die Räumlichkeit. Damit hat sie tatsächlich nicht gerechnet. Dass Jill wahrhaftig dieses Interesse an toten Körpern zeigte. Dass sie keine Probleme mit diesem Bild und all den Gerüchen hatte. Es schien ihr nicht das Geringste auszumachen. Offensichtlich genoss sie das sogar.
»Hör auf so sehnsüchtig an die alten Zeiten zu denken.« Jills flüsternde Stimme reißt Neve aus ihren Gedanken.
»Hä?« Plump wie sie manchmal sein kann, schaut sie ihre Kollegin und Freundin an.
»Du erinnerst dich doch eben sicherlich daran, wie ihr damals Norton gefunden habt, nicht?« Neve ist erstaunt, dass Jill in ihr lesen kann. Wenn auch etwas am Ziel vorbeigeschossen, aber scheinbar hat ihre Kollegin keine allzu großen Schwierigkeiten damit.
Neve blickt zu Nortons Büro zurück.
»Nein, das war es nicht ganz. Ich hätte damals vielleicht doch die Gelegenheit nutzen sollen, den Posten anzunehmen. Dieser junge Hüpfer da drüben bereitet mir jeden Morgen schlechte Laune.« Jill kichert leise. Auch ihr passt der Jungspund nicht, ergab sich aber dieser Entscheidung.
Als Norton damals ermordet aufgefunden wurde, wurde Neve, genauer genommen Eden, das Angebot gemacht, die Chefin der Abteilung zu werden. Sie lehnte es nach reichlicher Überlegung dankend ab. Ihr war es einfach zuwider Mordfälle nur noch auf dem Papier zu bearbeiten. Sie brauchte die Straße und den engen Kontakt zum Verbrechen. Hinter dem Schreibtisch wäre ihr das alles verwehrt geblieben. Etwas was sie einfach nicht wollte.
Jetzt bereut sie es manchmal. Ihrem Vorgesetzten muss sie einige Fälle manchmal so kleinlich auseinandernehmen, damit dieser versteht wovon sie redet, dass sie irgendwann müde davon wird. Müde wegen den Erklärungen, müde wegen dem Unwissen ihres Vorgesetzten, müde wegen der eigentlich unnütz gebrauchten Energie. Mit wem hat der Typ nur geschlafen, dass er diesen Posten bekam?
Zwangsläufig, weil Jill sie darauf ansprach, driften Neves Gedanken ab.
Vor drei Jahren stand Trevor neben ihr am Tisch. Sein Gesicht war aschfahl. Es hatte fast den Anschein, als wenn er jeden Augenblick ohnmächtig wurde.
Gerade als sie ihn fragte wollte was mit ihm sei, hauchte dieser »Sie haben Norton gefunden. Oder das was von ihm übrig ist«. Trevor schluckte bei diesen Worten. Neve wusste hingegen nicht, ob sie jubeln oder ebenso geschockt wirken sollte. Sie entschied sich für letzteres.
Bei der Ankunft im Siuslaw National Park, tummelten sich unzählige Polizeibeamte. Ebenso viele FBI Kollegen. Neve war sich nicht sicher, ob diese als Schaulustige dienten, oder an dem Fall mitwirken wollten. Denn mit dem Leichenfund wurde Norton automatisch zu einem Fall.
Trevor und Neve bekamen diesen Fall zugesprochen, weil Neve als Eden schon immer einen guten Draht zu ihrem Vorgesetzten hatte. Es lag also nahe, dass sie und Trevor seinen Tot aufklären sollten.
Die beiden Kollegen betraten den Tatort. Es schien Trevor schwer zu fallen das Absperrband zu heben, damit sie dort drunter durchlaufen konnten. Es wirkte, als wenn es aus Stahl angefertigt worden wäre.
»Versucht die Nerven beisammen zu halten. Das ist wirklich kein schöner Anblick«, warnte ein anderer Kollege die beiden vor.
Während der langen Fahrt zum Park, malte sich Neve schon die tollsten und buntesten Bilder aus wie sie Norton auffinden würde. Wie er erhängt, erschossen oder erstochen irgendwo in diesem Park vor sich hin verwesen würde. Aber der gebotene Anblick übertraf selbst ihre kühnsten Vorstellungen.
Unzählige Menschen umgaben den Leichnam, den man in diesem Zustand nur noch schwer als einen Menschen erkennen konnte. Kollegen, Fotografen und andere Polizeibeamte tummelten sich um den toten Körper.
Als Neve an den Leichnam vollständig herantrat, wusste sie nicht, ob sie würgen oder lachen sollte. Sie war stolz auf Matt, unglaublich stolz. Dennoch durchfuhr sie ein eiskalter Schauer. Sie hatte ja keine Ahnung, dass ihr Boss so bestialisch sein kann. Matt ließ sich Zeit, sehr viel Zeit.
Nortons Gliedmaßen ragten in alle Himmelsrichtungen ab. Mit Seilen wurden diese an Pfähle gebunden, die tief in den Boden gerammt wurden. Allerdings waren sie nur noch mit wenigen Sehnen und ebenso wenig Fleisch mit dem Körper verbunden. Die Arme und Beine wirkten, als wenn jemand oder etwas versucht hätte, diese abzureißen.
Norton war nackt. So sah es zu mindestens aus. Sein ganzer Körper wies Schnitt- und Stichwunden auf. Keine tödlichen, aber schmerzhafte. An den Körperstellen, an denen keine Tiere oder Insekten geknabbert haben, konnte man Hämatome erkennen. Matt überließ Norton also nicht nur den natürlichen Instinkten der Tiere, die auf Futtersuche waren, sondern ließ auch seine Kräfte sprechen. Jeder Schlag und jeder Tritt muss für ihn eine Genugtuung gewesen sein.
Nortons Gesicht war eigentlich gar nicht mehr als solches zu erkennen. Die Augen wurden von Raben oder ähnlichem heraus gepikt. Tiere mit gewaltigen Kauwerkzeugen müssen am Gesicht gerissen haben, wie an einem unschuldigen Lamm das als Opfergabe dargeboten wurde. Neve wusste, dass sich in diesem Wald Bären und Wölfe die Nahrung mühsam suchen müssen. Norton muss ein willkommenes Geschenk gewesen sein. So wehrlos auf dem Boden zu liegen und die Tiere auf sich zukommen zu sehen, muss unvorstellbar gewesen sein. Und dann noch bei lebendigen Leib und klarem Verstand miterleben zu müssen, wie sie an einem knabbern, überstieg sogar Neves Vorstellungskraft.
Der Bauch schien das erste gewesen zu sein, worauf sich die Raubtiere stürzten. Die weichste Stelle des Körpers ist immer ein einladendes Geschenk. Sämtliche Innereien, oder das was davon noch vorhanden war, hingen zerfetzt aus der offenen Bauchwunde.
Der Brustkorb war bis zu dem Rippen abgefressen. Von diesen fehlten sogar einige, oder waren teilweise angeknabbert. Das Herz war gar nicht mehr vorhanden.
Aus den Oberschenkeln fehlten große Stücke Fleisch. Die Zehen der Füße waren auch nicht mehr vollständig. Die Hände waren zu unerkennbaren Stumpen abgefressen.
Mittlerweile überlagerten die unterschiedlichsten Maden und Würmer Nortons Körper. Auch sie wollten noch etwas Leckeres von diesem hervorragenden Menü für sich beanspruchen.
»Wer macht so etwas? Wie kann man nur so krank sein?« Trevors Stimme war hauchend. Neve konnte hören, dass er mit den Tränen kämpfte. Der Anblick seines Chefs, katapultierte ihn in einen Schockähnlichen Zustand. Bevor dieser aber vollends seine Wirkung auskosten konnte, riss Neve ihn aus seiner Starre.
»Lass uns an die Arbeit gehen. Je schneller und präziser wir sind, umso schneller finden wir seinen Mörder.« Sie wusste natürlich wer es war, stellte sich aber gekonnt dumm.
Trevor benötigte noch ein paar Schrecksekunden, bis er sich, ebenso wie Neve, Handschuhe überstreifte und die nähere Umgebung nach Beweisen absuchte.
Der Coroner rupfte in der Zwischenzeit Nortons Körper vom Boden. Sicherlich wog er nur noch die Hälfte seines eigentlichen Gewichts. Die andere Hälfte ist schon verdaut und ausgeschieden.
Neve konnte es sich nicht nehmen lassen, bei diesen Gedanken fast zu lachen. Sie drehte sich etwas von Trevor weg. Ihre leuchtenden Augen hätten einen komischen Beigeschmack zu dieser traurigen Situation gehabt.
Nortons letzter Weg war also recht beschissen. Aufgefressen von Wölfen, welch eine Ironie. Da hat er so viele Jahre gegen die Hunde gekämpft und wurde letztendlich von deren Vorfahren gefressen und ausgeschieden.
Mit Adleraugen durchkämmte Neve die Gegend. Sie wusste, dass sie Matt den Arsch bis zum Mars aufreißen würde, sollte sie hier noch irgendwelche Beweise finden, die zu ihm führen würden.
»Eden, sieh mal.« Neve fiel es manchmal noch schwer auf diesen Namen zu reagieren. Zuhause und bei den Hunden war sie Neve Preston. Aber in der Öffentlichkeit oder beim FBI war sie Eden Stewart.
Ein paar Tage nach deren Rückkehr, standen sie und Sam bei Michael in der Immobilienfirma. Sie erklärten ihm was geschehen war. Natürlich konnte er das zuerst nicht glauben. Es dauerte einige Tage bis er den Brocken geschluckt hatte. Danach war er dann unglaublich glücklich Neve und Sam wieder an seiner Seite zu wissen. Ohne zu zögern überschrieb er Sam ihre Anteile der Firma und arbeitete seit dem Tag mit ihr zusammen. Neve hielt sich aus