Andreas Engelbrech

Am Ende


Скачать книгу

Organisation mit Insiderkenntnissen stehen.“

      „Mir fällt auf, dass die Täter vermeiden wollten, dass Menschen verletzt oder getötet werden. Ich entnehme das insbesondere dem zweiten Telefax. Ist es richtig, dass taktische Fehler der Polizei für die Verletzten in Paris verantwortlich sind?“ Der Psychologe des Teams, der Engländer Dr. Howard Martin, meldete sich zu Wort.

      „Der Code für das Telefax in Paris wurde von den Amsterdamer Ermittlern zurückgehalten. Deshalb ging die echte Warnung zwischen den vielen Trittbrettfahrer-Aktionen unter.“

      „Okay. Es ist mir klar, dass sie viele Fragen haben. Agent Brown, Sie stellen mir bitte sämtliche bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammen. Ich brauche die Unterlagen sortiert nach Amsterdam und Paris, Ermittlungen zu Bekennerbrief und erstem Telefax, Biografien der drei Täter. Ferner brauche ich von Ihnen eine Liste aller bisher ermittelnden Dienststellen.“ Die Anweisungen von Rizzardi waren knapp und präzise. Dennoch war sich Brown nicht sicher, ob der Italiener ihn in seinem Team haben wollte.

      „Dr. Martin, Sie erstellen mir bitte zuerst ein Profil von diesem Bildhauer, danach von den beiden ersten Attentätern. Außerdem brauche ich von ihnen eine psychologische Analyse über die möglichen Hintergründe.“

      „Danielle!“ Damit wandte er sich an eine französische Agentin, mit der er schon oft zusammen gearbeitet hatte. „Sie suchen Kontaktleute für die Behörden in Amsterdam und Paris aus. Die üblichen Voraussetzungen: Landessprache, Sachverstand, sprich Kenntnisse von der Kunstszene. Sie selber leiten die Ermittlungen vor Ort in Bilbao.“

      Zwei weitere Frauen und ein Mann blieben noch übrig. „Roger. Sie versuchen etwas über den verwendeten Sprengstoff und den Rollstuhl herauszufinden. Ich verspreche mir hier eine erste heiße Spur.“

      Er wandte sich an die beiden Frauen, zuerst an eine Rumänin, danach an die Dänin Erica Peddersen. „Irina, Sie sind ab sofort mein Stellvertreter und koordinieren hier in Wien die Arbeit des Teams.“ Die Angesprochene nickte nur. Sie arbeitete bereits zum dritten Mal für ihn.

      „Und Sie,“ damit meinte er die die dänische Agentin, welche ihm von Dr. Martin empfohlen wurde, „sind zuständig für die Aufzeichnungen der Sicherheitskräfte. Ich möchte vor allem wissen, wie die Täter die Sicherheitskräfte überlisten konnten.“

      Damit hatte jeder seinen Auftrag. Rizzardi brauchte nichts weiter zu sagen. Seine Mitarbeiter würden selbständig weitere Mitarbeiter benennen und ihr eigenes Team zusammenstellen, sie würden sich selbst Arbeitsräume und alles beschaffen, was sie zur Erfüllung ihres Auftrages benötigten.

      Drei Tage später war die Ermittlungsgruppe um 32 Agenten und Experten angewachsen. Als Experte wurde vom ESS bezeichnet, wer aufgrund seiner besonderen, innerhalb des ESS nicht verfügbaren Kenntnisse und Fähigkeiten mit in die Ermittlungen einbezogen wurde, zugleich jedoch als Außenstehender anzusehen war, dem wenig Einblick in die Struktur des Geheimdienstes und die laufenden Ermittlungen gegeben wurden.

      Ein erstes großes Treffen zur Auswertung erster Ergebnisse fand wieder in Wien statt. Dazu fanden sich die Experten und die Leiter der einzelnen Teams ein. Im Gegensatz zu den Experten, die ihre Arbeitsergebnisse vortrugen und sich dann in einem Nebenraum verfügbar halten mussten, blieben die Teamleiter die ganze Zeit über in dem kleinen, mit neuester Hightech ausgestatteten Konferenzraum anwesend.

      Den Anfang machte Danielle, die französische Agentin. Sie hatte einen Sprengstoffexperten mit dabei, der den verwendeten Sprengstoff untersucht hatte.

      „Der Verantwortliche für den Anschlag auf das Guggenheim in Bilbao ist der Bildhauer Jensen-Mendez. Es besteht kein Zweifel daran, dass er den verwendeten Sprengstoff bewusst in seiner Skulptur mit verarbeitet hat. Es liegen keine Anzeichen vor, dass er erpresst oder dazu gezwungen wurde. Auch wurde die Skulptur nicht kopiert und ausgewechselt. Der Täter gab in den Tagen vor dem Anschlag mehrere Interviews, in denen er seinen baldigen Tod angekündigte. Eine schwere Krankheit konnte bei seiner Obduktion nicht festgestellt werden. Für sein Alter war er entsprechend gesund. Als Todesursache wurde die Einnahme von zwei Tabletten MDT7 ermittelt, die normalerweise unter strengen Auflagen von eigens dazu ermächtigten Sterbehilfe-Ärzten verabreicht werden dürfen. Er hat die Tabletten zusammen mit Champagner eingenommen, als er von der Dachterrasse seiner Suite aus die Explosion des Guggenheims beobachtete.“

      Jeder der Anwesenden wusste von der Wirkung von MDT7. Enthalten war unter anderem ein endorphinähnlicher Stoff, welcher dem Patienten das wohlige Gefühl der Geborgenheit und Zeitlosigkeit vermitteln sollte. Der Sterbenskranke wurde zumindest psychisch in ein Stadium höheren Bewusstseins geführt... Zusammen mit Champagner und dem Blick von der Hotelterrasse aus eine besondere, fragwürdig romantische Inszenierung.

      Es folgte eine kurze Pause, in welcher der Sprengstoffexperte herbeigerufen wurde. Er erläuterte seine Untersuchungsergebnisse in holprigem Englisch: „Der verwendete Sprengstoff stammt aus den USA und wird dort ausschließlich von Spezialisten der Streitkräfte verwendet. Einziger Produzent des seit vier Jahren verfügbaren X37, von Insidern `City-Cleaner´ genannten Stoffes ist die `Watson-Jiang Chemical Inc.´ mit Sitz in Texas. Sowohl der Hersteller als auch die US-Streitkräfte betonen, dass ihnen nichts von dem Stoff fehlt. Das X37 war in zwei Skulpturen verteilt, vier Fünftel davon in der großen Figur, dem Trojanischen Pferd. Der Sprengstoff ist in einem sehr aufwendigen Verfahren verglast worden, weshalb auch die Sprengstoffspürhunde nichts bemerken konnten.“

      Rizzardi meldete sich zu Wort: „Was für ein Sprengstoff wurde in Amsterdam verwendet?“

      Danielle hatte dafür gesorgt, dass der Sprengstoffexperte auch hierzu Auskunft geben konnte: „Es handelt sich hier um eine Art Brandbeschleuniger ohne nennenswerte Sprengkraft, dafür aber mit einer schnellen, großflächigen Hitzeentwicklung. Dieser Stoff wird exklusiv für Spezialisten der Europäischen Streitkräfte hergestellt. Wir haben das in Amsterdam verwendete FFHX2 einer genauen chemischen Analyse unterzogen. Dabei stellten wir aufgrund von Abweichungen in der Zusammensetzung fest, dass es sich um einen Nachbau handelt.“

      „Wer hat die Möglichkeiten dazu?“ Der Gruppenleiter sah die Möglichkeit einer weiteren Spur.

      „Vermutlich südamerikanische Drogenkartelle. Der Stoff wurde im Zusammenhang mit Drogenschmuggel und Bandenkriegen bereits mehrmals in Kolumbien und einmal auch in den USA eingesetzt.“ Damit beendete der Experte seine Ausführungen. Er überreichte seine Untersuchungsergebnisse dem Gruppenleiter und ging hinaus.

      „Was wissen wir über den Bildhauer?“ Rizzardi stellte die Frage dem Psychologen Dr. Martin.

      „Schwermut kennzeichnete sein Wesen in den letzten Jahren. Er war nie verheiratet, hatte aber häufig Geliebte, welche er auch als seine Musen bezeichnete. Seit 12 Jahren lebte er auf Mallorca. Auffällig ist, dass er im Gegensatz zu seinem Einkommen und seinem Erfolg einen relativ bescheidenen Lebensstil führte. Sein ganzes Geld steckte er in seine Villa auf Mallorca und sein Hobby. Er züchtete in drei großen Gewächshäusern exotische Pflanzen und tropische Vögel, sogenannte Kolibris. Dafür beschäftigte er drei Gärtner und zwei Tierpfleger.“

      Dr. Martin unterlegte seinen Vortrag mit Bildern vom Wohnsitz des Künstlers. „Es liegen keine Anzeichen für psychische Erkrankungen vor. Sein Tod war lange geplant. Bereits vor einem halben Jahr hat er seine Vögel einer zoologischen Forschungsstation in Andalusien geschenkt, und die Einrichtung einer entsprechenden Zuchtanlage großzügig mit finanziellen Mitteln gefördert. Er hat sein Arbeitszimmer und sein Atelier sauber und ordentlich hinterlassen. Auffällig ist, dass er vor vier Wochen sein Testament beim Notar durch einen Umschlag mit leerem Blatt ausgewechselt hat. Außerdem hat er größere Vermögenswerte veräußert und eine Hypothek auf seine Villa genommen.“

      „Wohin ist das Geld?“

      Die Frage des Gruppenleiters wurde von Danielle beantwortet: „Das Geld wurde in zahlreichen Transaktionen auf Bankkonten in den Randstaaten überwiesen. Von dort versickerte das Geld in der Unsicheren Zone. Das Gleiche gilt für die Erlöse aus dem Verkauf seiner neuesten Arbeiten, die wegen seiner Todesankündigung zu Bestsellern wurden.“

      „Warum fielen die Transaktionen der Finanzbehörde