Kathy B.

Tusnelda


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wenn er es schon halb durchgekaut hatte. Furchtbar.

      Die Kinder verschwanden nach dem Essen jeweils auf ihr Zimmer. Dort waren sie eh bloß. Dass wir am Tisch gesessen hatten, war eine Ausnahme gewesen. Sie brachte ihnen das Essen ans Bett. Wo sie den ganzen Tag herumlagen. So viel zum Thema Familienleben. Aber ich hatte keinen Bock mehr, ihr was zu sagen. Es kam doch sowieso nicht an.

      Das Verdauungszigarettchen konnte ich natürlich nicht verweigern. Währendem meinte sie, dass sie wieder mit Farbe dran wäre. „Ich habe es Ihnen doch gezeigt.“ „Habe ich mir nicht gemerkt.“ Da ich wenigstens einen ruhigen Sonntag haben wollte, schlug ich ihr heute Nachmittag vor. Nach dem Kaffeetrinken. Und nach dem Gassi. Hauptsache, sie wollte dort nicht noch mitlatschen. Da wäre ich nämlich schon vor dem Färben reif für die Insel gewesen. Sie sagte nichts in der Richtung. Gott sei Dank auch.

      Wie ich hochkam, wollte sie erst mal wieder eine rauchen. Musste ich ihr denn jedes Mal dasselbe sagen, dass sie das auch dann tun konnte. „Erst die Arbeit.“ Kein Wunder, dass die mit nichts fertig wurde. Hier sah es aus. Ich musste aber die Brille aufsetzen, damit ich es auch richtig machte. Während sie mit der Farbe auf dem Kopf dahockte, rauchten wir eine. Danach stand ich auf. „Und Abspülen?“, fragte sie. „Das werden Sie doch wohl allein bringen.“ „Ich weiß doch gar nicht, wann es gut ist.“ „Wenn keine Farbe mehr kommt.“ „Machen Sie das mal. Das ist mir sicherer.“ Ich stöhnte. Weil ich ja nun auch die Emulsion einmassieren durfte. Wenn sie wenigstens ihre sexuellen Äußerungen sein lassen hätte. Mann, oh Mann. Dann sollte sie sich einen suchen. Oder es sich selber machen. Ich war froh, wie ich wieder runterkonnte.

      Für Tusnelda schien damit, die Welt wieder in Ordnung zu sein. Also konnte man dem anderen bisschen auf den Beutel gehen. Sie kam jeden Tag mindestens drei Mal. Wegen irgendwelchem Schotter. Ich konnte ihr noch so viel sagen, dass ich am Schreiben war. Und sie mich ständig rausbrachte. „Machen Sie doch ein Bürozeitenschild an die Tür.“, sprach sie. „Wir sind doch hier nicht bei der Wohnungsbaugenossenschaft. Aber wir können das gerne machen. Die haben nämlich nur dienstags Sprechzeit.“ Jetzt guckte sie wieder wie so ein Quarknapf.

      Freitag kam sie geschlagene vier Mal wegen der Eierlikörcreme für die Torte. Ich hatte ihr mal Stück hochgegeben. Und das Rezept hatte ich ihr auch aufgeschrieben. Es war eigentlich Pillepalle, die paar Zutaten zusammen zu rühren. Die bekam es trotzdem nicht gebacken. Mein Gott, nein. Ich bekam heute Besuch bis Sonntag und hatte noch so viel zu tun.

      Abends war wieder Highlight im Kettenkasten obendrüber. Vielleicht hatte sie ja schon die ganze Torte gefressen. Obwohl? Von sechs Gläsern Eierlikör konnte man nicht so besoffen sein.

      Anderntags lud sie mich zum Kaffee ein. Ich erklärte ihr, dass meine Freundin da wäre. Die könnte ich mitbringen, meinte sie. „Was war denn gestern Abend los?“ Zur Feier des Tages hätte sie sich einen genehmigt. „Haben Sie im Lotto gewonnen oder was?“ „Ich spiele doch überhaupt nicht. … Nein. War bloß, weil mir der Kuchen so gut gelungen ist.“ „Das wissen Sie doch noch gar nicht. Oder haben Sie schon gekostet?“ „Mm.“

      Ein Viertel war echt weg. Ich hatte mit meinem einen Stück schon zu tun. „Was haben Sie denn hier gemacht?“ „Wieso?“ Ich trank ja gerne Eierlikör. Aber das hier war mir ein bisschen zu viel des Guten. Da waren doch niemals bloß sechs kleine Schnapsgläser voll drin. „Wenn, muss man das schon richtig merken.“ Sie hätte das Doppelte genommen. Dass die sich auch nie an was halten konnte. „Sie müssen sich immer selber kreieren. Und dann kommt Rotz raus.“ „Wieso? Schmeckt doch gut.“ „Wenn man was noch nie gemacht hat, hält man sich erst mal ans Rezept. Beim nächsten Mal kann man sich dann bisschen ausprobieren.“ „Da muss ich erst mal eine neue Flasche kaufen.“ Ich zog den Kopf in den Nacken. Bei sechs Gläsern fehlte oben nicht viel. Und sie mit dem Doppelten, da war vielleicht ein Viertel weg. „Was haben Sie denn mit dem Rest gemacht?“ „Na getrunken.“ „Da klebt es einem doch die Gusche zu.“ Dafür hätte sie Bier gehabt.

      Unten ließ ich mich erst mal über Tusnelda aus. Was sie sich wieder so in letzter Zeit alles geleistet hatte. Gabi lachte bloß. „Du hast das ja nicht.“, sprach ich. „Gott sei Dank auch.“ Es klingelte. Ich sagte stöhnend: „Wenn man vom Teufel spricht.“

      Was Tusnelda wollte, wusste sie selber nicht. Wahrscheinlich die Neugierde. Oder, weil sie kaum jemand besuchte. „Frau Herfurth. Rico kommt dann gleich. Ich möchte bisschen was an Essen vorbereiten. Sie wissen, bei mir gibt es nicht nur nackte Bemmen.“ „Die gibt es bei mir auch nicht.“ Ich wollte erst sagen: „Wann haben Sie schon mal einen Salat gemacht?“ Die wusste doch gar nicht, wie das ging. „Wo ist denn Timmy überhaupt?“, fragte sie. Es war interessant, dass der das auch schon auffiel. „Na mit Vati mit.“ „Hätten Sie mal eine Milch? … Sonst muss ich noch mal los.“ Ich holte ihr eine. „Bringe ich am Montag wieder mit. Und hätten Sie vielleicht noch zwei Bier?“ „Muss ich noch mal runter.“ „Kann ich auch machen. Ich weiß doch, wo es steht.“ Na ja, gut. Schließlich hatte sie noch was weggenommen.

      Montagvormittag stand eine Milch im Regal. Dienstag die zwei Flaschen Bier. Nachmittags bettelte sie um Tabak. So langsam ging mir das auf die Ketten. „Ich habe doch noch kein Geld gekriegt.“, meinte sie kleinlaut. „Sie leben immer nur von der Hand in den Mund. Das tät mich verrücktmachen.“ „Macht es mich ja auch.“ Und wann gedachte sie, mal was dran zu ändern? „Ein kleiner Nebenjob?“ Sie wäre auf der Suche. Das glaubte sie doch selber nicht. „Stehen so viele Annoncen mit zwei, drei Stunden Saubermachen in der Zeitung.“ Dann ging ich meine Ersatzdose holen. „Sobald ich das Kindergeld habe, kriegen Sie die wieder.“ „Gibt es das nicht am fünfzehnten?“ Sie hätte keins drauf gehabt. „Und könnte ich mal was anrufen?“, fragte sie noch. „Sicher.“ Das hatte ich ihr ja am Anfang angeboten. „Aber keine Handynummer.“ „Ich weiß.“ „Na hoffentlich.“ Hinterher brachte sie mir noch ein Schreiben zum Faxen. Und kaute mir wieder ein Ohr ab, wegen Geld.

      Abends, wie ich mit Timmy zur Haustür raustrat, sah ich Tusnelda, mit dem Rucksack auf dem Rücken, Richtung Lidl laufen. „Ich denke, sie hat nichts.“ Wie wir von der Elbe zurückkamen, marschierte sie in die andere Richtung. Das hieß, zu dem privaten Getränkeladen.

      Anderntags kam sie wieder wegen einer Milch. „Was ist denn bei ihnen da oben los?“ Die Enkelin wäre gekommen, erklärte sie mir. „Hören Sie das?“ Sie gab selber zu, dass das schlimm klingen würde. Aber die Kleine wäre nun mal sehr sportlich. Hatte die eine Macke? „Kann doch runter auf dem Hof.“ „Da hat sie doch nichts weiter.“ „Muss Ihre Tochter mal was mitgeben.“ „Hat sie doch. Ein Malheft und Bastelzeug.“ „Und warum setzen Sie sich nicht mit ihr hin?“ Sie guckte bloß blöde. Und sowas nannte sich Erzieherin. Die konnte nur kleinen Kindern den Arsch abwischen. Mehr nicht.

      Es traf sich wieder mal, dass ich gerade Gassi wollte und sie zu Lidl. Gut gingen wir eben dort lang. Unterwegs fragte ich sie, wann denn ihr Sohn nun einziehen würde. „Keine Ahnung.“ „Hatten Sie nicht Gerichtsverhandlung?“ „Ja.“ „Und?“ „Die haben mich gefragt, ob ich beim Psychologen gewesen wäre.“ Dann flog auch schon ihre Hand über die Schulter. „Pf. … Habe ich doch nicht nötig.“ Ich sah sie ganz entsetzt an. „Haben Sie das dort auch so gemacht?“ „Na klar.“ „Frau Herfurth. Ich habe Ihnen sogar das Fahrgeld dafür gegeben, weil sie nichts mehr hatten.“ „Ach so ja. Den Termin musste ich leider absagen.“ Ihr wäre es nicht gut gegangen. „Sie hatten Schiss. Geben Sie es zu.“ „Ich muss doch nicht jedem meine Lebensgeschichte erzählen. Das geht doch keinem was an.“ „So kriegen Sie Ihren Jungen nicht wieder.“ „Das werden wir noch sehen.“ „Sie denken schon an den Tabak?“ „Steht auf dem Zettel.“ Ich nahm an, der Einkaufszettel. Es stellte sich heraus, dass es einer in ihrer Küche war. Damit sie es nicht vergaß. Jetzt hätte sie nicht mehr so viel. Sie könnte nur das Nötigste einkaufen. „Finde ich nicht schön, dass man Sie immer dran erinnern muss.“ Normalerweise hätte sie auf einen zuzukommen. „Ja.“, machte sie bloß.

      Zwei Tage später stand sie bettelnd vor meiner Tür. Ihr Junge käme doch. Sie wüsste gar nicht, was sie ihm auf den Tisch stellen soll. Ich hatte aber nichts im Portemonnaie. Sie versprach mir, auch die Kosten fürs Abheben am Fremdautomaten zu übernehmen. Wenn ich der