Kathy B.

Tusnelda


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dran. Wie Urlaub oder so. Nachmittags ging ich noch mal hin. Und wieder hatte ich kein Glück. Was sollte hier weiter werden? Ich begann, die Wohnung aufzuräumen. Zwischendrin ging ich in die Apotheke, um notfalls was dazuhaben.

      Anderntags wollte ich an und für sich heim. Ich befand mich auf dem Weg zum Taxistand, wie Rico anrief. „Hast Du Schmerzen?“ Noch hatte ich keine. Aber wusste man`s? „Wenn es geht, erst morgen.“, meinte er. Er hätte noch so viel zu tun. „Na gut. Aber dann so, wie heute. Um zwölf.“ „Und wann kommst du an?“ „Viertel vor fünf.“ „Geht es nicht einen später?“ „Bin ich ja erst Viertel vor neun da.“ „Na und.“ „Und wenn dann was ist?“ „Meinetwegen.“

      Es war eine Scheiß Nacht. Weil ich immer mit Schmerzen rechnete. Gut. Da hätte ich hier wahrscheinlich auch in die Notaufnahme gehen können. Bloß dann fing einer eine Behandlung an und ein anderer musste sie zu Ende bringen.

      Wie ich in unserem Auto saß, rechnete ich mit dem Schlimmsten. Nicht mit Zahnschmerzen, sondern Tusnelda. Aber anscheinend hatte sie nicht mitgekriegt, dass ich schon wieder daheim war. Komischerweise hatte ich auch die nächsten Tage meine Ruhe. Dann schob sie wieder einen Depri. Das war mehr als gut. Weil sie mir ja grundsätzlich im Haus begegnete. Und ich nun zusätzlich noch jeden Tag zum Zahnarzt musste wegen Einpinseln.

      Der sechzigste Geburtstag meines Vaters stand an. In Emden hatte ich an meinem Buch weitergeschrieben. Hier kam ich ja zu nichts. Aber jetzt mochte ich mir langsam mal Gedanken machen. Ich wollte ihm nicht nur nacktes Geld schenken. Irgendwas musste noch mit dazu. Einen Spruch oder ein Gedicht konnte ich unabhängig davon zur Feier vortragen. In dem Moment schoss mir was in den Kopf. Auf ein paar meiner Fotos war er nämlich zu sehen. Obwohl er das immer vermieden hatte. Wenn ich nun zu jedem ein paar Zeilen schrieb?

      Ich graste die Alben durch. Viele waren es wirklich nicht. Aber meine Geschwister und Mutti hatten auch bloß nichts weiter. Letzt endlich rief ich ihn selber an. „Sag mal. … Hast du manchmal ein Bild von Eurer Hochzeit?“ „Für was brauchst d` n das?“ „Ist mir gerade eingefallen. Ich habe ja gar nichts weiter von euch. Und hast du noch eins von dir? Damit ich dich mal in jungen Jahren sehe.“ Er lachte erst mal hämisch. Dann sagte er: „Du kommst auf Gedanken.“ „Na ja. … Hast du nun was?“ „Muss ich mal gucken.“ „Schickst du` s Rico auf den Rechner. Können wir uns selber ausdrucken.“ „Erst mal sehen, ob ich was finde.“ „Ach. Wirst du schon.“ So was schmiss er doch nicht weg.

      Ich begann, mit dem zu arbeiten, was ich hatte. Es wollte nicht so laufen mit einem Spruch. Weil es eigentlich auch Kacke war. Zu jedem Anlass in der Familie gestaltete mein Vater eine Zeitung. Das musste ich ja nun nicht nachmachen. Wenn ich nun Lieder nahm? Meine Leute guckten doch gerne solchen Volksmist. Was die Sendungen mit Volksmusik waren. Aber so richtig gefiel mir nichts davon.

      Wenn ich eine Gusche zog, das konnte Rico gar nicht leiden. Ich war aber nun mal frustriert. Vielleicht hätte ich ja sollen mal bisschen mehr das Radio anmachen. Dann wäre mir auch aufgefallen, dass es noch bisschen was anderes gab. Aber ich war froh, wenn ich meine Ruhe hatte.

      Paar Tage später drückte er mir eine gebrannte CD in die Hand. „Hier. … Na horch es dir doch erst mal an.“ Es handelte sich um annähernd hundert Popsongs mit deutschem Text. Bei dem einen musste ich so lachen. Gisela. Von Horst Schlämmer. Meine Mutter hieß so. Es passte rundherum. Weil sie so bisschen verschämt war. Und ich hatte auch das Bild dazu. Mit ihr und dem Gesicht meines Vaters, wie er sich wieder über sie aufregte.

      Na jedenfalls gab mir das Lied so einen Spaß, dass ich es mir noch paar Mal anhören musste. Und das auch etwas lauter. Es klingelte. Ich dachte, Tusnelda meckert. Im Gegenteil. Sie war einfach nur neugierig geworden. „Dann kommen Sie mal rein.“ Ich spielte das eine noch mal von vorne. Sie musste lachen. Anschließend zeigte ich ihr, was ich bis jetzt geschafft hatte. Sie guckte ganz erstaunt. Mit Computer hatte sie nämlich nichts am Hut. „Machen Sie doch mal einen Kurs an der Volkshochschule.“ So viel kostete der nun auch nicht. „Ach nee.“ Aber man musste doch mal bisschen mit der Zeit gehen. Und sich auch mal bisschen bilden. Sie las ja nicht mal das Gratisblatt, was mittwochs und samstags kam. „Dort sind so viele Tipps drin. Ist ja kein Wunder, dass bei Ihnen alles schiefgeht. … Ich werde wohl mal dort anrufen und sagen, sollen es sein lassen. Schade ums Papier. Und die Mühe und die Zeit.“ „Ich nehme mir doch immer welche mit hoch.“ „Ja. Für den Biomüll.“ Sie griente. „Habe ich also doch Recht. … Kann ich nicht verstehen. In der Gesellschaft müssen Sie was wissen.“ Klar war es schwierig. Heutzutage mochte man Doktor, Rechtsanwalt, Finanzexperte und überhaupt alles sein. Aber wenn man gar nichts wusste, war man doch völlig angearscht. Ich erklärte ihr, dass sie über das Kabelfernsehen für einen guten Preis ins Internet könnte. Natürlich mit einem Gerät, was nun nicht umsonst war. Aber sie sollte mal die Arschbacken zusammenkneifen. Ihre Tochter brauchte das Internet doch schließlich auch für die Schule. Da gab sie mir Recht. „Na also.“ Und wenn sie sich einen kleinen Nebenjob suchte, war doch das kein Problem. Und das Internet plus einer Festnetzflatrate würde sie neunzehn Euro im Monat kosten. „Sie haben so viele Anrufe zu Ämtern. Das machen Sie alles über Ihr Handy. Und was bezahlen Sie dort?“ „Na ich hole mir eine Karte für fünfzehn Euro. Da komme ich nicht mal weit. Manchmal muss ich mir noch eine holen. Und Sally braucht auch eine.“ „Da sind wir schon bei fünfundvierzig.“ Entweder redete ich chinesisch oder die Frau konnte nicht denken. Sie sollte es sich durch den Kopf gehenlassen. Und jetzt wollte ich noch bisschen was tun. „Ach so, ja. Fahren Sie manchmal in die Stadt?“ Sie hätte einen Termin beim Jobcenter, erklärte sie mir. Dort war doch gleich das Kaufland. Da konnte sie mir mal eine kleine Sojasoße für neunundneunzig Cent mitbringen. „Muss ich mir gleich aufschreiben.“ „Tun Sie das.“ „Könnte ich bitte das Telefon haben? … Und wenn Sie noch die Nummer von Kabel Deutschland hätten.“ Draußen hing das Schreiben. „Habe doch keine Brille auf.“ Sie sollte es sich abmachen und es dann mit dem Telefon wieder runterbringen.

      Am nächsten Tag hörte ich nichts von ihr. Es fand keinerlei Bewegung obendrüber statt. Dann lag sie wieder hinten bei sich im Nest. Na ja. Ich musste eh anderntags zum Doc. Auf dem Rückweg sprang ich bei Norma raus. Dort gab es so einiges, was sie bei Lidl nicht hatten. Und sogar meine Sojasoße. Womit ich nun gar nicht gerechnet hatte.

      Zwei Tage später stand Tusnelda auf der Matte und überreichte mir freudestrahlend eine Flasche. Sie wäre extra zum Chinesen gegangen. Darüber konnte ich nicht lachen. Weil es dort hundert pro anders kostete. Sie meinte zwei neunundneunzig. „Was hatte ich gesagt?“ „Ich habe es doch nur gut gemeint.“, entgegnete sie. „Halten Sie sich doch einfach an das, was Ihnen jemand sagt. Oder lassen Sie es sein. Das sind zwei Euro mehr. Zwei Euro sind zwei Euro. Wenn Sie das bei sich immer so machen, ist es ja kein Wunder.“ „Ich gucke schon. Und bei Edeka hole ich nur das Nötigste. Aber, wenn ich einmal in der Nähe bin.“ „Sie wissen schon, dass der ein bisschen teurer ist. Das käme bei mir niemals in die Tüte. … Frau Herfurth. Sie sind daheim. Sie haben den lieben langen Tag Zeit. Und wenn Sie aus der Stadt kommen, können Sie bei Aldi rausspringen und bei Norma. Die haben übrigens öfter mal Fleisch gesenkt.“ „Kann ich mir trotzdem nicht leisten.“ „Wieso denn das nicht?“ Sie kaufte so viel anderen Rotz. Zum Beispiel Champignons erste Wahl und das bei Edeka. Ich sah doch, was unten an Glas Zeug stand. „Die muss ich doch in das Gulasch machen. Weil die Sally so gerne isst.“ „Denken Sie, dass das jemanden interessiert, ob es erste oder dritte Wahl ist. Das Gulasch bestimmt nicht. Und ihre Tochter?“ „Auch nicht.“ „Na also. … Und jetzt möchte ich noch bisschen an dem Buch für meinen Vati weiterarbeiten.“ Inzwischen hatte sich Timmy bei ihr eingeschleimt. Nein. Heute nicht. Rico kam dann vom Dienst. Wie spät lebten wir denn überhaupt? „Mensch.“ „Ich gehe ja schon.“ „Moment.“ Hier hatte sie die drei Euro. Der eine Cent war fürs Glück.

      Anderntags gab sie mir zwei Euro zurück. „Wenn ich zu blöde bin.“ Also hatte sie die Nacht doch mal übergelegt. Ich sagte nur: „Das nächste Mal bringen Sie genau das mit oder gar nichts. Rumgedreht wöllten Sie das doch auch nicht.“ „Stimmt.“ „Mal was anderes.“ Dadurch, dass die eine Wohnung im Erdgeschoss noch nicht ausgebaut war, hatte ich ihr die Möglichkeit gegeben, dort Glas Zeug zu sammeln. Ich spielte aber hier nicht den Alleinunterhalter. Vor allem, weil wir kaum Gläser hatten. Und wenn