Fachmann, der das Sicherheitsschloss möglichst unversehrt öffnen kann.“ Robert nickte und gab einem der neben ihm stehenden Kriminaltechniker einen Wink.
„Und wie sind dann die Haushälterin und der Sohn der Familie auf das Grundstück gekommen?“, informierte sich Jan.
Bloemer deutete auf den Hundezwinger. „Da drin gibt es einen gut gesicherten Zugang. Als ich eintraf, war Wim zusammen mit Erik de Groot auf dem hinteren Grundstück.“
„Aber um dahin zu gelangen, würde ich nicht riskieren, den verrückten Köter freizulassen“, warf Bahlmann ein. Dann ging er zusammen mit dem Kriminaltechniker hinüber zur Haustür.
Robert wandte sich an Jan: „Hast du Lin gesehen?“
Jan nickte. „Sie wartet da drüben im Kleintransporter der Rechtsmedizin, bis sie an der Reihe ist und ihren Job erledigen kann.“
Die Spurensicherungsleute hatten inzwischen einen aufklappbaren Zeltpavillon errichtet, unter dem sie sich unterstellten. Dort wurden sie auch mit den jeweils passenden Schutzkleidungen versorgt. Einige Gestalten wuselten bereits in grauen Overalls umher.
Inzwischen war es auch dem Techniker gelungen, die Haustür zu öffnen und die ersten Kollegen von der Spurensicherung hatten das Haus betreten. In ihren grauen Schutzoveralls sahen sie wie Überlebende nach einer Umweltkatastrophe aus. Bloemer gab ein ganz besonders seltsames Bild ab. In seinem grauen, sich über den ganzen Bauch spannenden Overall erinnerte er mehr an einen Punchingball, als an einen sportlichen Polizisten.
„Offenbar haben die Hausbewohner ihre Sicherheitsanlage nicht aktiviert. Was mich eigentlich wundert“, stellte Bahlmann fest. Er hatte recht, denn es gab an der Hausfassade im ersten Stockwerk einen Alarmmelder und auch eine Videokamera.
„Kannten Sie die de Groots persönlich?“, erkundigte sich Robert. Bahlmann grinste nur. „Persönlich hatte ich jedenfalls nicht die Ehre.“
„Aber es müssen doch ein paar grundlegende Fakten bekannt sein: Alter, Beruf, Reputation.“
Robert wartete auf ein paar Bemerkungen, aber es kamen keine. Er begann sich langsam darüber zu ärgern, dass er fast jede Information dem Vechteraner Kripo-Chef aus der Nase ziehen musste.
„Meine persönlichen Kenntnisse über die Familie de Groot reduzieren sich nur auf das, was man ohnehin aus der Zeitung weiß, oder was man so von den Leuten hört.“ Bahlmann wickelte ein Eukalyptusbonbon aus seiner Hülle und steckte es sich in den Mund. „Sie sollen angeblich mit zu den zehn reichsten Leuten in der Gegend gehören. Hendrik de Groot ist oder war einer der erfolgreichsten agrarindustriellen Unternehmer hier in Südoldenburg. Ihm gehörten wahrscheinlich die meisten großen Mastanlagen im Landkreis.“
Robert war nicht sonderlich überrascht, das zu hören. Allein die Renovierung des alten Gebäudes musste eine beachtliche Stange Geld verschlungen haben.
„Bevor wir rein ins Haus gehen, würde ich mir gern noch mal die nähere Umgebung ansehen“, meinte Robert. Er machte auf dem Absatz kehrt und ließ Bahlmann im Regen stehen.
Bahlmann schnaubte verächtlich, machte aber keine Anstalten ihm zu folgen. Robert ging hinüber zum Einsatzwagen der Rechtsmedizin, schob die Seitentür auf und stieg ein. Er hielt inne, als erwarte er, dass Lin etwas sagen würde. Aber sie sah ihn nur blinzelnd an. Er setzte sich ihr gegenüber: „Tut mir leid wegen heute Morgen.“
„Wird es noch lange dauern?“, fragte Lin.
„Du kannst wahrscheinlich schon sehr bald loslegen. Die Spurensicherung ist bereits im Haus.“ Er studierte die Maserung des eingebauten Holztisches, der zwischen ihnen stand. „Du solltest dich auf alle Fälle auf einen grässlichen Anblick vorbereiten.“
„Ist schon okay“, erwiderte Lin. „Wir Rechtsmediziner sind dafür bekannt, knallharte Typen zu sein. Ich mache da wahrscheinlich keine Ausnahme.“
„Ich weiß“, stimmte Robert ihr zu und schmunzelte.
Sie hielt ihm ganz unerwartet ein eingewickeltes Etwas entgegen: „Hier, das ist für dich.“
„Was ist das?“
„Wirst du schon sehen. Nimm es einfach und stecke es sofort weg.“
Robert betastete das in Zeitungspapier eingerollte längliche Etwas. Es fühlte sich an wie ein Röhrchen, in das man einzelne Zigarren verpackt, damit sie ihr Aroma nicht verlieren. Er hielt es unter seine Nase und schnupperte daran.
„Es ist ganz bestimmt nicht das, was du jetzt denkst“, betonte Lin. „Aber du wirst es gut brauchen können, wenn du dringend etwas Entspannung nötig hast.“ Robert gab sich damit zufrieden und schob das eingewickelte Geschenk in eine der aufgesetzten Seitentaschen seiner Hose.
„Danke, dass du mitgekommen bist.“ Er schien weitere Worte abzuwägen und sagte dann behutsam: „Weißt du, es ist so ein verdammt ungutes Gefühl. Ich glaube …“
Krächzend meldete sich die Stimme eines der Spurensicherungsleute aus seinem Walkie-Talkie: „Chef? Wir sind jetzt soweit. Ihr könnt jetzt reinkommen.“
***
Die Kollegen hatten im Haus eine Art begehbaren Korridor vom Eingangsbereich durch das Wohnzimmer bis hin zur Terrassentür eingerichtet. In allen Räumen waren die Spezialisten damit beschäftigt, Gegenstände zu markieren, Sicherungsmaßnahmen zu treffen, Fotos zu schießen oder verdeckte Hinweise aufzuspüren. Außer einem verrutschten Teppichläufer und einem umgekippten Stuhl waren auf den ersten Blick kaum besondere Auffälligkeiten im Erdgeschoss zu erkennen. An der gläsernen Terrassentür, die einen Blick hinaus zum Grundstück erlaubte, waren erst vor wenigen Minuten Fingerabdrücke abgenommen worden.
Kai Bahlmann drängte den Mann, der die Spuren gerade gesichert hatte, zur Seite und hatte im nächsten Moment die Absicht, die Glastür zu öffnen, als Robert ihn unverzüglich stoppte: „Ich muss Sie doch nicht daran erinnern, wer hier das Sagen hat, Herr Polizeioberrat!“ Bahlmann zuckte bei dem tiefen Ton in seiner Stimme zusammen und nahm die Hand vom Türgriff. „Halten Sie sich also etwas zurück. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?“ Seine Worte klangen mehr wie eine deutliche Feststellung als eine Frage. Bahlmann kämpfte einen Augenblick lang mit sich, ließ aber dann stillschweigend einem der Spurensicherungsexperten den Vortritt. Die unangenehme Art des Vechteraner Kripo-Chefs ging Robert langsam auf die Nerven.
Als die Terrassentür geöffnet wurde und die ersten Beamten hinaustraten, schwappte ihnen ein beißender Gestank entgegen.
Robert, der sich einen einfachen Atemschutz über Mund und Nase gezogen hatte, blieb noch einen Moment im Regen stehen, atmete den widerlichen Geruch ein, der von dem Pool herüber wehte, und fragte sich, was ihn in wenigen Sekunden erwarten würde.
Nach der Weite der Moorlandschaft kam es ihm auf dem parkähnlichen Anwesen bedrückend eng vor. Hinter ihm stand Lin. Er konnte trotz der Sichtscheibe ihrer Atemschutzmaske ein Lächeln erkennen. Die ersten Gestalten in Overalls verteilten sich über das gesamte Grundstück. Einige verständigten sich mehr über Handzeichen, als mit Worten. Der grässliche Gestank setzte allen zu.
Der Whirlpool war noch immer aktiv. Die Spurensicherungsleute hatten damit begonnen, den ganzen Bereich mit einem aufgespannten Faltpavillon abzusichern.
Im Inneren des beleuchteten Poolbeckens brodelte ein nach Ammoniak stinkender und dampfender Sud, der von einer elektrischen Pumpe angetrieben wurde. Über den Rand des Beckens quollen graue Schaumkronen aus geronnenem Eiweiß, die den ekelerregenden Anblick noch zusätzlich verstärkten.
Es waren eindeutig zwei menschliche Körper auszumachen. Ihre Oberkörper hatten sich beide weit nach vorn geneigt. Der Kopf einer der beiden Leichen war bereits vollständig bis unter die Oberfläche in die stinkende Brühe eingetaucht. Ein großer Teil der gesamten flüssigen Füllmenge des Pools war offenbar schon verdampft. In der restlichen Brühe schwebten gargekochte Fleischfasern und Hautfetzen, sogar vereinzelte kleine Knochen wurden im Sog des Pumpenintervalls auf und ab bewegt.
Als Lin sich neben den Beckenrand kniete,