Rafael di Giorgio

Das Miami Syndikat


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für gute Entschuldigungen habt, neuen Ideen und Lösungen entwickelt, wie man dem Teufel mit seinem ewigen Feuer entgehen kann, bitte meldet euch. Ich muss rechtzeitig beginnen mich vorzubereiten. Denn ich habe viele Äusserungen getätigt… Und ich will auf keinen Fall auf der Seite der Dunkelheit den Allmächtigen bekämpfen, der, obwohl er allmächtig ist, zugelassen hat, dass die dunkle Seite eine Armee hat, die gegen ihn kämpfen wird. Welch ein Gedankengang, der mich aber etwas irritiert, denn ich beginne die Welt immer besser zu verstehen.

      Zurück zum Strand - ein Bild wie aus einem Traum: weisser Sand, das Wasser badet in Farben, die sich von grün bis dunkel blau ineinander auflösen. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Wahrnehmung gestört ist, denn die Welt kann unmöglich in so einer Farbpracht existieren. Ich wüsste aber nicht wovon meine Wahrnehmung getrübt sein sollte. Ich habe nichts geraucht, nichts getrunken, nichts geschnuppert seitdem ich heute die Augen öffnete. Hunderte von Vögeln besetzten den Strand ohne sich von uns gestört zu fühlen und suchen nach Futter. Vogel-sches Futter. Körner, Würmer, Insekten etc. Der Strand ist flach und man kann 20 Meter weit ins Wasser gehen, ohne dass die Tiefe tiefer wird. Und wenn das Wasser bis zur Brust eines normal gewachsenen Europäers reicht, besteht für mich keine Gefahr zu Ertrinken.

      «Man kann die Fische sehr gut sehen», sagt mein blonder Engel, der inzwischen ins Wasser gesprungen ist und mir damit klarmacht, dass das Leben unwiderruflich an mir vorbeizieht in der Zeit, in der ich nachdenke. Und ich muss zugeben, ich bin zu keinen wichtigen Erkenntnissen gekommen.

      «Bringt die Tauchbrillen mit! Es ist umwerfend.» Geht sie davon aus, dass ich mit ins Wasser komme, obwohl meine Körperhaltung etwas anderes andeutet. Geben meine aneinandergepressten, von meinen Armen umschlungenen Knie und mein gesenkter, hin und her schaukelnder Kopf den Anschein ich würde kommunizieren wollen? Ihre Stimme bewirkt eine deutliche Verbesserung meiner Laune. Wie ein Wunder.

      Sie rennen zum Van, holen sich die Brillen und was sie sonst noch so zum Schnorcheln brauchen. Ich muss zuerst essen. Denn der Hunger macht mich schwach. Also packe ich alles aus und will loslegen. Beide Schachteln stehen geöffnet vor mir, auf zwei Sandhügeln in einem Halbkreis um mich herum angeordnet, und warten darauf, dass die Gabel, mal in eine Schachtel mal in die andere tauchen wird. Die Gabel voller Reis nimmt den Kurs 30 ° West direkt zum Essloch. Aber versehentlich werfe ich den Reis stattdessen in Richtung der Vögel. Sie kommen laufend (das Antonym dazu ist kommen gehend, oder sie gehen kommend) und beginnen zu picken. Wie versteinert schaue ich mir diese Kreaturen an und denke, wie froh sie sein müssen, Futter zu bekommen, das in dieser Form nicht in der freien Natur erhältlich. Ich werfe den neugierigen Schwimmer einen flüchtigen Blick zu, belade die Gabel wieder mit Reis und merke dabei, dass drei der Vögel sich nicht mehr bewegen. Sie liegen am Strand, unter einem Gebüsch, ein bisschen tot, ein bisschen vergiftet, ein bisschen an unserer Stelle…

      «Leute kommt schnell! Ich habe eine Überraschung für euch. Schaut euch die Vögel an! Ich habe sie mit unserem Reis gefüttert!»

      «Wäre schön, wenn du unser Essen nicht versaut hättest!» meldet sich Joe mit einem wilden Hunger in den Augen.

      «Was sagst du da? Der Reis war vergiftet. Sei froh, dass du ihn nicht zuerst probiert hast!» schreit die Empörung aus mir heraus.

      «Komm hauen wir ab! Ich habe langsam Angst.» flennt Joena. «Wir sollten die Polizei einschalten! Etwas läuft hier schief. Scheisse!» Sie beendet die Äusserung ihrer Sorgen mit dem Wort, das mehr als tausend Gefühle darstellen kann. Positive sowohl als auch negative. Und im Laufe der Zeit, wenn man die Sprachentwicklung verfolgt, kann man die Theorie aufstellen, dass nach 500 Jahren alle Menschen nur noch “Scheisse” sagen werden. Und je nach Tonfall, Intonation, im phonetischen Sinne, und Akzent wird man 300 Bedeutungen des Worten unterscheiden. Und mehr als 300 Worte benutzt man täglich in unserer gebildeten, zivilisierten Welt seit langem nicht mehr.

      Ich renne zum Van und rufe die Polizei an. Doch wegen der Aufregung kann ich mich nicht richtig konzentrieren und ohne Konzentration klingt mein Englisch eher Chinesisch. Es fehlt mir schwer zu erklären wo wir uns befinden, aber ich schaffe es. Die Jungs kommen ziemlich schnell und wir schildern ihnen was passiert ist. Sie nehmen unsere Fingerabdrücke und zwingen uns breitbeinig zu stehen, um uns zu kontrollieren. Wir könnten ja so einiges in unseren Badehosen und String--Tangas versteckt haben. Obwohl diese Leibesvisitation doch etwas an sich hat… die Gummihandschuhe, der strenge Ton, die Uniformen… Zum Glück nehmen sie ihre Arbeit nicht besonders ernst, denn ich kann nicht erkennen, dass sie Vaseline dabei hätten. Ist das der Preis, den man zu zahlen hat, wenn man so hungrig ist, dass man als erster essen will? Wir brauchen einen mexikanischen Vorkoster! Wenn er 20 Minuten nach dem Vorkosten immer noch OK ist, können wir unbesorgt selber essen. Und so könnte sein Leben einen Sinn bekommen. Denn Gärtnern und Pizzaboys gibt es genug. Man wird versuchen ihn zu retten, falls einmal mit dem Essen etwas nicht stimmen sollte, damit er weiter vorkosten kann.

      Wisst ihr wie die Polizisten in Amerika aussehen? Sie sind nicht in grün angezogen und haben Clownsgesichter. Man weiss nie, ob sie Grimassen ziehen oder einfach nur ernst schauen. Du muss Angst vor ihnen haben, denn sie massieren dich schneller mit dem Schlagstock als du die Bestellung für die Massage aufgeben kannst. Und das, weil sie Gedanken lesen können. Sie werden speziell dafür geschult. Sie geben dir nicht nur einfach einen auf die Fresse. Das wäre ja primitiv. Sie sind auch nicht die freiwillige Feuerwehr, die Katzen von Bäumen runterholt, ohne sie vorher zu erschiessen. Vor unseren Bullen hier muss man Respekt haben und daran glauben, dass man unschuldig ist. (Erinnert ihr euch? Gedanken lesen…) Die Jungs haben alles zur Kenntnis genommen, die Essensreste fürs Labor eingepackt und schon sind sie weg.

      Nachdem sie meine Proteste mit Verständnis und einem Elektroschock erwidert haben. Die Nadeln haben sie aus einer Pistole auf mich geschossen. Nadeln, die sich tief in meine Haut gebohrt haben. Durch die dünnen Verbindungskabeln, die die Pistole und mich verbanden, flossen 20.000 Volt, die mich nicht nur zum Tänzer und Akrobat gemacht haben, sondern auch viel klüger. Wenn ich das nächste Mal meine Meinung wieder frei äussern möchte, werde ich erst sicherstellen, dass sich zwischen dem Polizist und mir ein Auto befindet, das mich von diesen Reanimierungsmethoden beschützt. Nachdem sie den Strom abgeschaltet haben, und das nach zehn Minuten, nur um sicherzugehen, dass mein Herz auch wirklich ohne fremde Hilfe weiterschlägt, steigen sie in ihr Auto. Sie würden sich melden und uns genau sagen, was los ist. Vielleicht war es ihnen am Strand zu heiss, um sich noch mehr körperlich zu betätigen und mich auch noch zu verprügeln. Und meine Befürchtung, dass sie die Untersuchung nicht erst genommen haben, weil sie keine Vaseline dabei hatten, war falsch. Sie benutzten keine Vaseline, weil sie Spezialisten waren. Zumindest wissen wir jetzt, Joe und ich, dass unsere Prostatae in Ordnung sind, denn sonst hätten sie uns, nach der manuellen, internen Prüfung, sicherlich für eine CT ins Krankenhaus geschickt.

      «Was machen wir jetzt?» stell jemand die Frage. Ich kann nicht mehr unterscheiden wessen Stimme das war nachdem mein Körper gerade erfahren hat wie es ist Leiter von 20.000 Watt, Volt und Ohm zu sein, direkt nach der trockenen Prostata Untersuchung. Und reanimiert zu werden, obwohl man schon animiert war. Also, kann ich euch nicht sagen, wer die Frage gestellt hat. Aber, sie war eine berechtigte Frage. Was jetzt? Joe und ich tun so, als ob nichts passiert wäre, obwohl die Tränen in meinen Augen keine Freudentränen sind. Bei Joe bin ich mir nicht so sicher. Ich habe das Gefühl, ihm ist diese Art von Untersuchung nicht fremd…

      «Ich schlage vor, wir bleiben hier und entspannen uns! Das ist das beste Rezept, Angst und Panik zu überwinden. Sie nicht zu beachten. Die Kontrolle über uns darf nicht der Panik überlassen werden. Also, lasst uns schwimmen und wisst ihr was? Wir holen uns etwas anderes zu essen!» Sie schauen mich ein bisschen skeptisch an, da die Schweisströpfchen, die aus meinen Haaren perlen, von Funken begleitet werden.

      «Wir würden an deiner Stelle nicht schwimmen wollen…»

      «Ihr wisst, ich bin der Stärkste von uns. Also zwingt mich nicht, euch dazu zu zwingen! Alles klar?» Meine Stimme klingt so bedrohlich und energiegeladen, dass sie nicht den Mut haben mir zu widersprechen. Ich muss meine Entjungferung durch Aggressivität runterspielen, um davon abzulenken. «Sonst legen wir uns an den Strand und weinen uns so richtig aus, bis die Haie es nicht mehr ertragen und aufs Trockene springen, um uns zu fressen. Habe ich recht?»

      «Ja!»