Kathy B.

Tusnelda


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lang hin. „Also Frau Herfurth. Dann machen Sie eben Reis und Wurstgulasch. Was kostet denn so eine große Wurst? Zwei neunundneunzig im Angebot. Und die Hälfte können Sie einfrieren. Ein anderes Mal gibt es einen Hähnchenschenkel zum Reis. Sally wird ja kaum die ganze Packung essen.“ „Nein.“ „Eben. Können Sie die anderen einfrieren.“ „Wo denn?“ Die drei Fächer in ihrer Gefrierkombination wären voll. Mit Pizza und so. Das war ja auch wichtig. Aber davon abgesehen, so teuer war die auch nicht als Mahlzeit. Ich machte ihr einen Vorschlag. „Wir gehen jetzt mal runter in den Keller.“

      Dort stand unsere Gefriertruhe. Ich räumte fix das Schnellfrosterfach leer und noch zwei Körbe. „Wir werden uns ja wohl gegenseitig nichts wegnehmen.“ Außerdem aß mein Mann keine gekaufte Pizza. Falls sie vorhatte, die hier zu deponieren. „Bei Lidl haben sie so oft Brot gesenkt. Wenn Sie gleich früh um acht gehen. Und beim Fleisch ist auch immer mal was.“ Sie fiel mir um den Hals. „Schon gut.“, sprach ich.

      Die Fächer füllten sich schneller, wie ich dachte. Aber mit irgendwelchem Rotz. Klar. Jetzt konnte sie noch ein bisschen mehr kaufen, wenn sie Geld hatte. Und ein Napf mit Reissuppe stand drin. Weil sich Reis auch so gut einfrieren ließ. Ich sagte nichts.

      Sie fing von selber an, wie wir uns im Haus begegneten. Sidney wäre dagewesen. Den einen Tag hätte sie Fischstäbchen gemacht und den anderen Reissuppe. „Schön mit Kaisergemüse.“ Bei dem Wort kringelten sich mir die Fußnägel. Das war nämlich das einzige Gemüse, was Tusnelda kannte. Und das kaufte sie immer bei Edeka, wenn sie in der Stadt zu tun hatte. Na jedenfalls hätte er nichts davon essen wollen. Logisch. Fleisch war keins drin. Und zudem war es immer ein und dasselbe. Und eben abends Pizza. „Frau Herfurth. Machen Sie doch mal paar Salate.“ „Essen meine Kinder nicht.“ „Weil sie es nicht kennen.“ „Aber nur Pizza geht auch nicht.“ „Isst er ja auch nicht. Ansonsten Toastbrot und Salami.“ „Sonst nichts?“ „Nee.“ „Weil er nichts weiter kennt.“ Ich merkte, es hatte keinen Sinn.

      Vor unserer Wohnung angekommen, sagte ich: „Moment.“ Und dann holte ich schnell meinen Sandwichmaker. Die Anleitung war noch im Karton. „Lesen Sie es sich mal durch. So schwer ist es nicht. Zwei Sandwichscheiben. Bisschen Butter drauf.“ „Will er nicht.“ „Ist aber wichtig. Zieht doch auch ein. Und ansonsten können Sie das belegen, wie Sie wollen. Vielleicht ist das ja mal eine Alternative.“ „Danke.“ „Schon gut.“

      Anderntags stand sie mit einem Brot, welches sie vom Bäcker geschenkt gekriegt hatte, vor meiner Tür. Nur als kleine Anmerkung. Unser Bäcker und der Fleischer waren zusammen in einem Laden. Und der Fleischer führte auch andere Sachen. Wegen Wurst und Brötchen ging Tusnelda bestimmt nicht hin. Sondern wegen der Kümmerlinge. Ich fand es bloß erstaunlich, dass sie ihr immer was für umsonst mitgaben. Weil sie angeblich so schlecht dran wäre. „Frau Herfurth. Ich mag kein Hefebrot.“ „Und was soll ich jetzt damit machen? Sally isst doch nun mal kein Weltmeisterbrot.“ „Dann hätten Sie doch gesagt, dass Sie das nicht brauchen.“ „Ich kann doch die Frau nicht vor den Kopf stoßen.“ „Ach. Und das finden Sie besser? … Die Frau hat es gut gemeint. Die hätte Ihnen vielleicht auch ein anderes gegeben. Und das hier zur Tafel.“ „Und was soll nun damit werden?“ „Dann frieren Sie es doch ein. Vielleicht sind Sie noch mal froh.“ „Ja, stimmt.“

      Wie ich mir was aus der Truhe holen wollte, sah ich ein ganzes, komplettes Brot drin liegen. Also die Frau war wirklich zum Scheißen zu blöd. Normalerweise hätte ich es ignorieren müssen. Oder sollen. Aber mich regte es nun mal auf, wenn jemand nicht sein Gehirn benutzte.

      Sie ließ eh nicht lange auf sich warten, weil sie was gefaxt haben wollte. Ich erledigte es erst mal. Anschließend sprach ich sie auf das andere an. „Warum tun Sie denn das nicht portionsweise einfrieren?“ Da guckte sie wieder, wie sie guckte. „Also Frau Herfurth.“ „Ich habe auch den Kopf voll.“ Auf das hatte ich gerade noch gewartet. „Was Sie nicht brauchen, geben Sie mir runtergeben. Das bringe zu der einen Frau. Die nimmt es mit auf den Pferdehof.“ Weil ich nicht auf den Namen kam, beschrieb ich ihr, wo sie wohnte. Und wie sie aussah. Für Tusnelda war alles klar. „Die säuft doch.“ „Kann ich Ihnen nicht sagen.“ „Aber natürlich.“ Und dann erzählte sie mir, wie sie mal mit dem Dicken vom Feiern aus dem Bootshaus gekommen wäre und die das Schlüsselloch nicht gefunden hätte. So besoffen wäre sie gewesen. Sie hätten einen Stress gehabt. Auch mit der ihrem Alten. Ich unterbrach Tusnelda. „Legen Sie es einfach draußen ins Regal, was Sie nicht brauchen. … Und ein Bäcker hat auch eine Maschine. Lassen Sie es sich das nächste Mal schneiden.“ „Kann ich doch nicht verlangen, wenn ich das schon geschenkt kriege.“ „Wieso denn nicht? Was ist, wenn Sie keine Maschine daheim haben?“ „Habe ich auch nicht.“ „Soll ich noch was sagen?“ Sie kniff die Lippen zusammen und guckte wie so ein Drops. Jetzt bekam sie doch bestimmt wieder einen Depri.

      Dachte ich. Es wäre auch nicht schlecht gewesen. Abends stand sie heulend vor der Tür. „Was haben Sie denn?“ Sie stammelte irgendwas zusammen. „Na kommen Sie erst mal rein.“ Ich bot ihr eine Zigarette an. Dann sollte sie mir sagen, was los sei. Für sie war wieder mal das ganze Leben schlimm. Sie sah keinen Inhalt mehr darin. „Aber Sie haben doch zwei Kinder. Ich hätte mir welche gewünscht. Hat nun mal leider nicht geklappt.“ Sie sah mich mit großen Augen an und fragte mich, wie ich das immer machen würde. „Sie sind doch auch nicht ganz gesund.“ „Gibt Schlimmeres.“, entgegnete ich. „Ja schon.“ „Das Leben ist nun mal kein Ponyhof. Man muss immer das Beste draus machen. Ich kann mich natürlich auch gleich eine Etage tiefer begeben. … Mensch, Frau Herfurth. Sie sind doch eine hübsche Frau.“ „Das glaube ich eher weniger.“ „Wenn Sie mit so einem Gesicht draußen rumlaufen, guckt auch keiner.“ „Ich will gar keinen haben.“ „Dann eben nicht. Aber man macht doch auch manches für sich selber.“ „Ja, ich weiß. Ich müsste mich mal wieder rasieren.“ „Unter anderem. … Ist doch auch für Sally nicht schön anzusehen.“ Sie senkte den Kopf. „Frau Herfurth. Es kann keiner für zu viel Testosteron. Aber man kann was dagegen machen. Und dass die Haare grau werden, ist nun mal auch so. Aber wir leben doch nicht mehr in den sechziger Jahren.“ „Hat immer der Dicke gemacht.“ „Mensch. Das machen sich die meisten Frauen alleine. Das werden Sie wohl auch können.“ Sie guckte wie so ein Toast. „Frau Herfurth. Tun Sie mal was für sich.“ „Ja.“ „Nee. Wirklich. Da ist man gleich ein ganz anderer Mensch. … Und jetzt gehe ich mit dem Kleenen raus.“ „Komme ich mit. Ich muss mal an die Luft.“ Das hatte mir gerade noch gefehlt. „Machen Sie hin.“ Die brauchte nämlich immer Stunden.

      Vor der Tür fragte Sie, ob sie Timmy führen dürfte. Ich drückte ihr die Leine in die Hand. „Bitte.“ Nach ein paar Metern holte sie zwei Zigaretten aus der Tasche. „Aber nicht auf der Straße.“, sprach ich. Nach der Kurve in der Seitengasse hatte ich nichts dagegen. Obwohl? Dann konnte auch noch einer kommen, den ich kannte. Dass Tusnelda aber auch immer und überall mit der Zigarette herumlaufen musste. „Lebt denn mein Stopfer noch?“ Der wäre ihr mal runtergefallen. Aber Sidney hätte ihn geklebt. Dann hatte sich das eh erübrigt. Ich hatte einen Puls. Das ging gar nicht. „Und was ist mit dem ganzen Zeug vom Einzug?“ Sie konnte mir nicht folgen. „Na die Salate, Würstchen und Getränke.“ „Ich weiß. Bin ich Ihnen ja auch sehr dankbar für.“ Davon merkte ich nichts. Ich wollte sie gerade auf das Geld ansprechen, da fing sie an. Diesen Monat wäre es ganz ungünstig. Das war es doch jeden. „Sehen Sie mal zu, dass Sie einen kleinen Job kriegen. Sie dürfen doch hundertfünfundsechzig dazuverdienen.“ „Davon ziehen die Schweine aber noch was ab.“ „Das möchte ich nicht hören. Sie wollen doch auch nicht, dass über Sie so gesprochen wird.“ „Das ist trotzdem eine Schweinerei. Hundertzwanzig darf man bloß behalten.“ „Sie verkennen ein bisschen was. Rechnen Sie mal zusammen, was Sie alles kriegen. Oder wofür Sie nichts bezahlen brauchen. Wie für die GEZ. Mit den Hundertzwanzig oben drauf haben Sie mehr wie mancher, der auf Arbeit geht. Der muss noch ein Auto unterhalten.“ Das wollte sie nicht hören. Jetzt fing sie wieder von ihrem Lohn von früher an. Da hätte sie dreitausend verdient. Wenn sie ehrlich gewesen wäre, hätte sie gesagt, Mark. Oder wollte sie mich verarschen? Die Babber ging weiter. Und was sie sich davon hätten alles leisten können. Dann kam wieder ihr Wochenendgrundstück. Sie sollte doch endlich mal die Vergangenheit ruhen lassen. Ich hatte früher auch dies und das gehabt. „Haben Sie eine Uhr dran?“ Sie drehte ihren