Andreas Engelbrech

Am Ende


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noch nicht weit gekommen sind. Der Ständige Ausschuss für Sicherheit der Europäischen Regierung hat Verständnis dafür. Was sie aber sofort von uns wollen, sind Empfehlungen, wie Europa sich und den Rest der Welt vor neuen Anschlägen schützen kann!“

      „Ich stelle Ihnen eine Liste zusammen. Geben Sie mir einen Tag.“ Rizzardi wusste, dass die Regierung die Empfehlungen so schnell wie möglich verlangte. Natürlich durfte in der Aufzählung nichts fehlen. Vor allem nichts, was schief gehen könnte. Er verabschiedete sich von Stockholm und machte sich zu einer weiteren Besprechung mit seinen Teamleitern auf.

      Er begann wie immer mit einem, seinem Wort: „Okay! Die Regierung will von uns eine Empfehlungsliste, wie man sich vor neuen Anschlägen schützen kann. Bevor wir ein Brainstorming machen, will ich aber erst einmal Eure bisherigen Ergebnisse hören.“

      Die Dänin, welche seit Gründung der Ermittlungsgruppe in einem Kellergeschoss mit Hilfe eines Dutzend Rechner die Datennetze und Datenbanken der Welt durchforstete, meldete sich zuerst zu Wort: „Hasselbach, der Museumswächter aus Amsterdam, hat vor sechs Jahren auf der Insel Teneriffa als Tierpfleger gearbeitet, bevor er eine Stelle im Amsterdamer Zoo annahm. Isabelle Daou, die Altenpflegerin aus Paris, betreute über sieben Jahre hinweg eine Privatpatientin, mit der sie zwei Mal im Jahr nach Teneriffa reiste. Und der Bildhauer hielt sich vor drei Jahren für zwei Monate auf La Gomera, einer Nachbarinsel von Teneriffa auf!“

      „Gibt es noch andere Orte, an denen sie sich aufhielten? Vielleicht nicht immer alle!“ Rizzardi bewunderte die ruhige, unscheinbare Dänin, die nie viel sprach und sich eher abweisend verhielt. Sie spürte in den entlegendsten Bereichen von Netzwerken Daten auf, die dort niemand vermutete.

      „Jensen-Mendez hielt sich bis vor vier Jahren jährlich mindestens drei Mal in Paris auf. Für Teneriffa spricht aber auch, dass sich dieser Ägypter dort vor ziemlich genau einem Jahr aufhielt. Weitere Informationen über das Europäische Festland habe ich nicht. Die Passagierlisten der Fluggesellschaften sind einfach zu überprüfen. Wenn aber Hasselbach von Amsterdam nach Paris mit dem Auto gefahren ist und überall bar bezahlt hatte, nicht wegen eines Verkehrsverstoßes oder anderweitig aufgefallen ist, dann gibt es keinen Nachweis für ein Treffen in Paris.“

      Rizzardi war froh über eine erste Spur. Begeistert war er erst, wenn die Spur weiterführte. Er wollte gerade ein paar Worte der Anerkennung aussprechen, als die Dänin ihn lächelnd stoppte: „Das ist noch nicht alles. Es kommt noch besser: Ich konnte den ehemaligen Arbeitgeber von Hasselbach ermitteln. Die Mutter dieses Mannes ist eine ehemalige, inzwischen verstorbene Privatpatientin von Isabelle Daou. Ibrahim Ezz, unser Verdächtiger aus Ägypten bezahlte ausschließlich mit Kreditkarte auf Teneriffa. Unter anderem auch drei Mal in einem Ort, welcher in der Nähe des Wohnsitzes dieses Arbeitgebers lag. Nur dem Bildhauer konnte ich keinen Aufenthalt auf Teneriffa nachweisen, außer bei Ankunft und Abflug auf dem Flughafen der Stadt Santa Cruz.“

      Dr. Martin schaltete sich ein: „Wir haben inzwischen herausgefunden, dass er stets ein dickes Bündel Geldscheine mit sich führte und damit demonstrativ bar zahlte, weil er damit Frauen beeindrucken wollte.“

      „Alle sind Mischlinge!“

      Fragend sahen Rizzardi und alle anderen ESS-Agenten einen Norweger an, der seit vergangener Woche in der 23-14 mitarbeitete. Dieser begann zu erklären: „Alle vier uns bekannten Täter sind die Kinder von Elternteilen, welche unterschiedlicher ethnischer Herkunft sind! Hasselbach ist der Sohn eines Deutschen und einer Indonesierin. Daou ist die Tochter eines Franzosen und einer Frau aus Nigeria. Der Bildhauer hat einen chilenischen Vater und eine deutsche Mutter. Die interessanteste Herkunft aber hat der Ägypter: Er hat einen ägyptischen Moslem als Vater und eine jüdische Mutter!“

      Rizzardi machte eine Denkpause. „Okay. Brown soll von Kairo aus nach Teneriffa fliegen und dort Nachforschungen anstellen. Der deutsche ESS-Agent soll den Fall Archäologisches Museum als Teamleiter übernehmen.“

      „Olaf!“ Damit wandte er sich an den Norweger. „Sie stellen ein Team zusammen und überwachen diesen mysteriösen Arbeitgeber. Ich will alles wissen: Telefonate, elektronischer Datenaustausch, wohin er geht, mit wem er sich trifft. Das ganze Programm!“

      Der Italiener war wieder in seinem Element. Die geschmolzenen Kunstwerke in Kairo hatten ihn frustriert. Jetzt sah er ein Licht am Ende des Tunnels. Eine heiße Spur. Er würde diesen Fall aufklären. So wie er es immer getan hatte. Immer hatte er es geschafft.

      „Okay. Machen wir das Brainstorming. Was fällt uns zu den vier Anschlägen ein?“

      Die versammelten Agenten überlegten leise, um ihre Kollegen nicht zu stören. Einige machten sich Notizen oder Skizzen auf Papier. Grundsätzlich war jede noch so absurde Idee oder abwegige Theorie erwünscht. Jeder notierte sich das, was ihm einfiel.

      Dr. Martin stand auf, ergriff einen Filzstift und erklärte sich mit einem Schritt zu einer großen abwischbaren Tafel stillschweigend dazu bereit, die Gedankenblitze seiner Kollegen in Stichworten aufzuschreiben.

      „Die Attentatsorte bewegen sich auf der Weltkarte von Nord nach Süd!“

      „Es handelt sich nur um öffentliche Einrichtungen, nie um private Sammlungen!“

      „Jeder Anschlag wurde komplett anders ausgeführt!“

      „Vor allem in Paris und Kairo war die Reaktion der Sicherheitskräfte vorhergesehen und einkalkuliert worden.“

      „Die Täter lassen sich nicht fassen!“

      „Es soll niemand getötet oder verletzt werden!“

      „Die zerstörten Kunstwerke sind der ganzen Welt bekannt!“

      Rizzardi unterbrach hier das Brainstorming: „Das ist für mich der interessanteste Aspekt. Van Gogh war ein sehr bekannter Maler des Impressionismus, der jahrzehntelang die Hitliste der teuersten Gemälde anführte. Mona Lisa ist das bekannteste gemalte Gesicht auf unserem Planeten. Das Museum in Bilbao birgt seit ungefähr zehn Jahren die bedeutendste Picasso-Sammlung der Welt. Und wer kennt nicht die sagenhaften Schätze aus der Grabkammer des Tutenchamun, welche stellvertretend für eine der ersten Hochkulturen der Menschheit stehen?“

      Er machte eine kurze Pause: „Okay. Neues Brainstorming. Welche Kunstwerke sind noch weltbekannt?“

      Zwei Minuten später fragte er die Ergebnisse ab. Mehr Zeit wollte er nicht geben. Er wollte das hören, was jedem zuerst einfiel ohne lange nachdenken zu müssen.

      „Rubens. Der Goldene Helm.“

      „Der David von Michelangelo in Florenz.“

      „Die Sixtinische Kapelle in Rom.“

      „Die Kronjuwelen im Londoner Tower.“

      „Die tönerne Armee in China.“

      „Das Goldmuseum in Peru.“

      „Das Guggenheim-Museum in New York.“

      „Die Sphinx.“

      „Die Uffizien in Florenz.“

      „Der Schatz des Priamos.“

      „Die Fabergé-Eier-Sammlung in Moskau.“

      „Okay. Irina.“ Damit wandte er sich für einen Auftrag an seine rumänische Stellvertreterin. „Stell die Liste zusammen und schick sie nach Stockholm. Nimm den Zusatz in die Liste mit auf, dass alles, was einen außergewöhnlichen Bekanntheitsgrad hat, gefährdet ist. Ich empfehle außerdem die Museen geschlossen zu halten, bis das Personal abschließend überprüft und ausgewechselt wurde. Jedes Museum soll jeden Mitarbeiter, der innerhalb der vergangenen zwölf Monate; nein sagen wir fünfzehn Monate, neu eingestellt wurde, in unbedenklichen Positionen einsetzen. Oder, wenn sie verdächtig sind, vorläufig vom Dienst freistellen. Die örtlichen Polizeidienststellen sollen die Überprüfungen vornehmen und uns die Ergebnisse zuschicken. Außerdem sollen sich die betroffenen, freigestellten Wachleute im Abstand von 48 Stunden persönlich auf einer Polizeidienststelle melden.“

      Irina nickte, während sie sich eilig Notizen machten. Rizzardi beendete das Treffen und schickte