Andreas Engelbrech

Am Ende


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hier die Aufnahmen, wie sie das Museum verlässt. Achten Sie bitte auf die blaue Handtasche! Zuerst dachten wir, sie hat sie von einem Komplizen im Museum erhalten. Als wir die Bilder aber genauer auswerteten, entdeckten wir, dass sie die Handtasche aus einem Fach an der Rollstuhlseite herausgezogen hatte, als sie die Roboter-Nonne vor die Mona Lisa schob. Sie schob die Handtasche so geschickt unter die weiten Ärmel ihres Kleides, dass es keinem auffiel.“ Die Bilder aus dem Ausstellungsraum der Mona Lisa wurden nochmals eingeblendet und angehalten, als die Handtasche für kurze Zeit zu sehen war.

      „Als sie das Foyer betrat, entnimmt sie diesen kleinen Beutel, der wie ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch aussieht, der Handtasche, wirft einen Blick auf die Uhr und schleudert das Päckchen in einen Mülleimer. Wie Sie sehen, ist es 10 Uhr, 8 Minuten und 55 Sekunden. Wie Sie erkennen können, ist das ganze absolut präzise geplant worden!“

      Wieder wurde Monsieur Gaultier durch eine Frage unterbrochen: „Wurde sie gefasst?“

      „Nein! Als sich der Rauch des Nebelkörpers verzogen hatte, fanden wir ihr Kleid und die Handtasche. Wie Sie hier sehen, verließ sie den Louvre in Jeans und T-Shirt und einem Taschentuch vor dem Gesicht, das geschickt ihre Augen verbarg. Aufgrund dieser Täuschung suchten unsere Männer mindestens zwei Stunden mit einer falschen Personenbeschreibung. Auch die Fahndung mit Hilfe des Eyescannings blieb erfolglos.“

      Der Chef des Überwachungsdienstes gab seinem Assistenten wieder ein Zeichen, worauf dieser das Licht wieder einschaltete. Leinwand und Monitor verschwanden geräuschlos in der Decke. „Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“

      Der ranghöchste Vertreter der französischen Regierung meldete sich zu Wort, ohne auf die Ausführungen der nächsten Spezialabteilung zu warten: „War es das Original?“

      Alle Augen wanderten vom Fragesteller den Tisch entlang zu einem gross gewachsenen Mann, der jetzt seltsam klein und verloren auf seinem Stuhl in der Runde saß: „Ja!“, antwortete er und gab jeglicher Hoffnung den Todesstoß. „Ja! Es war das Original!“

      Um 14 Uhr wurde die Pressekonferenz pünktlich eröffnet. Obwohl im Gegensatz zu Amsterdam nur ein Bild zerstört wurde, waren doppelt so viele Journalisten anwesend. Und zehn Mal so viele Fernsehsender übertrugen die Pressekonferenz live.

      Der Chef der Pariser Polizei eröffnete die Konferenz und ließ wie bereits am Morgen, nur in gekürzter Fassung, den Chef des Überwachungsdienstes ausgewählte Bilder der Überwachungskameras kommentieren. Danach stellte er sich den Fragen der Presse aus aller Welt.

      „Gab es Verletzte oder Tote?“

      „Keine Toten. Es wurden neun Menschen verletzt, die alle noch im Krankenhaus behandelt werden. Es befindet sich niemand in Lebensgefahr. Aller Voraussicht nach wird es keine bleibenden Schäden geben!“

      „Gab es eine Warnung vor dem Attentat?“

      „Es ging eine Ankündigung ein. Alle Vorsichtsmaßnahmen wurden sofort eingeleitet. Und ich betone, dass sich die Sicherheitsvorkehrungen auf einem außergewöhnlich hohen Niveau befanden!“

      „Wer steckt hinter diesem Anschlag? Sind es die gleichen Täter wie in Amsterdam?“

      „Verschiedene Indizien weisen auf die gleichen Täter hin. Wer es ist, wissen wir noch nicht!“

      „Was für Indizien?“

      „Aus polizeitaktischen Gründen kann ich dazu noch keine Stellung beziehen. Ich bitte um ihr Verständnis.“

      „Was wird getan, um die weitere Vernichtung unseres Kulturgutes zu verhindern?“ Mit der Verminderung der Lautstärke nach dieser Frage erhöhte sich die Spannung im Saal. Der französische Minister für Kultur gab ein Zeichen, dass er die Frage zu beantworten wünschte: „Ab morgen bleiben alle wichtigen Museen in Europa geschlossen. Wir haben bereits mit der Erarbeitung eines umfangreichen und wirkungsvollen Sicherheitskonzeptes begonnen.“

      In der Niederlassung Frankreich des European Security Service, etwas außerhalb von Paris, wurde zeitgleich zur Pressekonferenz eine verdeckte Operation eines Ermittlungsteams verfolgt. Via Satellit wurde das Eindringen von zehn Männern und drei Frauen in ein heruntergekommenes Bürohochhaus in Lagos, Nigeria, verfolgt.

      Das Team war in der Nacht von Europa aus kommend auf einem amerikanischen Flugzeugträger im Golf von Guinea gelandet, dort mit Hubschraubern bei drei Fischerbooten vor der Küste Nigerias abgesetzt worden. Mit den Booten landeten sie in einem verschlafenen Fischer- und Schmugglerdorf fünfzig Kilometer östlich von Lagos. Weiterhin unbemerkt gelangten sie mit zwei alten, angerosteten LKW´s nach Lagos zu dem Gebäude, in welchem sich der Telefaxanschluss befand.

      Von Europa aus konnte der Anschluss ermittelt werden. Die Firma, welche die Räumlichkeiten und den Telefaxanschluss mieteten, war nicht bekannt. Auch die Kontaktleute des ESS in Nigeria konnten nichts in Erfahrung bringen.

      Während drei Mann bei den LKW blieben, eine Frau und ein Mann den Eingang sicherten, drang der Rest der Crew in die Büroräume der verdächtigen Firma ein. Zwei Männer sicherten Zugang und Flur zum Büro, der Rest durchforstete die Firma.

      Die Aktion wurde direkt nach Europa übertragen. Die Tür war leicht zu öffnen. In den Büros war es angenehm kühl, die Klimaanlage lief. Die Räume selbst waren leer. Keine Möbel, keine Schriftstücke, kein Müll. Lediglich das Telefaxgerät befand sich auf dem Boden direkt neben dem Anschluss in der Wand. Das Team packte seine Ausrüstung aus, begann mit der Suche und Sicherstellung von Spuren. Der Boden wurde mit Spezialstaubsaugern abgesaugt, Ritzen in Wänden und Böden wurden mit Pinseln nach Haaren, Schuppen, allem, was auf die Täter hinweisen konnte, gesäubert. Selbst die Abflussrohre in den Waschräumen wurden untersucht.

      Zwei Stunden später verließ das Team wieder das Bürogebäude. Die Kontaktleute hatten während der „Säuberungsaktion“ Befragungen durchgeführt. Obwohl sie auch mit Geld nachhalfen, bekamen sie nur heraus, dass ein Mann telefonisch das Büro gemietet hatte, telefonisch den Telefaxanschluss beantragt hatte. Die Miete und andere Kosten wurden bar bezahlt, durch einen Kurier überbracht. Und: In diesem Teil der Erde gab es keine Überwachung wie in den europäischen Städten.

      „Was bedeutet dieser Code auf der Warnung vor dem Attentat?“ Die Frage stellte der Pariser Polizeichef dem Leiter der Sonderkommission Van Gogh.

      In dem Büro des Polizeichefs waren nur wenige hochrangige Polizisten und Ermittler anwesend, sowie der Agent des ESS, Anthony Brown.

      „Es scheint ein Gewährleistungscode zu sein, den wir auf einem Brief des Van-Gogh-Attentäters gefunden haben.“ Die Stimme des Amsterdamer SK-Leiters war ruhig, aber monoton. Im Gegensatz zu seinen Gedanken. Es war keine Unterhaltung mehr, es war ein Verhör.

      Anthony Brown schaltete sich ein: „Warum haben Sie die Sache mit dem Code für sich behalten?“

      „Weil ich dadurch den Täter, die Hintermänner, verunsichern wollte. Damit sie einen weiteren Brief schicken würden, damit sie Fehler machen würden.“ Die Aussage grenzte schon fast an ein Stammeln.

      Kühl und sich der Macht seiner Schlussfolgerungen bewusst fuhr der ESS-Agent fort: „Der Code stellt so etwas wie ein Authentizitätsmerkmal dar, der die echten Attentatswarnungen von den Trittbrettfahrern unterscheiden soll. Vielleicht sollte das Gemälde gar nicht zerstört werden. Vielleicht sollten auch die Menschen gar nicht verletzt werden! Haben Sie daran schon einmal gedacht?“ Anthony Brown blickte den SK-Leiter an wie eine Schlange, die ihr Opfer kurz vor dem Giftbiss hypnotisiert.

      „Wir haben sofort nach Eingang des Fax in Paris angerufen!“, verteidigte sich die in Lebensgefahr schwebende Maus.

      „Wissen Sie wie viele Drohanrufe jeden Tag seit den Anschlägen in Amsterdam für Museen, Gemäldesammlungen und Ausstellung weltweit eingehen? Dieser Code, den Sie für sich behalten haben, dessen Existenz Sie für sich behalten haben, hätte den Unterschied zwischen echt und unecht ausgemacht!“

      Noch am Abend des gleichen Tages wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Leiter der Sonderkommission Van Gogh eingeleitet. Wenige Tage später wurde er aus dem