Kathy B.

Tusnelda


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doch keiner gesagt, dass Sie alles mit einmal kaufen müssen. Sie sollen sich aber an den Zettel halten. Und nicht gucken, was könnte ich denn gleich mal?“ „Mache ich überhaupt nicht.“ „Hören Sie doch auf. Dann würden Sie ja mit dem Geld klarkommen. … Mehr wie hundert verbraucht man nicht in der Woche. Und das ist schon hochgegriffen. Also wir haben um die sechzig. Und da ist auch mein Tabak mit drin.“

      Sie kam noch dreimal. Wegen dem fürs Frühstück. Ich sagte ihr, sie sollte morgen weitermachen. Und hoffentlich belästigte sie mich heute nicht mehr?

      Beim Abendbrot erzählte ich Rico, dass ich mal wieder eine Auszeit bräuchte. „Haust du ab.“ Damit meinte er in unsere Ferienwohnung. „Und Timmy?“ „Ach. Mach dir da mal keine Gedanken. Notfalls nehme ich ihn mit.“ Er liebte ja die Nachtschichten mit Vati. Und mein Mann mochte es umgedreht auch. Weil unser Hund aufpasste wie Sau. Und da konnte Rico auch mal fünf Minuten die Augen schließen. Bloß nicht nach drei. Da wollte Junior grundsätzlich ins Bett. „Überlege ich mir.“, sprach ich.

      Tags drauf war alles klar. Ich hatte der nun oft genug gesagt, soll mal ins Kochbuch gucken. Die Frau war ja nicht tragbar. Die gehörte in betreutes Wohnen. Eigentlich in die Klapsmühle. Hier musste ich raus. Ich googelte nach einer Verbindung und fing an, meine Tasche zu packen.

      Wie sie anderntags kam, schnitt ich ihr das Wort ab. Sie hatte eine Dreiraumwohnung und bekam nur für zwei Personen das Geld vom Amt. Beziehungsweise wir. „Wann klären Sie das denn nun mal endlich? Ihr Sohn braucht ein eigenes Zimmer. Irgendwann kommt er ja schließlich für immer. … Sie müssen doch mal einen Leistungsbescheid gekriegt haben.“

      Daraufhin rannte sie nach oben und kam mit einem Pamphlet zurück. Alles durcheinander. Die bestimmte Seite war natürlich nicht dabei. „Warum ist denn das nicht ordentlich abgeheftet?“ „Weil ich das Donnerstag brauche.“ „Ach, nee.“ Schlampe. Dann wollte sie mir wieder die ganzen Jobcentersachen erzählen. „Frau Herfurth. Ich will heute auch noch mal fertigwerden.“ „Und nun?“ „Können wir es doch eh nicht mehr ändern. Kriegen Sie eben eine Nachzahlung in der Betriebskostenabrechnung.“ „Und wovon soll ich das bezahlen?“ „Das übernimmt doch das Amt. Und Sie klären mal bitte, dass das monatlich in der richtigen Höhe kommt.“

      Um zwei war ein Krach oben. Als ob einer Möbel rücken würde. Ich hatte mich erst halb zwei hingelegt. Eigentlich schlief ich immer eine Stunde. Weil das meine Muskeln brauchten. Das war es dann mal wieder. Ich stand genervt auf. Während der Kaffee lief, machte ich mich frisch. So richtig munter wurde ich von beidem nicht. Aber vielleicht an der frischen Luft. „Na komm. Gehen wir Gassi.“

      Wieder zurück, leinte ich Timmy im Hausflur ab. Nach hinten zum Hof stand die Tür offen. Mein Hund startete natürlich durch. Ich eilte ihm hinterher. Tusnelda kehrte auf Rollerblades den Hof. Hilfe. Ich konnte gar nicht hingucken. „Frau Herfurth. Lassen Sie den Scheiß. Sie sind doch überhaupt nicht fit.“ „Wieso denn? Ich habe es doch in der Wohnung ausprobiert.“ Jetzt war mir einiges klar. „Aber doch nicht auf dem Laminat.“ „Ist nichts passiert.“ „Wissen Sie, was das für ein Krach gewesen ist?“ „Das hätte ich nicht gedacht.“ „Mit den Rollen auf dem Laminat, das hört man gar nicht.“ „Ich musste es doch aber mal ausprobieren.“ „Wo haben Sie denn die überhaupt her?“ „Das sind Sally ihre. Die lagen auf dem Boden.“ „Ziehen Sie die Dinger aus.“ „Wieso denn?“ „Dazu muss man bisschen geübt sein. Und überhaupt auch sportlich wegen der Balance. Vom Rauchen und Biertrinken hat man die nicht. … Ach.“ Ich drehte mich um und lief nach oben.

      Kurz drauf klingelte es. Sie stand jammernd vor mir und hielt sich die rechte Hand. „Hätten Sie mal eine Binde?“ Ich sah gleich, dass da was gebrochen war. „Die nützt Ihnen auch bloß nichts.“ „Ich soll mich ja bewegen. Haben Sie doch auch gesagt.“ Dafür hätte ich ihr eine klatschen können. Ich gab ihr die Binde, obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn machte.

      Wie Rico kam, erzählte ich ihm davon. Er lief hoch gucken. Anschließend erklärte er mir, dass das gebrochen wäre. „Habe ich mir schon gedacht. … Und nun?“, sprach ich. „Fahre ich sie in die Notaufnahme. … Du gehst hoch und hilfst ihr anziehen.“

      Das war vielleicht ein Akt. Weil sie erst mal noch eine rauchen musste. Und ehe sie mal geregelt bekam, mit welchem Bein sie in die Hose steigen soll. Warum half eigentlich Sally nicht? Das sagte ja wohl alles. Ich hatte es vielleicht satt. Von unterhalb der Treppe rief mein Mann. Der hatte die Zeit nun auch nicht gepachtet. „Ja doch.“

      Geschlagene vier Stunden waren die beiden weg. Ich hörte das Auto kommen und wartete an der Wohnungstür. Sie kam jammernd die Treppe hoch. „Sie tun mir überhaupt nicht leid. Ihnen müsste man den Arsch versohlen.“ Und damit ließ ich sie abtraben. Wer mir leid tat, war mein Mann. Der hatte nun weiß Gott genug um die Ohren. „In der Zeit hättest du einiges im Büro erledigen können.“, sprach ich. „Was sollte ich denn machen?“

      Wie wir dann in der Küche saßen, sagte ich: „Ist doch nicht die einzige Alleinstehende. Wie machen denn das die anderen in so einem Fall?“ „Den Krankenwagen rufen. … Habe ich nicht dran gedacht.“ Na ja. Das war halt in der Aufregung passiert. Er meinte nur, ich sollte ihm einen Gefallen tun. „Egal, was es ist. Der hilfst du nicht. Soll sie sehen, wie sie klarkommt. Sie hat ja eine große Tochter.“ „Ja.“ „Na. Ich kenne dich.“ „Nein.“ „Sollte ich dich einmal oben erwischen, gibt es Ärger.“ „Ja.“ „Na!“ „Wirklich.“ Ich hatte so schon genug mit mir zu tun. Und der Infekt hing mir auch noch an.

      Anderntags klingelte sie. Dort hagelte es erst mal einen Anschiss für die Unvernunft. Sie lachte noch. „Da gibt es nichts zu lachen. Sie sind ja schlimmer wie ein kleines Kind. Das haben Sie mit Absicht gemacht.“ Daraufhin guckte sie blöd. „Na klar. Sie hätten heute im SFC anfangen müssen.“ Auf den Nebenjob hatte ich sie nämlich aufmerksam gemacht. Weil sie ja keinen Generalanzeiger las. „Ich will gar nichts hören.“, sprach ich noch. Und dann schloss ich die Tür. Es dauerte nicht lange und sie stand wieder auf der Matte. Insgesamt war es bestimmt zehn Mal an den Tag.

      Am nächsten Tag hätte sie einen Termin beim Jobcenter gehabt. Ich speicherte nämlich alles ab. Mir war es aber früh zu ruhig oben drüber. „Na. … Da wird sie wohl wieder abgesagt haben.“

      Nachmittags lief sie mir übern Weg. Ich fragte sie, ob sie gewesen wäre. Natürlich nicht. Wegen der Gips Hand. Das war ein Grund, aber kein Hindernis. Sie fragte, warum ich nicht mal mit Timmy hochkäme. Wo sie doch solche Schmerzen hätte. „Da fragt mich auch keiner. … Eins ist Phase, Ihre Tochter ist faul. Ihre Erziehung.“ „Kann ich denn wenigstens Timmy kriegen? Zum Trösten.“ „Wenn er will.“ Er wollte. Weil er dort ja stundenlang auf dem Sofa den Bauch gegrault bekam. Und auch lauter Essen, was ihm eigentlich nicht gut tat. Da er eh schon die Treppe hochgerannt war, sagte ich nur: „Keine Hühnerhaut.“ Weil sie in letzter Zeit gern Hühnersuppe mit Reis kochte. „Davon kriegt er Durchfall. … Und keine Knochen.“ „Ja.“

      Rico passte das nicht. „Hast du dich wieder breitschlagen lassen?“ „Ja.“ „Aber morgen früh kommt er mir runter.“ „Hat sie doch gesagt.“ „Und abends gibt es nichts. Den Zahn kannst du ihr gleich ziehen.“

      Nur leider kam niemand. Ich lief nach oben und klingelte Sturm. Es tat sich nichts. Weil sie anscheinend hinten im Bett lagen und sämtliche Türen zuhatten. Bloß Mensch. Der Kerl musste doch mal.

      Ich machte mich den ganzen Vormittag verrückt. Gegen Mittag öffneten sie mir beide. Ich bückte mich zu meinem Jungen runter. Sie erklärte mir, dass sie früh draußen gewesen wären. Nachdem Sally in die Schule gefahren wäre. Sie hätten sich bloß noch mal hingelegt. Gut. Ein Hund schlief vormittags. Und das noch lieber im Bett. War ja klar. Trotzdem war ich froh, dass ich ihn wieder hatte. „Sidney hat meine ganzen Piefchen aufgeraucht. Der weiß doch, dass ich nicht stopfen kann.“, sprach sie. „Ach. Ist er da?“ „Na ja. … Darf er zwar nicht außer der Reihe. Aber die haben heute keine Schule.“ „Dann wecken Sie ihn eben. Was muss denn der auch noch um die Uhrzeit im Nest liegen?“

      Es war unbeschreiblich, wie ich in dem Zug nach Emden saß. Zwei Wochen mal keine Tusnelda. Als Erstes kurierte ich meine Grippe aus. Mit viel