Kathy B.

Tusnelda


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„Dann schreiben Sie es sich eben auf.“ „Wie sieht denn das aus?“ „Wie soll denn das aussehen? Dass man sich drum kümmert. … Ich hatte auch schon mal einen Zettel mit beim Arzt. Na ei. … Und jetzt möchte ich mal was tun.“ „Ich bin ja schon weg.“

      Auf der Treppe drehte sie sich noch mal um und hielt ihren Becher hoch. „Danke für das hier.“ „Schon gut.“ Hauptsache, sie störte mich jetzt nicht weiter. Ich musste nämlich Ricos Firmenweihnachtskarten schreiben. Und das waren an die fünfzig Stück. Hinzu kamen noch unsere privaten.

      Alle Furz lang klingelte es. Das eine Mal musste mir Tusnelda erzählen, dass ihr das Amt zu wenig überwiesen hätte. Dann sollte sie sich mal in Bewegung setzen. „Ich würde nicht eher gehen, bis ich mein Geld hätte.“, sprach ich. Ein anderes Mal war es das Essen. Sie wüsste nicht, was sie kochen sollte, wenn Sidney kam. „Haben Sie ein Kochbuch?“ Sie hätte noch das alte von früher, meinte sie. „Na umso besser. Da stehen wenigstens keine außergewöhnlichen Zutaten drin. Gucken Sie mal hinten das Inhaltsverzeichnis durch. Fällt Ihnen bestimmt was ein.“

      Und so ging das tagelang. Ich war immer eine Wut, wenn die weg war. Das Schlimme war bloß, dass ich mich dann nicht aufs Schreiben konzentrieren konnte. Oder nicht mehr so schön schrieb. Und das waren sie nun mal alle von mir gewohnt. Ich konnte es eh nicht lange. Weil dann meine Muskeln verrücktspielen. Aber so wurde nun noch weniger. Ich brauchte eine geschlagene Woche.

      Rico kam mal zufällig etwas eher heim. Ich fragte ihn, ob wir nicht mal zu Lidl könnten. So bisschen was für die Feiertage einkaufen. Damit ich nicht alles zu schleppen brauchte. Und wen trafen wir dort? Unsere liebe Obermieterin. Die herumlamentierte, weil bald Weihnachten wäre und sie ihren Kindern nichts bieten könnte. „Das wissen Sie doch nicht erst seit gestern. Und außerdem ist das jedes Jahr. Muss man sich halt mal bisschen was weglegen.“, sprach ich und fragte sie, ob sie mitfahren will. Dann sollte sie aber ein bisschen hinmachen. Bei mir ging das nämlich ziemlich schnell. Ich hatte einen Zettel und mir im Laufe der Zeit auch gemerkt, wo alles stand. Bei Tusnelda war das natürlich nicht so. Wir mussten warten. Beziehungsweise Rico. Weil ich ihn drum gebeten hatte. Der wäre nämlich losgefahren. „Was treiben Sie denn so lange?“ „Ich muss doch mal gucken.“, entgegnete sie. Hauptsache, sie kaufte nicht, was sie sah. Sie hätte nur das Nötigste, meinte sie. Und dann kam es wieder. Sie wüsste gar nicht, was sie zu Weihnachten auf den Tisch stellen soll.

      Irgendwo tat sie mir schon leid. Oder mehr die Kinder. Der Sohn war ja im Heim. Aber er kam über die Feiertage. Bloß alles umsonst gab es nicht. Wenn, musste sie schon was dafür tun.

      Nun hatte es sich ergeben, dass die Wohnung gegenüber freigeworden war. Und mein Mann hatte sogar jemanden, der noch vor Weihnachten einziehen wollte. Den Zahn hatte ich ihm aber gezogen. Das Saubermachen schaffte ich nicht an einem Tag. Auch nicht an zweien. Und unten hatte ich auch noch bisschen zu tun. Ich trat an Frau Herfurth ran. „Sie könnten mir helfen.“ „Und bei was?“ „Na drüben ist der junge Mann ausgezogen.“ „Ich denke, das waren zweie?“ „Der andere ist vor zwei Monaten weg.“ „Ach so.“ „Und nach Weihnachten kommt schon jemand. Kann auch sein am ersten oder zweiten Feiertag. Ich schaffe das nicht allein.“ „Ist es denn so dreckig?“ „Sie können ja mal kurz gucken.“

      Sie schlug die Hände überm Kopf zusammen. „Was haben denn die hier gemacht?“ Das fragte ich mich auch. Am Küchenspiegel klebte nicht nur ein Fettfilm, sondern eine richtig dicke Schicht an Fett. Und das auch stellenweise auf den Bodenfliesen. Dort war es bloß schön eingetrocknet. Und das Bad sah aus. „Das schaffen Sie wirklich nicht allein. Helfe ich Ihnen. … Wann wollen wir anfangen?“ „Ich dachte, heute Vormittag ein Stündchen und heute Nachmittag. … Ich lasse den Schlüssel stecken. Sie können auch zu einer anderen Zeit.“ Jetzt hätte sie noch einen Weg, meinte sie.

      Ich fing schon mal in der Küche an. Wie sie kam, hatte ich noch nicht mal die Schicht Fett von den Wandfliesen runter. Das war aber auch eine Schinderei. Sie sollte derweilen mal den Kühlschrank ausräumen. „Meiner klingt ganz komisch.“, sprach sie. „Na wenn der hier geht, können Sie ihn gerne kriegen.“ So sah er ja nicht schlecht aus. Sie wollte ihn sich als Reserve auf den Boden stellen. „Lebt denn mein Stopfer noch?“ Das tät er. Sie wäre bloß noch nicht dazugekommen, sich einen zu holen. „Gibt` s doch bei TEDi.“ Und das war ja gleich hier vorn mit bei Lidl. „Zwei Euro. Sind zwar nur so einfache.“, sprach ich weiter. Das wäre egal. Aber sie hätte im Moment nicht das Geld für so was. Besser, ich hörte jetzt auf. Die konnte nämlich nicht arbeiten und quatschen. Ich jedenfalls ging jetzt erst mal runter. Meine Arme wollten nicht mehr. „Und wo soll ich dann weitermachen? Sie haben ja nun schon in der Küche angefangen.“ „Machen Sie das Bad. Da ist ja alles verkalkt.“ „Brauche ich aber was.“ Dann sollte sie mitkommen.

      Ich gab ihr Essig, Salz, Scheuermilch, einen Schwamm und einen Lappen. „Wenn sie was für die Fliesen brauchen. Ich habe auch noch Putzstein. Aber vielleicht sind die ja nicht so schlimm. … Na ja, gut.“ Dann rauchten wir eben noch eine. Mann, sah die Frau heute wieder schlimm aus. Hätte ich mal bloß die Brille unten gelassen. Aber wie sollte ich ihr sagen, dass sie sich mal ihren Damenbart rasieren müsste? Das war ja nun eine intime Angelegenheit. „Frau Herfurth. Haben Sie heute schon mal in den Spiegel geguckt?“ „Ja.“ „Dann ist es gut.“ „Wieso? Was ist denn?“ „Ich möchte jetzt Mittag machen. Rico kommt gleich.“ „Ich habe auch noch was zu tun.“, entgegnete sie und stand auf. „Dann sehen wir uns ja heute Nachmittag.“ Sie guckte, als hätte ich chinesisch gesprochen. „Ich denke, da wollen wir oben weitermachen.“, sprach ich. „Ach ja.“

      Sie kam ein ganzes Stückchen nach mir. Und gähnte erst mal lautstark. Bloß gut, dass ich mit dem Rücken zu ihr hockte. Die Frau hielt doch nie die Hand vor den Mund. So was konnte ich absolut nicht leiden. Und noch dazu, wenn man aussah, wie man aussah. „Warum haben Sie denn nicht geklingelt?“, sprach sie. „Es war so ruhig bei Ihnen. Konnte doch sein, Sie schlafen.“ „Ich habe auch die ganze Nacht nicht.“ Ich erklärte ihr, dass sie es trotzdem nicht nachmittags übertreiben sollte. Sonst könnte sie abends wieder nicht. „Bin aber nicht eher munter geworden.“ „Dann stellen Sie sich den Wecker.“ „Nachmittags?“ „Na ei. Bevor man nachts nicht pennen kann.“ „Ist aber auch der ganze Lärm.“ „Ich bin schon dran, dass die hier mal was mit der Straße machen.“

      Die Küche wurde erst am anderen Tag fertig. Weil ich nun mal nicht so konnte. Im Gegensatz zu Tusnelda. Die muddelte sich einen zu Recht. Na ja. Mir war das egal. Der Schlüssel steckte. Sie konnte rein und raus, wann sie wollte. Bloß, was gab ich ihr dafür? So richtig effektiv war es ja nicht gewesen. Und außerdem hatte ich schon mehr als genug für sie getan.

      Plötzlich erinnerte ich mich dran, dass der junge Mann mir eine frische Weihnachtsgans vom Bauernhof zum Einfrieren gegeben hatte. Vorher lief ich aber noch auf dem Boden. Mein Mann hatte nämlich mal so ein teures Spiel von Ravensburger für seine Tochter gekauft. „Ein Nilpferd kommt selten allein.“ Die war aber nie wieder auf Besuch gewesen. Ich schnappte mir den Karton. Anschließend holte ich die Gans aus der Truhe, nahm noch ein Glas Rotkraut aus dem Schrank und lief eine Etage höher. „Hier. Für ihre Hilfe.“ Sie rief nach hinten: „Kinder. Wir haben doch was zu Essen.“ Anschließend wandte sie sich wieder an mich und zeigte auf das Spiel. „Das lege ich untern Baum. … Wollen Sie mal kurz reinkommen?“

      Ich war eine geschlagene Stunde dort. Solange hatte ich gar nicht bleiben wollen. Aber sie erzählte von ihrer Kindheit mit Nudelholz und Feuerhaken. Da konnte ich sie schlecht unterbrechen. Dann fing sie wieder vom Geld an. Was sie diesen Monat grundlos gekürzt hätten. Also hatte sie immer noch nichts in die Wege geleitet. Na ja. Es war eh mit Vorsicht zu genießen. Vielleicht war sie ja nicht zum Termin erschienen.

      Heiligabend klingelte sie. Ihre Waschmaschine würde nicht mehr schleudern. Tusnelda hatte mir gerade noch gefehlt. Aber wo sie nun schon mal mit dem Wäschekorb dastand, wollte ich sie auch nicht wegschicken. „Her damit.“ Anschließend bat ich sie, mir wenigstens morgen meine Ruhe zu lassen. Wir sahen uns ja schließlich schon am zweiten Feiertag.

      Es war der Frau nicht möglich. Anderntags stand sie mit einem Zettel vor unserer Wohnungstüre. Sie hätte sich Gedanken gemacht, erklärte sie mir. Und dann überreichte