Kathy B.

Tusnelda


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gucken.“, plapperte sie. Ich holte tief Luft. „Wenn er will.“ Na klar wollte er, der kleine Verräter. „Ich habe aber morgen einen Termin auf dem Amt.“ „Wann müssen Sie denn los?“ „Um neun muss ich da sein.“ „Sie wissen doch, dass ich um sechs aufstehe.“ „Ich gehe aber noch Gassi vorher.“ Das wollte ich doch wohl meinen.

      Wie sie ihn brachte, war sie nicht gewesen. Sie hätte Durchfall, erzählte sie mir. Also hieß das, dass sie wieder nicht ihrem Termin nachkam. Was anderes hätte mich auch gewundert. „Ich gehe gleich mit ihm.“

      Nachmittags klingelte es. Sie hätte bei Lidl Haarfarbe gekriegt. Ob ich ihr helfen würde. „Was denn? Jetzt gleich?“ „Wie Sie Zeit haben.“ Ich lief in die Küche und sah zur Uhr. „Na ja, gut.“

      Oben angekommen, meinte sie: „Rauchen wir erst mal eine.“ Die immer mit ihrem Rauchen. Das konnten wir auch machen, wenn sie die Farbe auf dem Kopf hatte. Ich erklärte ihr, was sie von dem Set zusammenzumischen hätte. Sie bräuchte nur die Tube in die Flasche zu drücken. Die kleine Tüte wäre für hinterher zur Pflege. Und jetzt sollte sie sich mal bisschen die Haare anfeuchten. „Haben Sie einen groben Kamm?“ Da musste sie erst mal suchen. Sie sollte auch gleich noch ein altes Handtuch mitbringen. Nach einer ganzen Weile kam sie mit einem neuen an. Egal. Es war nicht meins. „Und wo ist der Kamm?“ Jetzt stiefelte die noch mal los. Und ehe die mal auf dem Stuhl saß. Und vor allem, wie. Die hatte doch eindeutig einen in der Krone. Das Nassmachen war nicht das Problem. Aber die Farbe. Weil sie den Kopf nicht ruhighalten konnte. Ich kriegte gleich einen zu viel.

      Irgendwann hatte ich es. Ich erklärte ihr, dass sie die eine halbe Stunde drauflassen und anschließend abspülen sollte. „Jetzt rauchen wir erst mal eine.“, meinte sie. Na gut. Aber danach ging ich runter. Ich hatte ja schließlich unten auch noch bisschen was zu tun. Sie wollte wissen, was. Meine Wohnung wäre doch fertig. „Rico kommt dann. Ich möchte Abendbrot vorbereiten.“ „Um die Zeit?“ Wir hatten es immerhin schon um fünf. „Er war doch Mittag nicht da. Der Kerl hat vielleicht Hunger.“ Sie schaukelte hin und her und plapperte: „Aha. … Ich kriege das doch aber nicht allein runter.“ „Frau Herfurth. Kopf über die Wanne und mit der Brause abspülen.“ „Können Sie das nicht?“ Ich merkte schon. Wenn ich nicht blieb, ging sie mit der Farbe ins Bett. Morgen früh hatte sie vielleicht keine Haare mehr auf der Rübe. „Na gut.“ Sie bot mir ein Bier an. „Danke.“ Aber ich trank nie vor achtzehn Uhr. „Sie können gerne.“ „Nein. Ich habe das nämlich auch etwas reduziert.“, entgegnete sie. Sicher. Das Bier vielleicht. Aber den Schnaps nicht. Ich war froh, wie die halbe Stunde um war.

      Nachdem ich ihr die Farbe rausgespült hatte, dachte ich, ich könnte gehen. „Und was ist mit der Tüte?“ Die Pflegeemulsion konnte sie sich doch auch allein einmassieren. „Nee.“, sprach sie. „Or.“ Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Während ich ihr das Zeug auf der Kopfhaut verrieb, gab sie ein paar Töne von sich. „Ist fast wie Sex.“, stöhnte sie. Meine Fresse. Die zwei Minuten fühlten sich wie eine Stunde an. „Machen Sie mal noch ein bisschen.“ So was hätte sie lange nicht gehabt. Ich kriegte gleich einen zu viel. „Jetzt ist aber Schluss. Frau Herfurth. Sie wissen …“ „Ja. Sie müssen Abendbrot machen. … Aber schön war es trotzdem. Danke.“

      Am nächsten Tag fragte sie mich, ob ich ihr und Sally nicht die Spitzen verschneiden könnte. Ich war vollkommen perplex. „Sie bringen doch so viel. Und gestern das haben Sie doch auch schön gemacht.“ Ich ahnte nur nicht, worauf ich mich da einließ. Ihre Tochter hatte derart dicke Haare. Normalerweise wären die nur mit einer Heckenschere zu bändigen gewesen. Und dann wollte sie die auch noch zwanzig Zentimeter gekürzt haben. Ich schwitzte Blut und Wasser. Eigentlich war ich mit mir und der Welt schon fertig. Aber dann kam Tusnelda dran. Die wieder nicht den Kopf ruhighalten konnte. „Frau Herfurth. So wird das nichts. Ich schneide doch schief und schräg.“ „Schräg ist Inn.“ Der zeigte ich gleich noch was anderes. Wenn sie nicht bald ihr dämliches Maul hielt. Ich ärgerte mich hinterher, dass ich mich wieder hatte breitschlagen lassen. Das war nun mal meine dumm gute Art. Aber haben tat ich davon auch bloß nichts.

      Ich hatte es immer schon vorher satt. Jedes Mal, wenn ich eine Mülltonne aufmachte, lag irgendwas verkehrt. So blöd konnte man doch nicht sein. „Mann, oh Mann.“ Ich angelte die Hackfleischverpackung und diverse andere Teile aus der Biotonne und schmiss sie in die gelbe. Wenn mir Tusnelda jetzt übern Weg lief. Besser, sie tat es nicht. Womöglich machte ich sie kalt. Obwohl? Es konnte ja auch Ileen gewesen sein. „Nee.“ Die trennte ja gar nichts. Bei der flog alles in einen blauen Sack, den sie in die gelbe Tonne krachte.

      Ich schnappte mir erst mal die eine. Die lachte auch noch ganz hämisch. „Du. Ich melde dich mal für vierzehn Tage in der Müllsortierung an.“ „Nee.“ „Natürlich. … Vielleicht bringst du es dann hinterher.“ Es klappte und die andere lief mir auch noch übern Weg. „Frau Herfurth. Hatten Sie manchmal Hackfleisch?“ „Wieso?“ „Na weil die Verpackung in der Biotonne gelegen hat.“ „Das kann nicht sein.“ „Soll ich sie wieder zurücktun?“ „Immer bin ich alles.“ „Stimmt doch gar nicht. … Ich möchte Sie bloß bitten, mal bisschen beim Trennen aufzupassen.“ „Mache ich an und für sich.“ „Frau Herfurth. Sonst bleiben die Tonnen stehen. Dann haben wir keine.“ „Sie können aber auch mal Ileen ansprechen. Und nicht immer nur mich.“ „Wie kommen Sie denn da drauf? Mit ihr habe ich vielleicht vor Ihnen gesprochen.“ Sie kniff die Lippen aufeinander und machte auf dem Absatz kehrt. Jetzt war sie wieder mit dem Arsch rum. Dann hatte ich vielleicht mal meine Ruhe.

      Sie ließ sich auch paar Tage nicht sehen. Dafür stand andauernd ein anderer Margarinebecher voller Nudeln oder Reissuppe mit Gemüse im Regal. Oben drauf lag ein abgetrenntes Stück von einer Hülsenverpackung. Auf der stand: „Für Timmy.“ Immer diese Mengen. Und dann erzählte sie mir wieder, dass sie wegen Sally aufs Essen verzichten würde. Damit die was hätte. Von der Hucke hier wurde sie auch mit satt. Und vor allem, Timmy rührte der ihren Mist ja gar nicht an. Die Frau kochte aber auch einen Stiefel zusammen. Mein Mann hätte mich gelyncht. Von wegen Suppe ohne Fleisch.

      Der Teufel wollte es und sie kam gerade die Treppe runter, wie wir uns fürs Gassi fertigmachten. „In welche Richtung gehen Sie denn?“ Na ja, gut. Dann liefen wir eben mit bis zu Lidl. Ich erklärte ihr aber gleich, dass ich nicht warten würde. „Bei Ihnen dauert es doch Stunden.“ „Ich habe nur ein was.“ „Na!“ „Na ja. Zwei was. Mehr Geld habe ich auch gar nicht.“ Aber für den Getränkeladen hinterher schien es, noch zu langen.

      Anderntags bat sie um eine Rolle Toilettenpapier. „Ich weiß auch nicht, was Sally damit macht. Die muss das essen.“ Eine Milch bräuchte sie auch. Und wenn ich vielleicht noch bisschen Tabak hätte. Ich war eh das blanke Warenhaus. Ob es eine Kopfschmerztablette, ein Pflaster, ein Ei oder ein Umschlag waren. Sie konnte doch nun schon unsere Gefriertruhe mitbenutzen. Das Telefon konnte sie haben, wenn sie es brauchte. Briefmarken sparte sie sich auch. „Ich hätte da noch was zu faxen.“ „Machen Sie hin.“

      Die Nummer vom Jobcenter kannte ich mittlerweile auswendig. Wahrscheinlich hatte sie wieder mal eine Ausrede, um nicht dorthin zu müssen. Wie ich ihr das Schreiben und den Sendebericht gab, erzählte sie mir von dem Widerspruch. Weil sie zu wenig Geld gekriegt hätte. „Frau Herfurth. Sie wissen, dass ich nichts lese. Aber, dass es eine komplette Seite war, war ja nicht zu übersehen. … Das können Sie nicht machen. Einen Widerspruch begründet man nicht. Wenn Sie dort ein was falsch schreiben, ist das Ganze hinfällig. Widerspruch zu der Sache. Angenommen Leistungsbescheid vom so und so Vielten. Und Sie bitten um Neuberechnung.“ Das wollte einfach nicht in der ihren Kopf. Ihre ehemalige Kollegin, die sie immer mal besuchen kam, hätte gesagt, sie würde ganz toll schreiben. „Das haben auch schon andere bemerkt.“ „Aber ein Amt will keinen Roman. Wenn das jeder machen würde, würden die gar nicht fertigwerden. Vielleicht ist das manchmal der Grund, warum bei Ihnen nichts klargeht.“

      Es traf mich komischerweise immer gegen Abend. Egal, ob ich halb sechs, um sechs oder später Gassi lief. Irgendwie wollte sie da auch gerade los. Ein paar Tage konnte ich ihr einreden, dass wir schon nachmittags in die Richtung gelaufen wären. Weil Timmy hinter der Tankstelle an diesen Bahndamm gewollt hätte. „Wer weiß, was er gerochen hat. Vielleicht war ja eine läufige Hündin dort gewesen.“ Toll. Er hing ihr schwanzwedelnd am