Kathy B.

Tusnelda


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ich könnte das doch mal in den Rechner tippen und dann aushängen. „Aber nicht heute.“ Schließlich hatten wir Weihnachten. Sie hätte auch keins, meinte sie. Ach, nein. Hatte sie mal drüber nachgedacht, dass ich an Heiligabend allein dagehockt hatte. Mein Mann war nämlich arbeiten gewesen. Wie auch heute. Sie hatte zumindest ihre Kinder. Und sie hatte ein Spiel von uns geschenkt gekriegt. Das hätten sie auch gemacht, meinte sie. Und es wäre lustig gewesen. „Na also.“ Dann konnte sie mir doch wenigstens meine Weihnachtsfilme gönnen. Der eine, den ich gerne gucken wollte, lief nämlich schon. „Bin auch gleich wieder verschwunden.“ Am liebsten hätte ich ihr einen Arschtritt verpasst, damit es bisschen schneller ging.

      Ich bereute es mörderisch, Rico vom Grillen überzeugt zu haben. Bloß, weil wir das in meiner Heimat immer einmal im Winter getan hatten. Und ich das als schön empfunden hatte. So mit Glühwein und Rostbratwürsten. Ich hatte ihm einfach ein bisschen was Schönes bieten wollen an seinem einzigen freien Tag. Aber nicht mit der da oben. Das war seine Idee gewesen.

      Es ging so halbwegs. Weil sie nicht besoffen war. Und, weil ihr Sohn sich sehr höflich ausdrückte. Aber das interessierte meinen Mann wahrscheinlich eher weniger. Er wartete nur darauf, dass seine Steaks fertig wurden. „Fleisch.“, sprach er mit leuchtenden Augen.

      Bis Silvester herrschte halbwegs Ruhe. Außer, dass Tusnelda halb zwölf zum Anstoßen runterkam. Weil sie wusste, dass Rico Dienst hatte. Ich sah das eigentlich nicht so eng. Andere mussten auch arbeiten. Außerdem kamen geile Lieder in der Chartshow. Die ganze Zeit hatte ich getanzt. Ich dachte, sie macht mal bisschen mit. Nichts war. Sie saß auf dem Küchenstuhl und zog eine Flappe. Da hätte sie auch oben bleiben können. „Ist denn los?“ Ohne ihren Dicken hätte das Leben keinen Sinn. Was sollte denn der Kack? „Hatten Sie mir nicht gesagt, er hätte Sie geschlagen?“ „Ja, schon.“ „Wissen Sie, was Ihnen fehlt?“ Sie guckte ganz erschrocken. Das ließen wir mal lieber. Aber manche Frauen brauchte das echt. Sonst klappte nichts. „Sie hatten mir auch noch was anderes gesagt. Und zwar, dass er sich um alles gekümmert hätte. … Und genau das ist Ihr Problem. Jetzt ist keiner mehr da, der es macht. Sie haben sich alles aus der Hand nehmen lassen. Da müsste mir was fehlen. Klar, ist es schön bequem. … Hoch hier.“ „Ja doch.“ Wegen mir brauchte sie sich das Feuerwerk auch nicht anzugucken.

      Wen hatten wir den dort? Auf der anderen Straßenseite ein Stückchen hin stand Abby. Als Engel verkleidet mit Riesen Flügeln. Die gefiel mir. Einfach, weil sie anders war. Aber immer nett. „Wir gehen mal hin.“, sprach ich zu Tusnelda. „Möchte ich mir aber was draufziehen.“ Das musste ich vielleicht auch. Sie sollte sich beeilen.

      Ihrer Freundin, die nebendran stand, auch mit so einem Kostüm, schien das etwas peinlich zu sein. Ich fand es geil. Tusnelda und ich bekamen auch gleich noch ein Glas Sekt. „Wie sind denn die Wohnungen bei Euch drüben?“, fragte Abby „Guck sie dir doch an.“ „Ich gehe mal kurz mit rüber.“, sprach sie zu ihrer Freundin. Paar Meter weiter sagte ich: „Hättest du doch mitnehmen können.“ „Ach.“ Sie wäre eine Spaßbremse. Und außerdem würde sie eh gleich mit ihrem Mann ins Bett gehen. Bis um zwei war sie da. Dass die keiner vermisst hat. Unklar.

      In der Woche drauf fing ich mit dem Treppengeländer an. Irgendwie musste ja auch mal was im Hausflur werden. Und streichen war eine schöne Arbeit. Zumindest strengte sie nicht an. Aber zuvor kam das Schleifen. Und das war was, was ich nicht so gut konnte. Zumindest nicht all zu lange.

      Kaum, dass ich auf dem Arsch saß, um mich ein wenig auszuruhen, klingelte Tusnelda. Sie wollte unbedingt mitmachen. Was fürs Haus war, da bekam man ja auch paar Pfennige für. „Dann kommen Sie mal mit.“ Ich zeigte auf das, was ich bisher gemacht hatte. „Sie müssen nicht die ganzen Schichten runternehmen. Nur das, was lose ist.“ Schleifpapier lag genug herum. Und jetzt ging ich erst mal mit dem Hund raus.

      Wie ich zurückkam, sagte sie: „Das ist ja eine Sisyphusarbeit. Man kommt gar nicht richtig in die Rillen.“ Ich holte tief Luft, bevor ich ansetzte. „Was hatte ich gesagt? … Das lose runter. Und wenn nichts lose ist, halt nur bisschen anrauen. Wird eh wieder gestrichen.“ „Ach so.“ Als ob ich das nicht gesagt hätte. „Ich mache gleich mit.“ Timmy musste nur erst mal sein Geschirr abkriegen und ich mich umziehen.

      Normalerweise wollte ich das nicht tun. Weil ich meine Grenzen kannte. Aber die Frau konnte man ja nicht allein lassen. Ich erklärte es ihr noch mal. Sie meinte: „Wir rauchen erst mal eine.“ Das konnte ich für den Tod nicht leiden. Jetzt wurde gearbeitet. Es war doch bloß für eine Stunde. Oder nicht mal ganz. Heute war nicht mein Tag. Sie musste sich eben trotzdem zwischendrin eine anbrennen. Dann sah sie mir zu. Da meinte man doch, dass sie es gecheckt haben müsste. Es war nicht an dem. „Frau Herfurth. Gucken Sie. … So.“ „Das geht aber so schwer.“ „Mein Gott.“ Ich hatte nur die halbe Kraft und bekam es auch hin. „Die hat doch einen gesoffen.“, dachte ich. „Frau Herfurth, lassen Sie es gut sein. Ich hole die Schleifmaschine.“

      Anschließend erklärte ich ihr, wie sie damit umzugehen hatte. Aber das konnte sie nur oben auf dem Geländer. Bei den geschnörkelten Verstrebungen musste sie schon Papier und die Hände nehmen. Anders ging es nicht. Jetzt hatte ich aber bloß so ein Verlängerungskabel. Eine Kabelrolle war nicht zu finden gewesen. Die musste Rico alle mithaben. „Dann müssen Sie es bei sich einstöpseln. … Aber nicht länger, wie eine Stunde. Außer Ileen ist nicht da.“, sprach ich. Bisschen Rücksicht mussten wir schon nehmen.

      Anderntags, wie ich mittags vom Doc kam, hörte ich es schon an der Haustür. Ich lief nach oben. Sie hockte am Geländer. Keine Ahnung, wann sie angefangen hatte. Aber weit war sie nicht gekommen. „Frau Herfurth. Ich hatte Ihnen doch schon gestern gesagt, dass Sie es nicht bis aufs Holz runterschleifen müssen. Es wird nicht gebeizt, sondern lackiert. … Wann haben Sie denn angefangen?“ Sie rannte in ihre Küche an die Uhr. Wie sie zurückkam, meinte sie: „Vor einer anderthalb Stunde.“ Da hatte ich ja in einer halben mehr geschafft. Vor allem Sinnvolles. Und das erzählte ich ihr auch. Ich bezahlte sie doch nicht für Schnullikack. Das verstand sie nicht. „Frau Herfurth. Angenommen Sie holen sich einen Maler heim, der Ihnen die Küche weisen soll. Sie haben einen Weg, kommen zurück und der hat neu tapeziert. Würden Sie dem das bezahlen?“ „Nein.“ „Na also. … Machen Sie doch einfach, was Ihnen gesagt wird. Das ist doch auf Arbeit auch nichts anderes. Sie hatten doch mal einen Job. Und? Konnten Sie dort machen, was Sie wollten?“ Daraufhin verschwand sie. Und mit was für einer Schnauze. Ich dachte: „Jetzt schiebt sie bestimmt wieder einen Depri.“

      Weit gefehlt. Am nächsten Tag bimmelte sie. Aber nicht, um mir zu helfen. Sondern, weil sie Scheiß Post gekriegt hatte. Die bekamen wir zur Genüge. Mein Mann mit seinen zwei Firmen und ich wegen dem Haus. „Na und. Wenn ich deshalb jedes Mal am Rad drehen würde, wäre ich schon in der Klapsmühle oder hätte ich mich aufgehängt. … Nützt doch nun mal alles nichts. Machen Sie es doch so. Wenn Sie einen schlechten Tag haben, lassen Sie den Brief erst mal zu. Sie haben doch eh immer eine Frist. Und dann nehmen Sie sich den am nächsten Morgen zur Hand. Nicht abends. Können Sie nicht schlafen. Zumindest ich mache das so. … Jedenfalls. … Was wollte ich gleich sagen? Man speichert den Inhalt erst mal ab. Dann macht man sich systematisch einen Plan. Und wenn der Kopf zu ist, macht man erst mal so was wie eben das Abschleifen. Ich freue mich, wenn ich was geschafft habe. Das stößt Glückshormone aus und schon funktioniert der Rest.“ Sie sah mich ganz ungläubig an. Ich erklärte ihr, dass der Mensch eine Aufgabe und ein Ziel bräuchte. „Man kann doch nicht in den Tag hineinleben. Also mir wäre das nichts.“ Sie stieg wortlos die Treppe hinauf. Ich glaubte nicht, dass sie es begriffen hatte.

      Am anderen Tag stand wieder ein Termin an. Wie ich zurückkam, zeigte sie mir stolz das Geländer von einer halben Treppe. Und wieder war es oben drauf bis zum Holz runtergeschliffen. Also mit der Frau bekam ich noch mal die Motten. „Was habe Ihnen gesagt?“ Daraufhin fiel die Kinnlade und sie ging. „Kann ich es auch nicht ändern.“, dachte ich.

      Tags drauf kam ich endlich mal wieder zum Schreiben. Das war nun mal mein kleines Hobby. Und es tat mir auch gut, mal einfach nichts Körperliches zu machen. Aber irgendeiner versaute es einem immer. Erst war es Steffen. Ein jahrelanger Bekannter meines Mannes. Aber da konnte ich nicht mal was sagen. Er war früh mit einem Kumpel in Ricos Zweigstelle gefahren, um Zeug abzuholen. Und das Ganze kam erst mal in den Hausflur.