Mika vorsichtig den Blick schweifen. Und es dauert nicht lange, da hat er Keno und Liza erblickt. Genau gegenüber – wo auch sonst! Reinste Ironie. Und als würde er es spüren, richtet Keno genau im gleichen Moment den Blick auf ihn. Ein belustigtes Glitzern sprüht regelrecht aus seinen Augen!
Wie kann der so cool bleiben? Mika würde sich an seiner Stelle in Grund und Boden schämen. Er schämt sich ja schon deshalb, weil er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war. Nie wieder werde ich so einen Schwachsinn machen, nimmt sich Mika vor. Doch er weiß ganz genau, dass er sich selber belügt. Er muss nur an die Szene im silber-blauen Mondlicht denken – Keno – die Frau kniend vor ihm – Keno legt genüsslich den Kopf in den Nacken… Oh Mann!!!! Das ist eine Szene, die Mika sich nur mit Jana vorstellen muss und schon schwillt sein Schwanz wieder an.
„Du bist wirklich blass!“ schreckt ihn eine Stimme direkt an seinem Ohr auf. Jana hält ihm mit besorgtem Blick eine kleine Wasserflasche vor die Nase. Mika ist so in seinen Gedanken versunken, dass er die Umgebung um sich herum total ausgeblendet hat.
„Oh.. es geht schon wieder... vielen Dank, Jana, das hättest Du nicht tun müssen.“
Jana legt den Kopf schief und lächelt ihn an.
„Ja klaar, mein armer Schatz!“ Jetzt muss auch Mika wieder lächeln. Und plötzlich ordnen sich seine Gedanken auf merkwürdige Weise. Warum sollte er Jana nicht davon erzählen, was ihm gerade passiert ist? Wenn er es halbwegs geschickt anstellt … könnte er diese kleine Episode vielleicht gegen diesen Schönling verwenden.
„Jana, hör mal…“ setzt Mika also spontan an.
„Ist er nicht der absolute Halbgott…“ seufzt Jana fast im gleichen Augenblick und starrt zu Keno rüber, der sich gerade mit Liza zuprostet.
„Ja, klar… aber Jana hör mal…“ versucht Mika es erneut.
Jana sieht versonnen lächelnd zu Mika hoch.
„Was denn?“
„Also, du kennst doch die Ecke hier, wo ich schon mal…“
Jana’s Grinsen wird immer breiter.
Du Ferkel! Hast du schon wieder ein Mädchen um den Verstand gebracht?!“ fällt sie ihm ins Wort, ohne abzuwarten, was Mika überhaupt erzählen will.
„Weißt du eigentlich, was die Mädels über dich erzählen?“ spricht Jana ungerührt weiter. Jana’s Frage bringt Mika aus dem Konzept.
„Nein! Was denn?!“ Das muss er natürlich wissen.
Jana verzieht ihren süßen Kussmund, als würde sie ein leckeres Bonbon lutschen.
„Dass deine Küsse wie Samt und Seide sind und dass du seeehr einfühlsam bist. Alle sind total enttäuscht, dass du dich nie auf eine richtige Beziehung einlässt. Warum eigentlich nicht?“
Sie sieht ihn mit ihren blauen unschuldigen Augen intensiv an.
„Ääh, ich … Janaa!! Ich muss dir was erzählen!! Kannst du mal zuhören, ohne mich dauernd zu unterbrechen? Es hat mit Keno zu tun!“
Zack!! Jana steht unter Strom. „Erzähl!!“ kommt der knappe Befehl, während sie sich vor Aufregung mit der Zunge die Lippen befeuchtet.
„Also! Ich war da in dem Hinterhof, um in Ruhe einen Joint zu rauchen. Das hab ich dann auch gemacht. Und während ich so in einer schattigen Ecke sitze und vor mich hinträume…“
Jana zappelt und greift Mika’s Hand, um ihn zur Eile aufzufordern. Mika verdreht die Augen.
„… da hör‘ ich auf einmal Schritte. Und wer kommt da auf den Hinterhof? Keno und Liza!“
„Wer?“ Jana runzelt die Stirn. Mit der Schulter versucht Mika dezent rüber zur Bar zu deuten.
„Na, Liza!! Minelli!!! Bekannt aus Film und Funk!!!“
„Nein!!!!!“
„Doch!!“
„Und? Was haben sie gemacht?“ Jana ist jetzt völlig von der Rolle.
„Sie haben sich hingesetzt und ein Butterbrot zusammen gegessen!“ erwidert Mika trocken. „Was haben sie wohl gemacht?!! Sie haben getanzt, rumgeknutscht und dann hat sie ihm einen geblasen!“
Jana starrt Mika entgeistert in die Augen.
„Sie haben getaaanzt!! Wie romantisch!!“ singt sie geradezu und greift sich verträumt an ihre Halskette.
„Hast du zugehört?!! Sie hat ihm einen ge-bla-sen!!“ Mika versteht die Welt nicht mehr. Jana schüttelt den Kopf und winkt stirnrunzelnd ab.
„Das zählt doch nicht!!“
„Häh?“ Im ersten Moment denkt Mika, er hätte sich verhört. „Das zählt nicht? Was genau soll das heißen?“
Jana stellt sich auf die Zehenspitzen, um in Mika’s Ohr flüstern zu können.
„Na, das ist doch ein Kerl!!“
„Quatsch! Das ist ‘ne Frau – Liza Minelli!!“
„Mika!! Wie naiv bist du?! Das ist eine Travestie-Show!!! Das sind alles Männer. Wenn das ‘ne Frau ist, dann bin ich Barbara Bush!“
Mika lacht auf. „Gott bewahre! – Aber Jana!!! Du stehst hier vor mir und behauptest, dein Halbgott ließe sich von einem Typen einen blasen und dann sagst du ‘das zählt nicht‘?! Was genau hab ich verpasst bei deiner Logik?!“
„Er ist ‘Bi‘, Mika!!“
„Bi…“ Damit hat Mika jetzt nicht gerechnet. So eine Kacke!!
„Ja, aber…“ setzt er an. „Trotzdem … hat er ja wohl jemand anderes…“ versucht er lahm zu insistieren, aber eigentlich weiß er bereits, dass er auf verlorenem Posten kämpft.
Jana zuckt mit den Schultern – ihr ‘Ist-Mir-Doch-Schnuppe‘-Zucken. Wenn sie das macht, bedeutet das: Punkt! Keine Diskussion mehr!
„Ach, Mika … diese Transe??!! Der zieht morgen mit seiner Truppe weiter. Ihr Kerle seid doch so! Nehmt euch mal was Exotisches und im nächsten Moment ist es schon wieder vergessen. Was soll’s?!“
„Ich bin nicht so…“ murmelt Mika noch, doch Jana hat sich schon wieder einige Schritte von ihm entfernt, um abzuchecken, wo Keno gerade ist.
Mika hat die Schnauze voll. So langsam geht es ihm auf die Nerven, Jana den ganzen Abend zuzusehen, wie sie den ‘Master of the Universe‘ anschmachtet. Ohne großes Aufsehen verzieht er sich. Er mochte es noch nie, langatmige Verabschiedungsrunden zu drehen.
Leider hat er weder ein Auto noch das Geld für ein Taxi. Das bedeutet: ein kleiner Spaziergang von ungefähr vier Kilometern mitten durch die Nacht. Aber heute macht es eigentlich Spaß. Die Luft ist so mild und jetzt um ein Uhr angenehm frisch. Zügig wandert Mika sich den Alkohol aus seinem Körper. Ungefähr die Hälfte der Strecke muss er an einer schnurgeraden Landstraße hinter sich bringen. Leise summt er vor sich hin, um auch seine Psyche wieder etwas fröhlicher zu stimmen. So bekommt er auch erst gar nichts davon mit, dass ein Auto im Schritt-Tempo neben ihm auf gleicher Höhe ist. Erst als auf der Beifahrerseite die Scheibe runterfährt und jemand ihn anspricht, zuckt er aus seiner Träumerei auf. Er runzelt fragend die Stirn und geht die drei Schritte zum Straßenrand, um zu sehen, wer da hält. Keno! Unfassbar! Na, wenigstens sitzt Jana nicht mit im Wagen.
„Hi…“ sagt Mika recht verhalten.
„Hi … hast du’s noch weit? Komm, ich nehm‘ dich mit!“
In solchen Fällen kennt Mika keine falsche Eitelkeit. Er öffnet die Türe und schmeißt sich auf den Beifahrersitz.
„Danke!“ murmelt er, während er sich anschnallt.
„Kein Problem“,