Andreas Engelbrech

Am Ende


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gehen derzeit einigen vielversprechenden Hinweisen hinterher. Es ist möglich, dass hinter den Anschlägen Spekulanten stehen, die aus der Verknappung von Werken verschiedener Künstler Kapital schlagen wollen.“

      „Gibt es ein Bekennerschreiben?“

      „Nein.“

      „Gibt es Hinweise auf weitere Anschläge?“

      „Weitere Anschläge sind nicht auszuschließen!“

      „Warum wurden die Täter noch nicht gefasst? Paris und Amsterdam sind doch weltweit einige der bestüberwachtesten Städte überhaupt.“

      „Die Flucht der Täter war sehr präzise und mit hoher Sachkenntnis geplant. Das lässt den Schluss zu, dass eine hochkriminelle und finanzkräftige Organisation dahintersteckt.“

      „Stimmt es, dass die Verletzten im Louvre auf Fehler der Polizei zurückzuführen sind?“

      „Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage. Die Täter haben das Risiko für die Besucher durchaus in Kauf genommen. Eine frühzeitigere Evakuierung, wie von bestimmten Medien für möglich gehalten, wäre nicht möglich gewesen!“

      „Wann werden die Menschen wieder in die Museen gehen dürfen?“

      „Derzeit werden die Sicherheitseinrichtungen aller Museen überprüft und auf den neuesten Stand der Technik und der Erkenntnisse gebracht. Sorge macht uns vor allem der menschliche Aspekt. In Amsterdam beging ein absolut zuverlässiger Wachmann mit besten Referenzen den Vertrauensbruch. In Paris missbrauchte eine den Sicherheitskräften bestens bekannte und beliebte Altenpflegerin das Vertrauen und die Gutmütigkeit des Sicherheitspersonals.“

      Die abschließenden Worte fand der Pariser Polizeichef: „Meine Damen und Herren. Ich darf Ihnen versichern, dass die Pariser Polizei wie selbstverständlich die Sicherheitskräfte in Europa und anderen Teilen der Welt mit hohem Aufwand an Personal und Knowhow an der Aufklärung der Verbrechen arbeitet. Es wird alles unternommen, um so schnell wie möglich die Museen für die Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Was im Louvre genauso wie in Amsterdam geschehen ist, stellt mehr als die Zerstörung von Kunstwerken dar. Es ist ein Verbrechen an der ganzen Menschheit. Es ist die barbarische Tat von Verrückten, denen es um die Befriedigung niedriger Motive geht. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass dadurch Einzigartiges, Unwiederbringliches zerstört wird. Wie erklären wir unseren Kindern, warum sie das Bild der Mona Lisa nicht mehr betrachten können?“

      Zwei Tage später gab das Guggenheim-Museum im Bilbao als eines der ersten Museen weltweit nicht ohne Stolz bekannt, dass es zusammen mit seiner neuen Sonderausstellung wieder eröffnen würde. Das Ereignis sollte in einem besonderen Rahmen stattfinden. Mit einer Vernissage am Vorabend, zu der sich eine Vielzahl von Prominenten aus ganz Europa angemeldet hatten.

      Das Ereignis kam einer Oscar-Verleihung gleich. Die Ankunft der Prominenten, die vor den Haupteingang des Museums fuhren, im Blitzlichtgewitter aus ihren Limousinen stiegen und den Roten Teppich entlang ins Museum schritten, wurde sogar live übertragen. Alles was Rang und Namen hatte, und irgendwie mit Kunst zu tun hatte oder die Publicity brauchte, musste demonstrativ die Wichtigkeit der Kunst für die Menschheit unter Beweis stellen. Kulturexperten sprachen davon, dass das Schaffen von Kunstwerken eine Besonderheit des Menschen sei und ihn dadurch vom Tier unterscheide. Die Zerstörung von Kunst wurde als barbarisch und nicht-menschlich verurteilt. Vielerorts wurde an die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten in Deutschland, an die Killing Fields der Roten Khmer in Kambodscha, die Kulturrevolution in China erinnert.

      Die ausstellenden Künstler selbst erfreuten sich einer Aufmerksamkeit, wie sie sonst nur Filmstars mit Rekordgagen und Königskinder bei Märchenhochzeiten erhielten.

      „Herr Jensen-Mendez. Die Nachricht von Ihrer schweren Erkrankung hat nicht nur die Kunstwelt sehr betroffen gemacht. Weltweit wird Anteil an Ihrem Leid genommen. Gleichzeitig gibt es aber auch kritische Stimmen, die ihr angekündigtes Ende als einen sehr gelungenen Werbegag bezeichnen. Immerhin hat sich der Wert Ihrer Werke in kürzester Zeit vervielfacht. Und wenn die Meldungen stimmen, sind sämtliche Ihrer Skulpturen ausverkauft.“

      „Ich kann Ihnen versichern, dass mein baldiges Ende kein Werbegag ist. Ich kann schon sehr lange nicht mehr lachen. Es ist wahr, dass meine Werke so teuer wie noch nie verkauft wurden. Von dem Geld werde ich aber nichts mehr haben.“ Der für die Kunstszene mäßig kritisierte Bildhauer nutzte die Gelegenheit, um sich ruhig und souverän zu verteidigen. Zu einer anderen Zeit wäre er gnadenlos von Kritikern und Kunstexperten in den Medien zerrissen worden. Derzeit lebte die Kunstwelt jedoch im Ausnahmezustand.

      „Begründet werden die Vorwürfe damit, dass sie keine äußeren Anzeichen einer schweren Erkrankung aufweisen. Mediziner haben die neuesten Aufnahmen von Ihnen ausgewertet. Keiner hält Sie für todkrank. „Der Journalist ließ nicht locker und bohrte weiter: „Im Gegensatz zum 20. Jahrhundert sind alle Krebsleiden heilbar, Erbkrankheiten behandelbar. Woran leiden Sie?“

      Der angesprochene Künstler ließ sich durch die Vorwürfe nicht aus der Ruhe bringen. Er atmete tief durch und sprach dann mit ruhiger, tiefer Stimme: „Morgen werden Sie es erfahren. Der heutige Abend ist etwas Besonderes. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Kunstausstellung schon einmal so viel Aufmerksamkeit erhalten hat.“ Er machte eine kleine Pause und signalisierte dem Journalisten, dass er noch weiterreden wollte.

      „Es ist richtig, dass ich die vergangenen Tage sehr viel Geld verdient habe. Keines meiner Werke wurde für weniger als fünf Million Euro verkauft. Mit dem Erlös habe ich Rechnungen beglichen.“ Damit verabschiedete sich der im Mittelpunkt des nicht nur kulturellen Interesses Stehende, ohne zu erklären, welche Schulden er zu beglichen hatte. Unüblich war es nicht, dass erfolgreiche Künstler einem aufwendigen Lebensstil nachgingen.

      Die Beamtin in der Kommunikationszentrale des Pariser Überwachungsdienstes hatte ihren ersten Arbeitstag. Sie hatte sich für den Innendienst beworben, nachdem sie im Frühjahr eine Fehlgeburt erlitten hatte und sich für den Streifendienst nicht mehr geeignet hielt. Sie war zuständig für die Entgegennahme und Verteilung von Nachrichten, die als vertraulich eingestuft waren.

      Als Einstand für ihre neuen Arbeitskollegen hatte sie Obstkuchen mitgebracht. Während die Kaffeemaschine zischte und brodelte, schnitt sie den Kuchen auf. Gerade als sie das erste Stück auf einen der Teller legen wollte, begann das Faxgerät zu rattern und piepsen. Sekunden später wurde sie bleich. Das Kuchenstück viel zu Boden, gefolgt von zwei Tellern, die sie in ihrer Aufregung vom Tisch stieß. Sie hatte den Code auf dem Fax mit dem Code verglichen, der neben all den Empfangsgeräten in einer Folie eingeschweißt auf eine Schranktür geklebt war. Versehen mit dem Vermerk „Streng Vertraulich“, nur zugänglich für besonders ausgewähltes, vertrauenswürdiges Personal.

      Zeitgleich mit einem Kollegen in Madrid las sie den Text: „Bilbao. Guggenheim-Museum. Gefährden Sie diesmal keine Menschenleben! Grosse Explosion um 23.30 Uhr Ortszeit. Bestätigungscode: OZSLJFU673X. Neuer Code: WSFEO)§“3746OLUW.“

      Zeitgleich mit ihrem Kollegen in Madrid blickte sie auf die Uhr: 22.17 Uhr.

      Die Meldung wurde unverzüglich durch den diensthabenden Direktor des Überwachungsdienstes an seinen Kollegen in Bilbao weitergegeben. Dieser hatte kurz zuvor die gleiche Warnung von seinem Vorgesetzten in Madrid erhalten und bereits den Notfallplan anlaufen lassen.

      Als der Franzose den Hörer auflegte, fragte er den Beamten, der mit den Daten des Telefaxanschlusses in sein Büro stürmte: „Aus welcher gottverlassenen Gegend der Welt kam das Fax diesmal?“

      Die Antwort war kurz und alles andere als erwartet: „Paris. Hier aus Paris.“

      Fünfunddreißig Minuten später öffnete ein Sondereinsatzkommando einen blauen Lieferwagen in einer Tiefgarage im Zentrum. Das schnurlose Telefaxgerät wurde aufgrund seiner Mobilfunksignale in dem Mietwagen geortet. Die Spezialisten gingen äußerst vorsichtig vor, da Sprengstoffspürhunde das Vorhandensein von explosiven Stoffen anzeigten. Wie sich herausstellte, hatten die feinen Hundenasen winzige Spuren eines hochexplosiven Stoffes in dessen leerer Verpackung erschnüffelt.

      Die