Kathy B.

Tusnelda


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stand ich wieder da und wartete. Während sich mein Hund draußen einen Wolf bellte. „Na endlich.“, dachte ich. Wie die liebe Sonne kam sie angeschlendert. Ein Blick nach links, einer nach rechts. „Meine Fresse.“ Auf der Seite war die Tiernahrung. Die brauchte sie nun wirklich nicht. Ehe die mich mal so wahrnahm. Ich machte eine Handbewegung. Das interessierte die überhaupt nicht. Jetzt ging sie noch an den Zeitungsständer. Anschließend guckte sie, was vor der Kasse stand. Nachdem ich ihrs bezahlt hatte, sagte ich: „Das geht wohl nicht ein bisschen schneller?“ „Ich muss doch mal gucken.“ „Ja. Damit man dann wieder mehr im Wagen hat.“ „Ein bisschen was zu naschen möchte ich schon mitnehmen für meinen Prinzen.“ Und Sally wäre so bescheiden. Da hätte sie sich die eine Zeitschrift verdient. Das war ja soweit okay.

      Auf dem Rückweg erzählte sie mir, dass sie diesmal Hähnchenschenkel machen wollte. „Aber so wie Sie. … Müssen Sie mir mal aufschreiben.“ Da gab es eigentlich nichts weiter groß aufzuschreiben. Ich kochte die zirka eine Stunde. Kam auf die Größe an. „Das merken Sie beim reinstechen. … Und nicht bloß in Wasser.“ Da musste Geflügelbrühe rein. „Und wieviel?“ „Da können Sie schon etliche Teelöffel auf die Menge Wasser. Wenn Sie sich nicht sicher sind, kosten Sie. Muss schon nach Brühe schmecken, sonst zieht das nicht ins Fleisch.“ „Ihre sind so saftig.“ „Ja eben. Weil ich sie vorkoche. … Hören Sie mir zu?“ „Ja.“ „Und dann kommen sie aufs Blech. Dort müssen Sie sie aber richtig würzen. Damit auch die Haut schmeckt. … Am besten mit Geflügelwürzer. Da ist auch Muskatblüte drin. … Die hat so was.“ „Habe ich nicht.“ Notfalls ginge es auch mit Paprika. Aber Salz bräuchte sie keins mehr. Weil da genügend durch die Brühe drin war. „Müssen Sie mir dann mal aufschreiben.“ Also glaubte man es denn. Kochen in Brühe. Und backen im Herd. „Bisschen Brühe mit aufs Blech. Damit sie nicht anbacken.“ Ich sollte es ihr trotzdem aufschreiben. Dann machten wir das gleich noch. Damit ich es hinter mir hatte.

      Ich stopfte uns eine Zigarette. Während wir rauchten, schrieb und erklärte ich es gleichzeitig. Bevor sie ging, drückte ich ihr meinen Gewürzstreuer in die Hand. „Kriegen Sie wieder.“ „Das will ich doch wohl hoffen. Das Zeug ist nämlich nicht billig.“

      Freitag stand sie fünf Mal auf der Matte. Sie bekam es einfach nicht gebacken, die Dinger in einen Topf mit Wasser und Brühe zu tun. Beim letzten Mal schob ich sie zur Seite, rannte nach oben und klopfte bei Sidney an. Dann hatte ich auch schon die Tür in der Hand. „Grüß dich. Kommst du mal bitte mit in die Küche.“ Er stand von seinem Bett auf. Drüben sagte ich: „Gibst du mir bitte mal einen größeren Topf.“ „Ist der richtig?“ „Ja. … Und jetzt die Hähnchenschenkel.“ Er sah sich suchend um. „Im Kühlschrank.“, sprach ich. „Ach so.“ „Messer.“ „Vor dir.“ Ich zog die Schublade auf, nahm mir eins und schnitt in die Verpackung. „Fleisch immer abwaschen. Das fliegt nämlich gerne mal in den Dreck.“ Dann legte ich die Schenkel in den Topf und ließ Wasser dazu. „Wo ist die Geflügelbrühe?“ Die fand er zufällig mal gleich. „Jetzt nimmst du dir einen Löffel.“ „Und wie viel?“ „So viel, dass es nicht nach Wasser schmeckt.“ Ich staunte. Er stellte sich gar nicht mal so dumm an. „Das lässt du jetzt eine Stunde kochen. Nach einer halben wendest du die Dinger. Und schmeißt schon mal die Röhre an. Stellst sie auf zweihundert Grad. … Und wenn du sie aufs Blech tust, erst mal mit der Unterseite nach oben. … Ach ja. Und bisschen Brühe aufs Blech. Sonst backt das an. … Hast du eine Kelle?“ „Hier.“ Ich sah mich suchend um und fand auch mein Gewürz. „Das streust du drauf. Nach einer Viertelstunde wendest du die Dinger. Machst auch noch mal was drauf. … Hast du das soweit verstanden?“ „Ja.“ Seine Mutter hatte sich in der Zwischenzeit auf den Stuhl gehockt. Ihr Kopf hing schief. Die Augen standen auf null. Die war doch besoffen. „Und jetzt möchte ich nicht mehr gestört werden.“ Freitags guckte ich nämlich immer einen Katastrophenfilm.

      Er lief vielleicht zehn Minuten, da klopfte es. Also jetzt schlug ich gleich lang hin. Es war aber nicht Tusnelda sondern Sidney. Er stand mit Zettel und Stift da. „Die Mutter schickt mich.“ „Ach. Hat sich wohl nicht getraut?“ „Nee. … Bei wie viel Grad?“ Aufgrund des Filmes dachte ich im ersten Moment an Längen- und Breitengrade. Ich wusste nur nicht, was er damit vorhatte. Er sagte: „Na hier. Die Schenkel. Bei wieviel Grad sollte ich die reintun?“ „Zweihundert. Und tu bissel Brühe mit aufs Blech.“ „Danke.“ Ich konnte mich nur ganz schwer auf meinen Film konzentrieren. Weil ich immer damit rechnete, dass der wiederkam. Was er nicht tat.

      Am nächsten Tag brachte mir Tusnelda mein Gewürz zurück. Die Schenkel hätten gut geschmeckt, meinte sie. „Und die Brühe frieren Sie sich ein. Sind doch Knochen mit ausgekocht. Wenn einer mal erkältet ist, haben Sie was. Ist besser wie jedes Antibiotika.“

      Mein Geld bekam ich Montagabend. Das war ja nett. Aber unpassend in dem Moment. Ich hatte nämlich diesmal schon beizeiten mit dem Pulver angefangen. Sie wollte irgendwas sagen. „Frau Herfurth. Ich habe morgen wieder Darmspiegelung.“ Und jetzt musste ich aufs Klo.

      Von dem kalten Gesöff bekam ich natürlich einen Verschlag. So hatte das meine Oma immer genannt, wenn man sich durch zu kaltes Trinken erkältet hatte. Mein Immunsystem war seit der Chemo nun mal nicht mehr das Beste. Außerdem war ich knülle. Weil ich bis halb zwei aufs Klo gerannt und halb fünf schon wieder aufgestanden war. Wegen dem vierten und letztem Liter. Ich war froh, dass ich meinen Haushalt soweit geregelt bekommen hatte und mit dem Hund Gassi gewesen war. Und jetzt legte ich mich erst mal auf die Couch.

      Paar Minuten später klingelte es. Timmy lief mit an die Tür. Ich kam gar nicht dazu, was zu sagen. Tusnelda schob ihre Enkelin rein und sagte: „Wir machen heute mal Tausch. Sie Kind und ich Hund.“ Und dann war sie auch schon weg. Ich dachte, ich spinne. Da ich nun einmal stand, konnte ich auch Essen kochen. Nicht für Mittag. Da kam Rico nicht heim. Für abends. Und der Kleinen holte ich die Spielkiste aus dem Gästezimmer. Dort war alles Mögliche an Kleinkram drin. Das fand sie interessant. Ich fragte sie mal nebenbei. „Bei der Oma ist es langweilig. Oder?“ Sie nickte. Alles klar.

      Wie Tusnelda die Kleine nach zwei Stunden abholte, bat sie um zwei Milch. „Haben Sie Glück.“ Rico holte nämlich immer gleich einen Karton. „Bringe ich Ihnen morgen neue mit.“

      Aber da hätte man sie ja schleppen müssen. Sie stand mit einer Handvoll kleiner Münzen vor der Tür. „Was kostet denn so eine Milch?“, fragte ich spaßeshalber. Sie hob die Schultern. Also Preise konnte die sich auch keine merken. Und zwei was zusammenrechnen konnte sie noch weniger. Ich half ihr nicht. Logisch, dass ich sie dazu reinbitten musste. Aber die Zeit nahm ich mir mal. Ich gab ihr Zettel und Stift. In der Hoffnung, dass sie das ablehnte. „Also Frau Herfurth. Bitte.“ „Ich habe den Kopf voll.“ „Da sind Sie nicht die Einzige. Und trotzdem kann man sich mal paar Preise merken. Wie kaufen Sie denn ein? … Ich nehme die Bons mit heim.“ „Ich auch.“ „Bloß lesen tun Sie sie nicht. Wie wollen Sie denn dann haushalten? Also ich schreibe mir einen Zettel.“ „Ich auch.“ „Ja für den Tag. Weil Sie jeden rennen.“ „Ich überlege mir, was wir in der Woche essen und gehe gedanklich durch, was wir dazu brauchen.“ „Das mache ich auch.“ „Das glaube ich Ihnen nicht. Sonst würden Sie ja mit dem Geld klarkommen.“ Das hätte ich auch der Chinesischen Mauer erzählen können. „Und jetzt möchte ich noch ein bisschen schreiben, Frau Herfurth.“ „Ich gehe ja schon.“ An der Türe meinte sie: „Dann versuche ich das mal mit einem Zettel. … Wie machen Sie das?“ „Ich gehe das Frühstück durch. Man weiß doch, was jeder isst. Dann kommt das Mittag dran. Und falls Sie keinen Plan haben, schlagen Sie das Kochbuch auf.“ „Und was ist mit Waschpulver?“ „Na sicher muss man solche Sachen auch noch durchgehen. Das ist doch aber nicht jede Woche.“

      Bei ihr schon. Ich hatte noch nie jemanden erlebt, der so viel wusch. Sollte sie. Meinetwegen. Das Leidliche daran war nur, dass ich ihr immer im Haus begegnete, wenn sie mit dem Wäschekorb nach unten stieg oder wieder zurückkam. Und wie es da unten baumelte. Die Shirts wurden so breit gezogen, dass sie nach dem Trocknen wie ein Kleid aussahen. Furchtbar. Im Winter hatte ich es gar nicht so mitbekommen. Nur durch die Unwucht von ihrer Maschine, weil die nicht gerade stand. Aber wir hatten Frühling und da hing sie wieder unten auf. Die Frau brachte es auf vier bis fünf Maschinen pro Tag. Sah auf alle Fälle nach Arbeit aus. Ansonsten geschah