Kathy B.

Tusnelda


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auch.“ „Und? Was hat sie gemeint?“, fragte ich hinterher.“ „Na eine Schnauze gezogen. Was denn sonst? … In Zukunft sprichst du das mit mir vorher ab.“ „Ja.“

      Ich kam wiedermal nicht drum herum. Also liefen wir wieder mit ihr bis zu Lidl. Sie jammerte den ganzen Weg nur. „Ich kann nicht mal den Termin auf dem Jobcenter wahrnehmen, weil ich kein Fahrgeld habe.“ „Sie kriegen doch aber das Ticket fürs nächste Mal. Das haben Sie wohl schon aufgebraucht?“ „Wenn man anders kommt, gibt` s keins.“ „Das wusste ich nicht.“ „Spielt auch keine Rolle.“ Der Termin wäre nicht so wichtig. Aber der beim Psychologen am nächsten Tag. „Ach. Gehen Sie nun doch?“ „Muss ich ja. Sonst kriege ich Sidney nicht wieder. Wir haben doch bald Verhandlung. … Ich sehe da zwar keinen Sinn drin.“ Ich sagte nur, sie sollte es einfach machen. Die eine Stunde würde sie schon mal überleben. Außerdem würden die auf dem Gesundheitsamt nicht so in der Vergangenheit herumbohren. Weil es eben nur begleitende Psychotherapie war. Sie hätte sich woanders einen Termin geholt. Bei einem richtigen Psychologen. Der wäre auch etwas näher dran. „Auch gut.“ „Ich weiß bloß nicht, wie ich hinkommen soll.“ Ich gab ihr fünf Euro. Mehr hatte ich nicht in bar. Dann musste sie sich eben auf dem Amt einen neuen Termin geben lassen. „Entschuldigen Sie sich aber vorher, nicht dass sie wieder gekürzt kriegen.“

      Am anderen Morgen stand sie mit einem Zettel da, den ich bitte faxen sollte. Hinterher käste sie mich voll, weil sie wieder die halbe Nacht nicht geschlafen hätte. „Dann dürfen Sie eben mal nachmittags nicht so lange. Vier Stunden ist zu viel. Da schläft kein Mensch noch acht nachts.“ Das ging links rein und rechts wieder raus. Jede Nacht halb zwei würde sie munterwerden. Und dann ginge sie eine rauchen. „Sie haben also auf die Uhr gesehen? Das ist der größte Fehler. Das Gehirn speichert das ab. Wir hatten nämlich einen Vortrag zum Thema Schlaf bei der Reha gehabt. … Wenn ich munter werde, trinke ich einen Schluck Wasser und drehe mich auf die andere Seite.“ „Fahren Sie in nächster Zeit in die Stadt?“ „Nein.“ Sie kniff die Lippen aufeinander. „Was brauchen Sie denn?“ „Ich dachte, dass Sie manchmal auf die Bank kommen. Sie holen doch immer mal Auszüge.“ „Frau Herfurth. Ich fahre doch nicht extra rein wegen so was. Da tut mir das Geld leid.“ „Vorn steht doch der Sparkassenautomat.“ „Ja. Das kostet fünf Euro.“ „Da kriegen Sie die eben von mir.“ Was so viel hieß, als dass sie Geld haben wollte. „Sie kommen so schon nicht klar und dann noch fünf Euro extra.“ Jetzt fing sie an, dass sie nichts mehr zu essen hätten. Und Sidney käme doch übers Wochenende. Mann. Ich hatte doch auch bloß einen begrenzten Wert zur Verfügung. Den Dispo hatte ich ausgeschlossen. „Wissen Sie, was das an Zinsen kostet, wenn ich mein Konto überziehe?“ Sie guckte nur, wie sie guckte. „Dann kommen Sie eben mit, wenn ich einkaufen gehe. Muss ich ihrs mit Karte bezahlen.“

      Sonntagmittag stand sie wie so ein armes Würstchen vor der Tür. Ihre Kinder würden Essensstreik machen. „Da wundern Sie sich noch. Immer ein und dasselbe. Reissuppe. … Wenn ich das schon höre.“ Sie hätte es beim Einkaufen nicht übertreiben wollen. „Frau Herfurth. Zum einen ist unten noch welche eingefroren. Und zum anderen, Linsen und Bauchspeck kosten auch nicht viel. Oder mal eine schöne Kartoffelsuppe. … Ich mach mal eine.“

      Mitte der Woche brachte sie mir das Geld vom Einkaufen. Es war abgezählt auf Heller und Pfennig. Fand ich auch schön. Sie hätte wenigstens mal fragen können, ob mein Konto noch im grünen Bereich gewesen war.

      Am Samstag hatte mein Mann Dienst. Ich kochte trotzdem. Das tat ich immer schon. Weil ich mittags was Warmes brauchte. Ich machte nur nicht so viel Ruß. Mir langten Kartoffeln mit Quark. Oder Butterbohnen. Heute war es eben Kartoffelsuppe.

      Halb eins hatte ich mit der obendrüber ausgemacht. Ich stieg mit dem Topf und einer kleinen Schüssel gewürfelter und gebratener Zwiebeln hoch. Tusnelda holte Teller aus ihrem Schrank und rief nach Sally. Ich tat beiden erst mal nicht so viel drauf. In die Mitte kam ein Löffel voll Zwiebeln. „Irgendwas muss rein. Und das ist die preiswerte Alternative. So haben wir das früher gegessen. Wenn Mutti keine Wiener gekriegt hatte.“ Es schien, beiden zu schmecken. Anders hatte ich das auch nicht erwartet. Wenn ich was konnte, dann war es kochen.

      Sally verschwand anschließend wieder in ihrem Zimmer. Vorher hätte ich es auch nicht angesprochen. „Und? Ist so eine Suppe teuer?“ „Nein.“, entgegnete Tusnelda. „Na also.“ „Schreiben Sie mir mal das Rezept auf.“ Die versaubeutelte den Zettel doch sowieso bloß. Das sagte ich auch auf den Kopf zu. „Nein. Den lege ich mit ins Kochbuch.“ „Also haben Sie eins. Und warum gucken Sie nicht rein?“ „Mache ich doch.“ „Dann weiß ich nicht, warum es nicht funktioniert.“ „Sally isst nicht gern Kartoffeln. Die isst lieber Reis.“ „Deswegen muss man doch nicht immer nur Reissuppe kochen. Machen Sie mal Reis mit Wurstgulasch.“ „Was will ich denn mit so einer großen Jagdwurst.“ „Also Frau Herfurth. Sie können doch die Hälfte einfrieren. Oder machen einen schönen Topf Soljanka von.“ „Das wäre auch mal was.“ „Sehen Sie.“ Und jetzt ging ich runter und machte eine gepflegte Mittagsruhe. Das wöllte sie auch tun. „Aber nicht wieder so lange.“, sprach ich. „Nein. … Wann gehen Sie denn Gassi?“ „Halb vier.“ „Stelle ich mir den Wecker.“ Ich war vielleicht begeistert.

      Die kam doch nie aus der Hüfte. Weil sie immer noch eine rauchen musste. Und aufs Klo. Und was anderes anziehen. „Menschenskinder.“ Das konnte sie lange gemacht haben. „Mit Ihnen gewinnt man auch keinen Krieg.“, sprach ich. Nach ein paar Metern merkte ich, dass sie eine Fahne hatte. Alles klar. Sie redete auch bloß Dünnschiss. Wieder im Haus angekommen, fragte sie, ob ich ein Bier für sie hätte. Ich gab ihr zweie. Damit sie mir heute Abend nicht noch mal auf den Beutel ging. Das tat sie unweigerlich mit ihrer lauten Musik. Keine Ahnung, was die wieder geritten hatte.

      Anderntags begegnete ich ihr im Hausflur. Ich wollte gerade rüber ins Büro. Und sie war von unten aus dem Keller gekommen. Weil sie einen Plastiknapf in der Hand hielt. Endlich brauchte sie mal ihre komische Reissuppe auf. Das wurde ja auch Zeit. Sie hatte einen ganz komischen Gesichtsausdruck. Dann war wieder Gott und die Welt schlecht. „Guten Tag.“ Ich bekam keine Antwort. Vielleicht sollte ich mal die Gefriertruhe zuschließen. Die vergaß anscheinend, was die alles an Gutem bei uns hatte.

      Ihre ehemalige Kollegin, die sie öfter mal besuchen kam, traf ich zufällig beim Gassi. Weil wir mal anders langgegangen waren. Unsere beiden Hunde mochten sich. Während die sich beschnüffelten, meinte Anja: „Das mit dem Sie finde ich albern. Ihr wohnt doch nun schon so lange in einem Haus.“ „Manchmal ist das besser. Frau Herfurth ist nämlich nicht ganz ohne.“ „Die hat ja auch schon einiges durch. Vor allem mit ihrem Dicken.“ „Vielleicht nicht ganz unberechtigt.“ Sie sah mich mit großen Augen an. „Na viel bringt sie nicht. Und an die Hand nehmen musst du sie auch ständig.“ „Die hat doch ihren Umzug auch allein geregelt bekommen.“ „Allein? Ich weiß gar nicht, wie oft ich mit in ihre alte Wohnung bin. Und gemessen und gemacht habe. Ich habe ihr erklärt, wie sie die Möbel für die Umzugsfirma beschriften soll. Damit das auch klargeht. Und Essen und Kaffee habe ich auch gemacht.“ Sie sah mich ganz entsetzt an. Nach kurzem Überlegen sagte sie: „Es hat doch aber jeder Mensch eine zweite Chance verdient.“ „Wie viel denn nun noch?“ „Trotzdem finde ich das albern mit dem Sie.“ „Das ist auch mit zu ihrem Schutz. Die macht so viel Mist. Wenn wir per du wären, wäre ich manchmal nicht mehr so höflich.“ Anja guckte ganz entsetzt. Am liebsten hätte ich ihr noch was anderes erzählt. Die Frau meinte es immer gut. Wenn sie Tusnelda besuchte, brachte sie Kuchen und Süßes mit. Was grundsätzlich bei mir landete. Weil es keiner essen würde. Eigentlich war es schade ums Geld.

      Obendrüber war eine heillose Ruhe. Bloß einmal schepperte es ganz laut. Dann hatte es die vielleicht hin geledert. Von mir aus konnte sie sich die Rübe aufschlagen. Die war doch eh nicht mehr glatt in ihrem Oberstübchen.

      Nach einer Woche trafen wir uns im Hausflur. Sie war wie umgewandelt. Als wäre nie was gewesen. Sie grüßte, setzte sich auf die Treppe und streichelte unseren Hund. Nebenbei erzählte sie mir, dass Sidney über Ostern heimkommen würde. „Na ist doch schön.“ Sie meinte, sie würde uns zum Essen einladen. Ich hätte ja schließlich auch schon genug für sie getan. „Danke, aber Rico hat Dienst.“ „Dann kommen Sie wenigstens.“ Darauf war ich ja ganz erpicht. Wahrscheinlich bekam ich hunderttausend