klären. Sie können doch hier nicht einfach den Kopf in den Sand stecken.“ „Das Geld habe ich nicht.“ „Das können Sie trotzdem nicht ignorieren. Man kann doch mit allen reden. Zahlt man es eben scheibchenweise ab. Und hätten Sie nicht solchen Mist gemacht, dann wüssten Sie wenigstens wofür. Dann hätte Ihre Tochter nämlich Internet und Sie ein Telefon. … Also Frau Herfurth. Sie können die ganze Scheiße bringen, wenn Sie allein sind. Aber nicht, wenn Sie Kinder haben. … Sie wollen doch auch irgendwann mal Ihren Sidney wiederhaben.“
Das hätte ich nicht sagen sollen. Jetzt ging die Leier los. Sie wüsste gar nicht, warum sie ihr den überhaupt weggenommen hätten. „Ja das Jugendamt. Da kommen sie einfach an. Haben überhaupt keine Ahnung.“ Sie sollte nicht immer so urteilen. In letzter Zeit hatten sie genügend in den Nachrichten gebracht, wo irgendein Jugendamt was übersehen hatte. „Die meinen es doch nur gut. Und solange Sie sich nicht geregelt bekommen.“ Sie hätte alles im Griff, meinte sie. Und jetzt war es besser, sie ging. Nicht dass ich hier eine Handlung im Affekt vollzog. „Ist denn Sidney morgen da?“ „Der kommt heute Abend.“ Was hatte ich denn noch im Kühlschrank? Aber ich hatte ja Verschiedenes eingefroren.
„Das dürfte wohl reichen?“, sprach ich, nachdem ich einige Näpfchen aus dem Keller geholt hatte. „Haben Sie Brot?“ „Ja.“ „Butter?“ „Ist keiner bei uns.“ „Kartoffeln?“ „Sally isst eh lieber Reis.“ „Haben Sie da noch welchen?“ „Ja.“ „Na dann haben Sie doch.“ Geld wäre ihr wahrscheinlich lieber gewesen. Dann hätte Sie sich Kümmerlinge holen können. „Frau Herfurth. Mal was anderes. Haben Sie morgen schon was vor?“ „Nein. Geht wohl um Timmy?“ „Ja. Mein Vater hat doch seinen siebzigsten.“ „Sind wohl in einer Gaststätte? Na ja. Da kann er nicht mit.“ „Nein. Wir machen eine Fahrt ins Blaue mit Mittag und Kaffeetrinken.“ „Und wohin?“ „Keine Ahnung.“ Deswegen war sie ja blau. „Die ist jedenfalls Sonnabend. Rico will das aber gleich mit etwas verbinden, wenn wir einmal unten sind.“ „Ist ja auch richtig so.“ „Na jedenfalls hat er dort zu tun. Und da er Freitag schon um sieben anfangen will, will er Donnerstag schon runter. Fahren wir vorher bei meiner Schulfreundin vorbei. Und dann wie gesagt, weiter.“ „Die mit den Möpsen?“ „Mm.“ „Die mag ich nicht leiden. Die schnarchen immer so.“ Sie brauchte doch auch keinen nehmen. „Kann ich mich drauf verlassen?“ „Wann wollen Sie denn los?“ „Um drei.“ „Stelle ich mir den Wecker.“ Besser war es. Sonst schlief sie nämlich den ganzen Nachmittag. Und dann wunderte sie sich wieder, dass sie nachts nicht pennen kann. Aber jetzt mochte ich gar nichts weiter sagen. Sonst nahm sie ihn nicht. Obwohl? Wir hatten immer noch Ela.
Ich kochte bisschen was Schnuckeliges. Was ich den anderen Morgen nach oben brachte. Sonst gab es doch dort wieder nur Schmatz Pams. Tusnelda freute sich auch. „Ich hätte da noch was zu faxen.“, sprach sie. „Geben Sie her.“ „Habe ich doch noch gar nicht geschrieben.“ Ich hätte schon gleich wieder blöde werden können. „Machen Sie hin.“
Kurz vor Mittag, ich war mit allem soweit durch, lief ich hoch. Sie hatte immer noch nichts. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. „Was haben Sie denn den ganzen Vormittag getrieben?“ „Sauber gemacht.“ Wer es glaubte, wurde selig. Es hatte sich doch gar nichts oben drüber bewegt. Da hatte sie bestimmt wieder im Nest gelegen. „Worum geht`s?“ Sie hielt mir die Schreiben von Kabel Deutschland und dem Anwalt vor die Nase. Letzterer wollte die Leistungsbescheide sehen. Die konnte sie schon längst kopiert haben. „Mann, oh Mann. … Her hier.“
Ich eilte nach unten und schaltete meinen Laptop an. Sie war mir hinterher gerannt und machte es sich mir gegenüber am Küchentisch gemütlich. Die Babber ging. „Also Frau Herfurth. Wenn Sie so weiterquatschen, schreibe ich noch Rotz.“ „Bin ja schon ruhig. … Was schreiben Sie denn überhaupt?“ „Bloß ein kleines Anschreiben. Oder wollen Sie die Bescheide so nackt in den Umschlag tun.“ „Gehört sich nicht.“ „Eben.“ Inzwischen war ich fertig. Ich tippte auf drucken und lief nach nebenan ins Büro. Anschließend ließ ich Tusnelda unterschreiben. „Und was ist mit dem anderen?“, fragte sie. Ich nahm es ihr aus der Hand. Ehe sie hier ein Langes und ein Breites gemacht hätte. Dafür hatte ich keine Zeit. Nachdem ich es mir durchgelesen hatte, erzählte ich ihr, was ich schreiben wollte. Sie fand es okay. Und schon hatten wir auch das erledigt.
Schon war gut. Mittlerweile war es um eins. Und gegessen hatte ich auch noch nicht. Halb zwei kam ich dann endlich ins Bett. Eine halbe Stunde später war ich munter. Ich hatte irgendwie keine Ruhe. Weil ich mich ja auch noch frischmachen und Gassi gehen musste.
Punkt drei standen die Taschen im Flur. Ich lauerte auf einen Anruf von meinem Mann. Es passierte nichts. Gut. Rauchten wir eben noch eine. Danach bimmelte ich ihn an. Er rief nicht zurück. Ich wartete und wartete. Kurz vor vier kam er. „Mal Bescheid geben.“, plapperte ich. „Du weißt doch, dass ich beim Kunden nicht so einfach telefonieren kann. … Und wenn du mich jetzt noch weiter abhältst, kommen heute nie hier weg.“ Nun war ich wohl wieder schuld?
Keine Ahnung, ob meine Freundin Kuchen geholt hatte. Eigentlich war ja Kaffeetrinken ausgemacht gewesen. Zumindest zum Grillen waren wir pünktlich. Anschließend ging es in die Pension. Bei Carola hätten wir getrennt schlafen können. Einer im Wohnzimmer auf der Couch und der andere im Arbeitszimmer. So nun durfte ich mir die ganze Nacht Rico sein Schnarchen anhören. Na ja gut. Ich konnte mich mittags hinlegen.
Aber in der Folgenacht war es wieder nichts anderes. Ich war wie gerädert am nächsten Morgen. Und dann kam auch noch der falsche Bus. Wie es auch immer passiert war. Normalerweise benutzte man bei so was einen Reisebus. Wir hatten einen Schlenker. Von der rasanten Fahrweise auf dieser kurvenreichen Strecke abgesehen, besaß dieses Ding nicht mal funktionstüchtige Lautsprecher. Demzufolge konnte auch meine CD nicht abgespielt werden. Es war bisschen schade. Ich drückte meinem Vati das Buch in die Hand. Sollte er sich das derweilen angucken. Vielleicht bot sich ja in der Gaststätte eine Gelegenheit. Ich fragte die Bedienung. Die das bedauerte. Aber sie hätten nur eine Anlage und nebenan wäre eine Hochzeit. Sicher hatte das Vorrang. Aber die verdienten ja an uns auch nicht gerade wenig Geld. Die Bootsfahrt war auch, wie sie war. Die Umgebung war noch Kitze grau vom Hochwasser. Na ja.
Gegen Abend waren wir wieder zurück. Normalerweise wollten Rico und ich noch jemanden besuchen. Mutti meinte, dass wir dableiben sollen. „Wir sehen uns doch so selten.“ Na. Wenn Vati das mal nicht zu viel wurde. Ich kannte ihn doch. Irgendwann brauchte er seine Ruhe.
Mutti wollte das Abendbrot im Garten machen. Weil wir ja auch in der Datsche schliefen. Es war den ganzen Tag schon kühl und regnerisch gewesen. Lange hielten wir es nicht auf der Terrasse aus. Vatis Nachbarn, die mit zur Ausfahrt gewesen waren, meinten, dass wir zu ihnen rüberkommen sollten. In ihrer Laube wäre es warm. Und eine Anlage hätten sie auch. Na einwandfrei. Dann konnten wir ja endlich die CD abspielen.
Alles amüsierte sich. Nur mein Vater nicht. Er nahm jedes Textstück, was ich unter die Fotos gesetzt hatte, akribisch unter die Lupe. Besonders das auf der letzten Seite. Er hätte mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. „Wie ist denn das gemeint?“, sprach er ganz verächtlich. Rosi schnappte sich das Buch und las sich die Widmung, sowie die Danksagung durch. Für sie war es eindeutig. Das hätte ich richtig schön geschrieben.
Wahrscheinlich war er mit allem etwas überfordert gewesen. Aber dafür konnte ich nichts. Mich fragte auch keiner, wie ich was machte. Trotz fehlender Muskelkraft. Jedenfalls sagte ich ihm am nächsten Morgen beim Frühstück in der Wohnung, dass das in der Kneipe nicht okay gewesen wäre. „Hotel.“, betonte er. Das war ja noch schlimmer. Aber jetzt erst mal egal. „Für den Umsatz kann man schon ein bisschen was erwarten.“ Er wollte wissen, was. Ich erklärte ihm, dass die Bedienung mit einer Kanne Kaffee angekommen wäre. „Der Rest musste warten, bis die wieder durchgelaufen ist.“ Die hätten halt noch so ihre Schwierigkeiten nach dem Hochwasser. Es wäre Vieles abgesoffen gewesen, erklärte er mir. „Dann kann man aber keine zwei Gesellschaften reinnehmen.“ „Die brauchen aber den Umsatz, damit es weitergeht.“ „Das dürfen doch aber die Gäste nicht merken. Und wenn die Mitarbeiter ihre Kaffeemaschinen von daheim mitgebracht hätten.“ Da er mich gestern Abend verletzt hatte, zählte ich natürlich weiter auf. Mittags hätten wir wählen können zwischen Fisch und Fleisch. Die Soße, die auf dem Tisch gestanden hätte, wäre aber weder Fisch noch Fleisch gewesen.