Andreas Engelbrech

Am Ende


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sich das Gebäude zu betreten, da er sich sicher war, dass die Bombe nicht vor 15.30 Uhr explodieren würde. Wenn es dann noch eine Bombe gab. Als sie den Schauplatz erreichten, wurde gerade gemeldet dass die zweite Bombe entschärft worden war und ein weiterer Sprengkörper eingemauert gefunden worden.

      In sicherem Abstand zu dem Museumsgebäude befand sich die eilig eingerichtete Leitzentrale der Evakuierungsmassnahmen. Brown wurde hier dem Einsatzleiter vorgestellt. Der Inspektor übersetzte für ihn. „Wie Sie sehen können, laufen unsere Maßnahmen hervorragend. Bereits seit Stunden sind die wertvollsten Gegenstände dieses Museums, die wertvollsten Gegenstände unserer Vergangenheit, abtransportiert worden. Haben Sie von den Grabbeigaben des Pharao

      Tutenchamun gehört? Es ist einer der bedeutendsten Funde der Ägyptischen Archäologie. Zusammen mit der Mumie von Ramses II wurden diese wunderbaren Gegenstände als erstes abtransportiert. Die ersten LKW´s haben den Regierungsbunker bereits sicher erreicht und wurden dort sicher abgestellt.“

      Brown wiederholte seine Warnungen. Der Einsatzleiter bedankte sich dafür, wiederholte aber, dass alles in Ordnung wäre. Es blieb dem ESS-Agenten nichts anderes übrig, als seinem Vorgesetzten in der Deutschen Botschaft telefonisch Bericht zu erstatten und die Vorgänge im Museum und den Transportrouten zu beobachten.

      Alles lief ab wie geplant.

      Weltweit wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Museen blieben geschlossen. Verdächtige Personen wurden festgenommen und verhört, weil sie sich auffallend intensiv für die Sicherheitsmassnahmen interessierten. Zahlreiche Trittbrettfahrer wurden identifiziert und ebenfalls verhaftet. Die Berichterstattung in den Medien über ein Attentat wirkte immer wie ein Signal für die Verrückten dieser Welt, ihrem Wahnsinn freien Lauf zu lassen. Sehr schnell wusste die Polizei, dass diese Art von Bombendrohungen nicht ernst war. Denn welcher richtige Terrorist sprach die Drohungen von seinem eigenen Telefonanschluss oder von seinem jederzeit lokalisierbaren Mobiltelefon aus?

      Um 15.15 Uhr räumte die Ägyptische Polizei das Museumsgebäude und alle angrenzenden Gebäude komplett. Um 15.30 Uhr ereigneten sich im Dachstuhl des neu errichteten Nebenflügels zwei kleine Explosionen, die jedoch lediglich Schäden am Gebäude selbst, jedoch an keinem der wenigen verbliebenen Kunstgegenstände verursachten. Die beiden detonierten Bomben waren zwar entdeckt worden, konnten jedoch nicht mehr rechtzeitig entschärft werden.

      Um 18.00 Uhr Ortszeit gaben die Sprengstoffexperten Entwarnung. Das Gebäude war komplett abgesucht, keine weiteren Bomben entdeckt worden. Zur Sicherheit wollte man noch einmal 24 Stunden abwarten, bevor das Archäologische Museum wieder betreten werden durfte. Lediglich spezielle Teams der Polizei, ausgerüstet mit Detektoren oder Sprengstoffsuchhunden, durften das Gebäude betreten.

      Die Welt atmete auf. Ausgerechnet Ägypten, ein Randstaat, hatte es geschafft, seine Kunstgegenstände in Sicherheit zu bringen. In Europa kritisierten Politiker die eigenen, teuren Sicherheits- und Überwachungssysteme als ineffektiv und lückenhaft. Das Ägyptische Innenministerium setzte noch für denselben Abend, für 22.00 Uhr Ortszeit, eine Pressekonferenz, vor dem Museumsgebäude an.

      Rizzardi entsandte seinen Agenten Brown und den mittlerweile eingetroffenen deutschen Experten für Ägypten ans Museum. Sie sollten sich zwei Stunden vor Beginn der Pressekonferenz an Ort und Stelle umsehen, und mit ihrem Sprengstoffexperten Verbindung aufnehmen, dem es gestattet worden war, die entschärften und explodierten Bomben zu untersuchen.

      Die beiden Agenten fanden ihn in einem Zelt, das eigens zur Untersuchung der gefundenen Bomben aufgestellt wurde. Mit einem „um was für hochgeheime Spielereien handelt es sich denn diesmal?“ begrüßten sie ihn.

      „Nichts besonderes!“ war die Antwort eines fast enttäuschten Experten. „Ganz normale Rohrbomben und TNT, wie es seit Jahrzehnten verwendet wird.“

      Brown rief umgehend bei Rizzardi an, der hatte davon aber schon erfahren. „Das bestätigt unsere Theorien. Die Ausstellung, beziehungsweise das Museum waren nie bedroht. Ich glaube trotzdem nicht, dass nichts passiert ist!“

      Die beiden Agenten vor Ort wurden angewiesen, die evakuierten Kunstgegenstände auf ihre Unversehrtheit und Echtheit zu überprüfen. „Denken Sie an Paris. Dort wurde nur das Gemälde der Mona Lisa zerstört. Die Mona Lisa in Kairo wäre für mich die Totenmaske von Tutenchamun.“

      Bei der ägyptischen Einsatzleitung stießen sie auf taube Ohren. Das hartnäckige Drängen der beiden Europäer veranlasste den Einsatzleiter dazu, dass er einen seiner Männer anwies, ihm das Geheimnis seiner Ruhe zu zeigen. Der junge ägyptische Inspektor führte sie in den Innenhof des Museums, in dem drei weiße Sattelschlepper unter Bewachung standen.

      „Das hier sind drei Spezial-LKW. Sie stehen hier seit heute Morgen unter ständiger scharfer Bewachung. In diese Fahrzeuge wurden zuallererst die wertvollsten Artefakte unseres Landes eingelagert. Die LKW´s wurden keinen Meter bewegt. Wir wollten kein Risiko eingehen, dass unterwegs zu den Bunkern etwas geschieht.“

      Brown staunte. Es entfuhr ihm ein „Nicht schlecht!“ als Bewunderung für diese Taktik. „Was können Sie mir über diese LKW´s sagen? Wir haben so etwas in Europa nicht!“

      Der Ägypter fühlte sich geschmeichelt. Stolz berichtete er: „Diese Spezialtransporter wurden uns vor einem halben Jahr geschenkt. Ein weiser, reicher Mann hat sie der Polizei gestiftet. Er machte sich große Sorgen um die einzigartigen Gegenstände aus unserer Vergangenheit. Sie können diese Container mit Panzerfäusten beschießen und es geschieht nichts. Der Innenraum ist luft- und wasserdicht abgeschlossen.“

      „Was brummt denn da?“, fragte der deutsche ESS-Agent nach.

      „Das ist ein Kühlaggregat. Der Container ist mit einem besonderen Stahl ummantelt, der gekühlt werden muss. Die Sonne, Sie wissen!“ Bereitwillig gab der Inspektor Auskunft.

      Die beiden Europäer sahen sich wortlos aus. Sie dachten beide das Gleiche. Stahl, der gekühlt werden musste? Sie baten den Ägypter darum, einen der Container von innen begutachten zu dürfen.

      „Nur der Einsatzleiter vor Ort darf persönlich die Fahrzeuge öffnen lassen. Aus Sicherheitsgründen, Sie verstehen?“.

      Um 21.45 Uhr vergewisserte sich der Einsatzleiter der Kairoer Polizei persönlich davon, dass die versammelte Weltpresse, durchleuchtet und für harmlos befunden, auf ihn und die Vertreter der Regierung warteten. Vor den Medienvertretern war ein langer, mit Tischdecken, Blumengebinden und Mikrofonen von Fernsehsendern aus aller Welt bedeckter Tisch aufgebaut. Hinter dem Konferenztisch stand eine noch leere Panzerglasvitrine. Hier sollte in wenigen Minuten die Maske des legendären Pharao Tutenchamun ausgestellt werden. Als sichtbarer Beweis für den Triumph der Ägyptischen Sicherheitskräfte.

      Unter seiner Aufsicht wurden die Sattelschlepper in dem Innenhof so aufgefahren, dass man in alle drei Container gleichzeitig blicken konnte. Unter der Anwesenheit hochrangiger Regierungsvertreter und den Vertretern der Presse, wurden die Spezialcontainer geöffnet. Als die Türen aufschwangen, strömte den Zuschauern heißer dunkler Rauch entgegen. Es roch verbrannt. Kurze Zeit darauf war der Rauch verflogen und bot den Versammelten ein Bild des Entsetzens.

      Alles kunstvoll verarbeitete Gold und verwendete Metall war geschmolzen. Edelsteine zeichneten sich wie Rosinen aus einem Kuchen in der verschmolzenen Masse ab. Alles andere, egal ob Holz, Knochen oder mumifizierte Haut war restlos zu Asche verbrannt. Dabei war auch die Mumie von Ramses II.

      Fassungslos standen die Anwesenden vor den drei Spezial-Backöfen auf Rädern. Die bedeutendsten Kunstgegenstände des Landes, einzigartig und unbezahlbar, waren unwiederbringlich zerstört worden.

      Für immer.

      Kapitel 6

      Einen Tag später

      Rizzardi saß allein in seinem Büro in Wien und sprach über eine sichere Bildtelefonleitung mit seinem Vorgesetzten im ESS-Hauptquartier in Stockholm.

      „Es war so leicht zu durchschauen und doch genial geplant. Mitten in der Nacht kommt ein Telefax. Alle Beteiligten stürzen sich schlaftrunken auf die Warnung und tun genau das, was sie für solche Fälle