Rafael di Giorgio

Das Miami Syndikat


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träumen. Obwohl es ganz einfach für sie wäre. Wenn sie ihren Brust-, danach Taillen- und danach Arschumfang messen würden und sie auf ein Ergebnis von 90/60/ab 90 (Zentimeter nicht Meter…) kommen würden und sich sofort bei mir melden würden, würde ich für sie jeden Traum Wirklichkeit werden lassen. Im ersten Gebüsch, Auto, Zimmer, Platz, der, die, das frei zur Verfügung stehen würde. Nur sie gehen natürlich den komplizierteren Weg. Charme, Komplimente, Unterhaltungen machen die Sache so kompliziert. Es könnte alles so einfach sein… Und wer versucht Männer davon zu überzeugen, dass Frauen weniger auf Äusserlichkeiten stehen und die Erregung mehr auf intellektueller Ebene entwickeln, liegt total falsch.

      «Wir haben etwas gefunden. Eine Party an der 16th Street. Etwas supercooles, aber wir sagen euch nicht, was es ist!» Wir gehen zum Van, der inzwischen bis zur Strasse gerollt ist, weil ich immer vergesse die Handbremse zu ziehen. Aber die Tatsache, dass die Türen weit offen sind wirft Fragen auf, die Antworten suchen.

      «Ich glaube, sie haben mir die Volksmusik CDs geklaut. Wenn wir die Müllcontainer durchsuchen, werden wir sie wiederfinden», singe ich.

      «Du hast aber gar keine CDs mit Volksmusik!» singen sie die zweite Stimme.

      «Fuck! Das ist schade. Dann haben sie etwas anderes geklaut. Es fehlt aber nichts. Mein Handy ist da, mein Laptop ist da, nur die Listen sind nicht mehr da. Ha, ha, ha… Ich habe sie im Computer gespeichert», lache ich geheimnisvoll.

      «Was für Listen?» fragen sie dreistimmig.

      «Keine Ahnung. Sie enthalten eine Menge Namen und ich will ein paar für die Kinder aussuchen, die ich noch zeugen werde. Man muss sich rechtzeitig darauf vorbereiten!» antworte ich unisono.

      Wenn man viel labert, merkt man nicht, was eigentlich in so einer Situation wichtig wäre. Und wichtig wäre das schwarze Auto mit schwarzen Scheiben gewesen, das gerade um die Ecke biegt. Langsam, unauffällig, erneut mysteriös. Ihr solltet nie etwas alkoholisches in dieser Hitze trinken, sonst werden eure Gedanken auch so unklar wie meine. Obwohl ich seit Isabelles Besuch nichts mehr getrunken habe… hmm! Und ich dachte es liegt am Alkohol.

      Wir erreichen die Party und sind froh endlich all das machen zu können, was uns zwingen wird am Ende der Veranstaltung ein Taxi zu nehmen, wenn wir unsere Führerscheine behalten und uns eine Nacht im örtlichen Gefängnis ersparen wollen, in dem ich den dicken Mexikaner heiraten würde, der nur mit dir bumst wenn er auch mit dir verheiratet ist. Und wie ich sein Gewicht einschätze (abgeleitet aus meiner Fantasie, die auf Erfahrungen mit der Polizei in Amerika basiert, die besoffene Autofahrer erwischt, sie ins Gefängnis steckt und sie dadurch zu Bräuten der dicken Mexikaner macht), wird er mich über die Türschwelle tragen, denn ich werde mit Sicherheit seine Braut sein. Ich Rico. Er wird mich aber Rica nennen.

      Die Salsa Band gibt ihr Bestes, damit wir den Abend in Erinnerung behalten. Musik voller Rhythmus, Leidenschaft, Liebe und Schmerz. Schon bewegen wir uns eng umschlungen, ich und die unbekannte Lady, und das nur, weil ich meine Flamme nicht finden kann und ich unbedingt das Bild des dicken Mexikaners aus dem Kopf bekommen muss. Sie ist ein wenig schüchtern und sehr still. Kein Wunder, denn ihr würdet auch nicht reden können, wenn eure Zunge mir den Hals ablecken würde. Auf eine Art und Weise, die mich dazu bringt den dicken Mexikaner für einen Moment zu vergessen. Ich bedanke mich für den Tanz, gebe ihr einen Kuss und gehe weg. Es gab Zeiten, da wären wir irgendwo im Gebüsch gelandet und ich hätte für ihren Proteinvorrat gesorgt. Nachdem ich ihr alle erotischen Träume erfüllt hätte. Alle. Denn das ist eigentlich meine Bestimmung auf diesem Planeten. Diese Zeiten sind vorbei. Wenn ich mit meinem Baby ausgehe, sind andere Frauen für mich fast tabu. (Ich würde euch raten mir noch keine Statue aus Marmor zu meisseln und euch noch ein bisschen zu gedulden. Es könnte sein, dass die Zungensport betreibende junge Frau todkrank ist und unbedingt ihren letzten Wunsch mit mir erfüllen will. Und das wäre nicht Händchen halten!)

      «What´s up?» höre ich hinter mir. Eine Frage, die nichts sagt, und kein Interesse äussert, und nur eine Antwort hervorruft: “Fuck you!” Denn wenn man nichts zu sagen hat, sollte man die Umwelt nicht mit Lärm belasten. Aber dann erkenne ich die schöne Stimme einer Frau, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde. Und die mich sehr schnell wieder beruhigt.

      «Hier finden tausend Partys statt und das nur in dieser Strasse, und wir treffen uns so zufällig hier? Das ist Schicksal, Prinzessin!» spule ich mein philosophisch, romantisches Programm ab.

      «Ich muss mit dir reden», stöhnt sie leise.

      «Wenn das Gespräch die gleiche Form wie heute im Van annehmen soll, muss ich dich enttäuschen. Ich bin nicht alleine hier», versuche ich stark zu sein, mir Prinzipien einzureden und mich in Demut zu üben.

      «Es ist wichtig! Nicht nur für dich oder mich, sonder auch für deine Freundin!» sagt sie und ich spüre ein komisches Kribbeln im Bauch.

      «Nein Babe, mach das nicht! What happens in the van of love, stays in the van of love!» antworte ich verwirrt über mich selbst, denn die Geschichten aus dem Van sind legendär. Und die Welt hat ein Recht darauf sie zu erfahren. Sonst ist das als ob man Sporttrophäen im Keller verstecken würde… oder Geld in der Matratze. Man tut bestimmte Sachen im Leben nicht nur für sich selbst, sondern auch um die anderen eifersüchtig und stinkig zu machen. Denn es heisst: geteilte Freude, doppelte Freude!

      «Darum geht es nicht. Und wir sind nicht im Kindergarten! Ausserdem geht es mich nichts an, was du machst und vor allem mit wem. Ich hoffe nur, du wirst es wieder mit mir tun. Ich will euch helfen, dann könnt ihr mir helfen.» Aus diesen vielen verwirrenden Infos höre ich nur eins heraus: “Ausserdem geht es mich nichts an, was du machst und vor allem mit wem. Ich hoffe nur, du wirst es wieder mit mir tun…” Denn Männer haben die fantastische Eigenschaft Aussagen zu filtern und nur das zu hören, was für sie wichtig ist. Dass das Rätsel immer rätselhafter wird entgeht mir natürlich. Sie springt zur Seite, versteckt sich hinter mir und sagt:

      «Ich werde dich anrufen, aber sei vorsichtig. Ich mag dich, mehr als du glaubst!» Und mit diesem einfachen Satz, der einen Haupt und einen Nebensatz enthielt, ohne stilistische Mittel, ohne komparative Metaphern und metaphorische Semantik, bringt sie mich dazu mich mindestes fünf bis sieben Zentimeter besser zu fühlen. Ihre Lippen berühren meine, ich fühle ihren Atem, ihre Wärme… Die Spitze ihrer Zunge findet meine für einen kurzen Augenblick, der Erinnerungen in mir erweckt. Vor meinen Augen spielen sich Szenen mit ihren Lippen ab, die auch ganz andere Teile meines Körpers geküsst haben und mich viel näher an die immanente, absolute, fortwährende Wahrheit brachten. Dann verschwindet sie. Es ist so gerammelt voll, dass ich nicht merke, ob jemand gekommen oder weggegangen ist. Sobald ich über all das, was, passiert, war, nachdenke, (die neue Regel der Schreibreform: nach jedem Verb kommt ein Komma - es scheint etwas futuristisch, aber die Zeit vergeht und morgen wird sie Realität...) scheint mir die Häufigkeit der Geschehnisse, die nicht zu einem normalen Tagesablauf gehören, gross zu sein. Zu gross! Draussen auf der Terrasse drehe ich mir einen Joint und versuche Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Aber mitten in einem Wirbelsturm ist das schwierig. Und mein Blut befindet sich an anderen Stellen, nur nicht im Gehirn, was das Denken auch nicht gerade erleichtert.

      «Du bist so ruhig und traurig, ich hätte dich fast nicht erkannt, bis ich dein weisses Hemd gesehen hab», sagt mein blonder Engel. Sie hält zwei Gläser Wein und gibt mir eins davon. «Sag mir, was dich beschäftigt und ich nehme dir die Sorgen ab!»

      Ich muss wohl ziemlich blass sein, wenn sie in dieser Dunkelheit meine traurige Miene wahrnimmt.

      «Ich fühlte mich sicher hier. Bis ich angefangen habe, nur noch ein Drittel von dem was hier passiert zu verstehen. Das macht mich unruhig», muss ich leider zugeben.

      «Morgen sind alle deine Sorgen verschwunden», summt sie verständnisvoll. «Sorgen, die du nicht hättest, könntest du dich zurückhalten und nicht alles flachlegen, was sich so anbietet!» Sie kann es einfach nicht lassen. Denn Frauen sind generell klüger, weil sie zuerst von der Frucht der Erkenntnis gekostet hatten. Und obwohl sie danach den nackten Adam sahen und die Erkenntnis verstanden, hatten sie keine andere Wahl und sie behielten ihn.

      «Ich glaube, du hast recht», versuche ich zu lachen. «Meine Lebensphilosophie war immer: “Liebe lieber alle,