Kathy B.

Tusnelda


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für die Fußbodenheizung lag. Na super. Ich klingelte bei der neuen Mieterin. In der Hoffnung, ihr Freund war zugegen. Und anschließend bei Tusnelda. Sie halfen alle mit. Beim Auslegen und Reintragen.

      Anschließend machte ich was zu Essen. Es gab auch was zu Trinken. Wir waren eigentlich eine lustige Runde. Zweiundzwanzig Uhr verabschiedete sich das Pärchen. Tusnelda hielt es nicht für nötig. Sie kaute mir ein Ohr nach dem anderem ab. Ich konnte ihr Gejammer nicht mehr hören. Viertel zwölf schickte ich sie hoch.

      Ich war so was von müde am anderen Morgen. Dass ich Rico zum Frühstück einredete, um acht einen Termin bei unserer Fußpflegerin zu haben. Was eine jahrelange Bekannte von ihm war. Da er eh noch was zu klären hatte, fuhr er mich hin. „Heute in Begleitung. Wollt wohl anschließend noch wohin?“, sprach Edith. „Ich habe doch jetzt einen Termin bei dir.“ „Du wirst auch alt. … Kannst du froh sein, dass jemand abgesagt hat.“

      Den anderen Tag spielte Tusnelda verrückt. Sie hatte wieder irgendwelche Schlager laut aufgedreht. Nachdem sich die junge Mutter von nebenan den Wolf geklingelt hatte, kam sie zu mir. Ich konnte auch nicht mehr als läuten. Nach einer ganzen Weile öffnete sich die Tür. Ich musste sie anbrüllen, damit sie die Musik leiser stellte. Dann stand sie vor uns wie eine Bogenlampe. Die Augen auf null. Sie war gar nicht aufnahmefähig für das, was ihr Ileen sagte. Jetzt reichte es mir. „Also Frau Herfurth. Es hört ja jeder Mal was laut. Aber nicht so. Und vor allem nicht so lange. Sie wissen, dass nebenan ein Baby wohnt. Dann setzen Sie sich gefälligst Kopfhörer auf.“ Plötzlich fing die an, zu schimpfen. Aber wie. Ileen verschwand gleich. Ich versuchte, Tusnelda von ihrem Trapez runter zu kriegen. Es war mir nicht möglich. Gott und die Welt waren schlecht.

      An dem Abend stand sie geschlagene fünf Mal auf der Matte. Anfangs, um sich über Ileen zu beschweren. Die nicht die Treppe wischen würde. Und ständig irgendwelchen Müll vor der Türe zu stehen hätte. Später war ich dann Mode. Was sie nicht alles für mich und fürs Haus getan hätte. Ich war drauf und dran, die Knarre zu nehmen.

      Am nächsten Vormittag kam sie mit einem Brief vom Jobcenter an. Worin stand, dass sie am 16.01. für den 29.01. einen Termin vereinbart hätte. „Na ja und? Das ist nur die Bestätigung.“ Sie meinte, sie hätte überhaupt nichts ausgemacht. „Umsonst kriegen Sie doch nicht den Brief. Die schneiden es sich doch nicht aus den Rippen.“ „Das waren die dort drüben.“ Damit meinte sie das junge Pärchen bei ihr gegenüber. „Die wollen mir eins reindrehen.“, schwafelte sie weiter. „Wie sollen denn die das machen? Die kennen doch überhaupt nicht Ihre BG-Nummer. Und mit dem Namen kann keiner was auf dem Amt anfangen.“ „Doch.“ Dann musste sie das eben glauben. Ich hatte keinen Bock mehr, wünschte ihr einen schönen Tag und schloss die Tür.

      Kurz drauf war ein Krach oben drüber. Die schien, auf dem Boden herumzuspringen und noch mit irgendwelchem Zeug auf die Fliesen zu schlagen. Ich stand kurz vorm Herzkasper. Wäre ich hochgegangen, hätte sie eine in die Fresse gekriegt. Die Frau war doch nicht mehr tragbar. Ich hatte ihr überhaupt nichts getan. Im Gegenteil. Was hatte ich alles versucht, damit dass sie ihr Leben wieder in die Reihe kriegte.

      Plötzlich klingelte es. Ich dachte zuerst an das junge Pärchen. Bloß was sollte ich denn da machen? Natürlich lief ich an die Tür. Es war Tusnelda. Sie erzählte mir von ihrem Schwager. Der wöllte was von ihr. „So guten Sex wie mein Mann bringt sowieso keiner. Ich musste ganz schön ran.“ Was mich auch ungemein interessierte. Und die ganze Mimik und Gestik noch dazu. Normalerweise machte man sich doch die Zähne rein, bevor man zu Leuten ging. Und speziell in ihrem Fall hätte sie sich vorher auch mal rasieren können. Einfach abartig. Ich hörte nur zu und nickte. Insgeheim dachte ich, sie sollte machen, dass sie Land gewann.

      Anderntags ward sie auch nicht gesehen. Alles klar. Wenn ich gewusst hätte, dass sie unter Depressionen leidet, hätte ich sie nicht als Mieter genommen. Aber nun hatte ich sie einmal an der Backe. Ich wünschte mir nur eins, dass ihr Depri recht lange anhielt. Weil sie dann nämlich nur antriebslos herumlag. Na ja. Ich hatte eh bald eine Woche Ruhe vor der. Weil ich mich nämlich bei Leuten fürs Hundesitting gemeldet hatte. Damit sie in den Urlaub konnten.

      In der Woche ging alles schief, was nur schiefgehen konnte. Erst brach sich die Zuchthündin beim Herumtoben das Genick. Dann fiel die Heizung aus. Die Welpen musste ich an Nassfutter gewöhnen, weil deren Mutter kaum noch Milch hatte. Ich wollte eigentlich nur mal eine Nacht schlafen können. Aber mit dem alten Korkenzieher bekam ich das Ding nicht aus dieser Rotweinflasche. Und so nahm ich wie zu Jugendzeiten ein Messer. Das Ende vom Lied waren rote Flecken an der Decke und der Wand. Was ich dank einer Freundin und ihrer mitgebrachten Isolierfarbe beheben konnte.

      Ich hoffte nur eins, wie ich heimkam, dass mir Tusnelda nicht gleich auf den Sack ging. So war es doch meistens. Kaum da, brachte es die angedreht. Als ob es oben ein Signal geben würde. Aber diesmal hatte ich Gott sei Dank meine Ruhe.

      Ja. Für genau zwei Tage. Dann sprang jemand abwechselnd von irgendwo herunter und rannte hin und her. Wie so ein Gaskranker. Es knallte und krachte bis dreiundzwanzig Uhr.

      Am nächsten Morgen begegnete ich meiner lieben Obermieterin im Hausflur. Sie erzählte mir, dass sie gestern ihre Enkelin dagehabt hätte. Das Kind ihrer großen Tochter, die schon etwas älter war und bereits eine eigene Wohnung besaß. „Es hat Sie doch hoffentlich nicht weiter gestört?“ „Sie hätten gern mal runterkommen können und sich das anhören.“, entgegnete ich. „Die springt und rennt nun mal so gern.“ „Aber doch nicht in einer Wohnung. Und schon gar nicht bis um elf. Ein kleines Kind hat um sieben im Bett zu liegen. Also Frau Herfurth. Sie waren früher mal Erzieherin gewesen. Was hat man denn Ihnen beigebracht? Sie werden sich wohl mit einem Kind beschäftigen können. Und Sie dürften das besser wissen als ich, dass man einem Kind Grenzen setzen muss. Es gibt Regeln im Leben. Und was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. … Wie sieht es denn überhaupt mit Frühjahrsputz aus?“ „Mache ich schon noch.“ „Aber auch mal das Küchenfenster von außen mit.“ Da war nämlich so ein richtig gelber Streifen.

      Drei Tage später erzählte sie mir, dass sie abends die Küche geputzt hätte. „Ich habe mich auch gefragt. Na ob sie es denn gehört hat?“ Da konntest du doch glatt ausholen. „Natürlich. Sie haben doch den Tisch in einer Tour hin- und hergezogen.“ Und das war nun mal kein Küchentisch. Weil sie gar keinen in ihrer früheren Wohnung hatte stellen können. Aber einen schweren Esstisch hatte sie gehabt, den sie in eine Ecke unters Fenster geknietscht hatte. Na klar hatte sie den nicht einfach so wegschieben können. Was man eigentlich auch nicht immer brauchte. Oder wenn, hätte man sich Filz drunter gemacht. Aber dazu war die Frau ja zu blöd. „Hab zu tun.“, sprach ich.

      Jetzt lief ich schon in meinem eigenen Haus mit Ohrstöpsel rum. Die oben drüber hatte wieder eine Macke. Lauter ging die Musik echt nicht. Konnte die sich manchmal vorstellen, dass nicht jeder unbedingt ein Schlagerfan war? Also mit der, da wurde ich noch mal blöd.

      Zwei Tage später bekam ich sie, zu greifen. „Muss das sein?“ „Was denn?“ „Na Ihre laute Musik. Nebenan wohnt ein Baby. Und unter Ihnen ich. Ich drehe auch mal was auf. Wenn mein Lieblingstitel im Radio kommt. Das sind drei Minuten. Bei Ihnen geht das zwölf Stunden am Stück. Das muss Ihnen doch selber auf den Keks gehen.“ „Nee.“ Ich zeigte ihr einen Vogel. „Das haben Sie im Suff gar nicht mehr mitgekriegt. Sie lagen hinten in Ihrem Bett und vorn spielte die Musik. Müsste ich mal mit Ihnen machen.“ Daraufhin ließ sie sich erst mal nicht mehr sehen. Es war eine richtige Wohltat.

      Hätte es nicht für immer so sein können? Leider nicht. Irgendwann stand der Trollo heulend vor der Tür. „Na kommen Sie erst mal rein. Muss ja nicht jeder hören.“ Timmy, der Seelentröster, kam angewackelt. Sie kniete sich auf den Boden und knuddelte ihn erst mal. In der Zeit setzte ich einen Kaffee auf. Dann stopfte ich uns jedem eine Zigarette und fragte, was los sei. Ihr würde der Dicke fehlen. Na ja, klar. Weil sie nichts brachte. Und mit Geld konnte sie gleich gar nicht umgehen. „Frau Herfurth. Sie stopfen doch nun schon. Da müssten Sie doch eigentlich was sparen.“ Sie wüsste auch nicht, was sie verkehrt machen würde. „Das kann ich Ihnen sagen. Sie gehen einkaufen und gucken, was es gibt. Und das jeden Tag. Machen Sie sich doch mal einen Zettel.“ „Mache ich ja auch.“ „Ja für den Tag. Und dann gucken Sie trotzdem noch, was es Schönes gibt. … Ich gehe im Gedanken durch,