Andreas Engelbrech

Am Ende


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Anthony Brown hatte es sich ebenfalls bequem gemacht und versuchte zu schlafen.

      Eine halbe Stunde später wurden sie vom Laptop geweckt. Auf dem Monitor stand in großen Buchstaben: Anruf!

      „Ja. Was gibt´s?“ Rizzardi hasste sich dafür, dass er Schlaf brauchte und nur langsam wach wurde.

      Seine Stellvertreterin, im Gegensatz zu ihrem Boss nie müde und immer topfit, war in der Leitung: „Sie haben die Bombe gefunden.“

      Noch bevor Rizzardi antworten konnte, mischte sich Brown ein: „Das muss ein Ablenkungsmanöver sein!“

      Rizzardi war jetzt hellwach. Was sein Assistent sagte, machte Sinn. Hier war etwas faul. „Wie kommen Sie darauf?“ wollte er von ihm wissen.

      „Das Telefax wurde um 01.12 Uhr MEZ, also 02.12 Uhr Ägyptischer Zeit abgeschickt. Die Bombe soll um 15.30 Uhr hochgehen, über 13 Stunden später! Warum so viel Zeit? Nachts ist außer den Wachen niemand im Museum. Warum ist die Bombe so schnell und leicht zu finden? Die wollen ablenken!“ Brown brachte seine Erkenntnisse knapp und schlüssig vor.

      „Oder der Anschlag soll gar nicht in dem Museum stattfinden, sondern auf dem Weg zu den Bunkern! Auf jeden Fall ist Zeit genug, um das Museum zu räumen. Mit allen Objekten!“

      Er führte das Telefon, welches an seinem Laptop angeschlossen war, wieder an sein Ohr. „Hören Sie! Geben Sie sofort eine Warnmeldung an alle Museen weltweit heraus. Es könnte ein Ablenkungsmanöver sein. Ich rufe in Kairo an und lasse mir einen Lagebericht geben. Benachrichtigen Sie über den Polizei-Strang die Ägypter, dass möglicherweise der Transport das Anschlags-ziel ist, nicht das Museum. Sie sollen das in Betracht ziehen! Sagen Sie denen aber nicht, dass ich unterwegs bin.“

      „Verdammt! Warum ist mir das nicht gleich aufgefallen?“ Der Topagent Rizzardi ärgerte sich. Das Manöver war so einfach zu durchschauen. Man hätte gleich merken müssen, dass etwas nicht stimmt.

      Mit seinem Kommunikations-Laptop stellte er eine neue Verbindung her. Kairo. „Hallo! Herr Maybach? Ich brauche einen neuen Lagebericht von Ihnen.“ Rizzardi lieferte ihm kurz die Begründung, seinen Verdacht. Maybach versprach sich vor Ort zu informieren und so bald wie möglich zurückzurufen.

      Währenddessen mischte sich ein Flugbegleiter ein: „Der Pilot hat vom Kairoer Flughafen Landeverbot erhalten. Wir müssen nach Alexandria ausweichen. Für den Großraum Kairo wurde absolutes Flugverbot erlassen.“

      Rizzardi bedankte sich und griff erneut zum Telefon, um seine unermüdliche Stellvertreterin anzurufen: „Irina!“, sprach er sie sofort an, als er sie auf dem Bildschirm erkannte. „Ruf bitte im Kairoer Innenministerium an. Sag, dass der ESS-Agent Brown in dieser Maschine sitzt und in Alexandria landen muss. Sie sollen ihm einen Hubschrauber zur Verfügung stellen und dann irgendwie nach Kairo reinbringen. Gib an, dass er noch einen Assistenten dabei hat. Danke.“

      Zu Brown sagte er: „Wir haben es hier mit einem Genie zu tun. Bisher war er uns immer einen Schritt voraus. Wir können nur reagieren. Und immer läuft es so, wie er es will. Ich möchte wissen, mit wem ich es zu tun habe. Es kann nicht sein, dass jemand mit diesen Fähigkeiten nicht bekannt ist. Wie auch immer!“

      Der Gruppenleiter wies Anthony Brown an, dass er mit den Vertretern der Ägypter sprechen sollte. Er selbst würde nur zuhören und sich als Experte für Sicherheitssysteme ausgeben.

      In Alexandria wurden sie von einem Inspektor der Kairoer Polizei empfangen. Wie gewünscht stand ein Helikopter der Polizei bereit, um sie nach Kairo zu bringen. Auf dem Flug wurden sie von dem Ägypter in fast akzentfreiem Englisch über den neuesten Stand in Kairo unterrichtet. Rizzardi sagte dabei nichts und blickte aus den Fenstern. Draußen dämmerte es bereits und man hatte einen wundervollen Blick über die Landschaften des Nildeltas und der Wüste. Die aufgehende Sonne verursachte lange Schatten hinter Hügeln und Sanddünen.

      „Im Namen der Ägyptischen Regierung heiße ich Sie herzlich willkommen. Wir bedanken uns für Ihre Interesse und die angebotene Hilfe. Ich hoffe jedoch, dass unsere Maßnahmen ausreichen werden.“ Der Inspektor war höflich, gab aber zwischen den Zeilen zu verstehen, dass sein Land durchaus in der Lage war, sich selbst zu helfen.

      Brown stellte die Fragen: „Wir vermuten, dass die Bombendrohung nur ein Ablenkungsmanöver ist. Es könnte sehr gut sein, dass die Kunstgegenstände aus dem Museum herausgelockt werden sollten, und dann auf dem Weg zu den Bunkern zerstört werden!“

      „Selbstverständlich haben wir das in Betracht gezogen. Polizei und Militär haben in Kairo verschiedene Routen abgesperrt. Es herrscht Ausgangssperre in den betroffenen Stadtvierteln. Die Kunstgegenstände werden in Spezial-Lastwagen transportiert, welche sogar die Angriffe aller herkömmlichen Panzerfaustsysteme überstehen. Außerdem ist nur wenigen hochgestellten Kommandeuren bekannt, in welchen der Lastwagen sich die Gegenstände befinden und welche Route sie fahren.“ Der Ägypter klang selbstsicher und stolz.

      „Wir müssen Sie trotzdem zu größter Vorsicht auffordern!“ Brown ließ nicht locker. Er versuchte dabei, nicht arrogant zu wirken. Er musste jedoch zugeben, dass die Ägypter einen sehr guten Notfallplan in der Durchführung hatten. „Wir haben es mit genialen Terroristen zu tun. Sie haben es in Europa geschafft, unsere modernsten Sicherheitssysteme zu umgehen.“

      Der Inspektor hätte am liebsten geantwortet, dass die modernste Technik sich immer irgendwie umgehen ließ. Wie aber sollte ein Attentat auf einen der Konvois erfolgen, ohne dass der Täter dabei gestellt werden würde? Tot oder lebendig? Und offensichtlich handelte es sich hier nicht um Selbstmordterroristen. Außerdem hatten die Europäer gesagt, dass die Terroristen den Tod und sogar Verletzungen von Menschen vermeiden wollten. Was also konnte passieren? Seine Antwort fiel deshalb kurz aus: „Ich werde Ihnen in Kairo das Museum und die Transporter zeigen.“

      Der Hubschrauber erhielt eine Sondererlaubnis, um auf einer zuvor genau festgelegten Flugroute in die Stadt einfliegen zu können und auf dem Dach eines Hotels landen zu dürfen. Anthony Brown ließ sich seine Bedenken, ob sie vielleicht nicht doch abgeschossen werden konnten, nicht anmerken. Er hatte kein Vertrauen in die Sicherheitsorgane der Randstaaten. Vor allem nicht in deren Flugüberwachung und Militär.

      Vor dem Hotel bestieg der Inspektor zusammen mit dem Agenten Brown eine Limousine und fuhr zum Archäologischen Museum. Rizzardi ließ sich von einer Polizeistreife zur Deutschen Botschaft bringen. Dort wurde er bereits erwartet und von einem Sicherheitsbeamten in das von ihm angeforderte Büro gebracht. Als er sein Laptop angeschlossen und einen Sicherheitscheck durchgeführt hatte, betrat Maybach den Raum und erstattete Bericht:

      „Alles läuft nach Plan. Es gibt einige große Steinklötze, welche nicht abtransportiert werden können. Die bedeutendsten Kunstwerke sind schon verladen. Die erste Bombe ist inzwischen entschärft worden. Mittlerweile sind zwei weitere Bomben gefunden worden. Sie wurden alle in einem neu errichteten Seitentrakt eingemauert.“

      Rizzardi lehnte sich zurück und dachte nach. Wenn die Möglichkeit bestand, eine Bombe in einen LKW unterzubringen, dann bedeutete das aber, dass zumindest der Fahrer, vielleicht auch Personen am Straßenrand gefährdet wurden. Konnten das die Terroristen erahnen. Oder waren ihnen die Menschenleben mittlerweile gleichgültig? Und warum ausgerechnet jetzt das Archäologische Museum?

      Obwohl Brown mit einem Inspektor der Ägyptischen Polizei unterwegs war, wurden sie an jeder Straßensperre gründlich kontrolliert. Eine genaue Kontrolle bedeutete in diesem Fall sogar, dass sie kurz vor dem Museum aussteigen mussten und das Auto auf Sprengstoff untersucht wurde. Da es nur noch wenige hundert Meter waren, beschlossen sie, zu Fuß weiterzugehen. Es war schon heiß, dabei war es noch nicht einmal Mittag. Brown fragte sich, wie heiß es wohl erst am Nachmittag werden würde und sehnte sich nach dem klimatisierten Auto.

      Der Gebäudekomplex war selbst großräumig abgesperrt. Umliegende Gebäude waren bereits evakuiert worden. Grosse, schwere weiße Sattelschlepper fuhren in einen Hinterhof des Museums oder fuhren auf der Strasse davor auf. Es war schwer bei all dem Rangieren den Überblick zu behalten. Wie er jedoch erfuhr, war das eine der Taktiken, mit denen die Polizei Verwirrung stiften wollte. Die LKW´s sahen alle gleich aus, hatten sogar die gleichen