?“

      „Du hast einen Gendefekt? Nein, bei meinem Freund ist alles in Ordnung“, entgegnet der Lehrer verschmitzt.

      „Ja, bei mir ist so einiges kaputt“, antworte ich ihm.

      Die ganze Klasse lacht über meinen Witz. Auch Professor Garou lacht. Ich verstehe nicht, was daran so witzig sein soll. Nur meine besten Freunde Lachen nicht darüber. Sissy sieht mich voller Mitleid an. Ich stehe auf und gehe nach vorne zum Abfalleimer. Das Lachen verstummt, als ich den Abfalleimer nehme und ihn vor Tameras Nase hinhalte.

      „Was soll das?“, will sie wütend von mir wissen und schlägt mir den Abfalleimer aus der Hand.

      Der Abfalleimer fällt zu Boden. Zum Glück ist er noch leer. Ich könnte vor schäumender Wut ausrasten. Malia haucht meinen Namen. Einatmen, ausatmen. Und nochmal. Einatmen und ausatmen. Nur nicht die Nerven verlieren. Bleib ruhig. Es ist nichts passiert. Es ist alles in Ordnung. Heb den Abfalleimer einfach wieder auf und stell ihn auf Tameras Tisch. Ich gehorche der Stimme in meinem Kopf. Tamera wirft den Abfalleimer runter. Wieder sagt die Stimme in meinem Kopf, ich solle ruhig bleiben. Tief einatmen und ausatmen. Konzentrier dich! Ruhe bewahren. Meine Mitschüler und Professor Garou beobachten die Szene, die sich immer wiederholt. Abfalleimer runter. Abfalleimer auf den Tisch. Es kommt mir so vor, als würde jemand immer wieder zurückspulen. Tamera wirft den Abfalleimer runter. Einatmen, ausatmen. Abfalleimer wieder auf den Tisch. Wie oft soll ich das denn noch machen? Lae grinst, als Tamera zum wiederholten Mal den Abfalleimer runter wirft.

      „Du hast Professor Garou doch gehört! Kaugummi raus! Es gelten für alle die gleichen Regeln!“, schreie ich wütend.

      Ruhe bewahren! Komm, schon! Ich koche vor Wut. Tamera sieht mich entgeistert an.

      „Brauchst du etwa noch eine schriftliche Einladung?“ Ich knalle den Abfalleimer auf ihren Tisch.

      In jeder Pore meines Körpers fühle ich ein angenehmes Kribbeln. Einatmen, ausatmen. Was ist das für ein Kribbeln? Ich ahne nichts Gutes. Das Kribbeln fängt an zu brennen.

      „Entweder Kaugummi raus oder Nachsitzen“, sagt Professor Garou, der langsam die Geduld verliert. „Ely, geh wieder an deinen Platz.“

      Meine Beine machen sich selbständig und gehen an den Tischen vorbei zu meinem Platz neben Kyara, die mich verwundert ansieht. Für sie bin ich garantiert ein Buch mit sieben Siegeln. Ich lasse mich auf den Stuhl fallen und versuche innerlich zur Ruhe zu kommen. Einatmen und ausatmen. Das schaffst du, Ely. Das Kribbeln wird langsam schwächer, bis es ganz verschwindet. Ich atme erleichtert aus. Gut, und jetzt versuche einfach ruhig zu bleiben.

      „Euer Schulleiter, Professor McDermott, hat mich darum gebeten, mit euch ein intimes Thema durchzunehmen“, teilt uns Professor Garou mit und fügt nach einer kurzen Pause hinzu, „Sexualkunde.“

      „Aha!“, ruft Bixi laut.

      Alle sehen ihn überrascht an. Freut er sich etwa über dieses Thema?

      „Sexualkunde, auch bekannt als, die Wissenschaft zwischen Mann und Frau, und das Phänomen der Geburt eines Kindes“, sagt Bixi und streckt dabei seine Hand in die Höhe.

      „So könnte man das Thema auch nennen“, stellt der Lehrer anerkennend fest. „Weisst du sonst noch etwas zu berichten? Wie war noch einmal dein Name?“

      „Bixente Cole. Aber nennen Sie mich doch einfach Bixi. Soll ich die Entstehung eines Kindes in meinen Worten fassen?“, antwortet Bixi und grinst dabei über das ganze Gesicht.

      „Sehr gerne“, meint Professor Garou und setzt sich auf den bequemen Schreibtischstuhl.

      „100 Millionen Männer – wir wollen es nicht übertreiben – gehen auf eine Reise. Alle steigen in einen grossen Bus“, beginnt Bixi zu erzählen.

      Ich kichere leise. Mir ist schon klar, worauf das hinausläuft.

      „Das Ziel der Reise heisst Eizelle. Kurz vor dem Ziel steigen alle aus und gehen zu Fuss weiter. Die meisten verirren sich auf dem Weg und gelangen nicht ans Ziel. Nur ein einziger Mann gelangt ans Ziel. Dort trifft auf eine wunderschöne Königin. Sie verschmelzen miteinander und werden eins. Neun Monate später kommt das Ergebnis zwischen den Beinen rausgeflutscht. Ende“, sagt Bixi theatralisch und verbeugt sich vor seinem applaudierenden Publikum.

      „Gut erzählt.“ Professor Garou klatscht in die Hände. „Wer kann mir das beste Stück des Mannes beschreiben?“

      Wohl eher das Gehirn meines Vaters. Niemand meldet sich freiwillig. Sogar Bixi weigert sich das Gehänge zwischen den Beinen der Männer zu beschreiben.

      „Keine Freiwilligen? Na gut, Planänderung. Ein Mädchen beschreibt das beste Stück des Mannes und ein Junge beschreibt das weibliche Geschlechtsorgan, welches auch bekannt als Mutterschoss ist“, Professor Garou zwinkert Bixi zu.

      „Mutterschoss? Komischer Name“, meldet sich Pete zu Wort.

      „Haben wir einen Freiwilligen?“ Professor Garou sieht Pete an, der eilig den Kopf schüttelt.

      „Das beste Stück des Mannes, auch bekannt als Glens Gehirn“, kichert Malia.

      Sissy und ich stimmen in Malias Lachen mit ein. Professor Garou räuspert sich laut. Wir schauen ihn an und reissen uns zusammen. Zumindest versuchen wir es. Malia hat einige Schwierigkeiten dabei. Sie hält sich die Hand vor den Mund und kann einfach nicht aufhören zu Lachen. Ich bin ihr da auch keine grosse Hilfe, da ich die ganze Zeit kichere. Aussenstehende werden das vielleicht nicht verstehen, aber was mich angeht, ist Lachen wahrscheinlich das Beste, das ich im Moment tun kann. Professor Garou schüttelt lachend den Kopf. „Alles okay, Ely? Malia? Wer ist Glen, wenn ich fragen darf?“

      „Elys Dad“, erwidert Sissy, die es geschafft hat sich zusammenzureissen. „Er ist eben schwanzgesteuert, wie Ely immer so schön sagt.“

      „Das männliche Glied entspricht dem der Säugetiere“, pruste ich los. „Habe ich irgendwo einmal gelesen.“

      „Wie bitte?“, kommt es von hinten.