Rafael di Giorgio

Das Miami Syndikat


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Organisationen. Darum kümmere ich mich!» bellte das Monster.

      «Nur vier! Du genetischer Abfall, nur vier....» Durch autogenes Training fand er seine Fassung wieder.

      «Aber Chef, Sie haben gesagt…»

      «Halt’s Maul! Fuck you…»

      Seine Fassung nahm eine neue, interessante Form an. Und die philosophischen, gesellschaftlichen, futuristischen Visionen, die er vertrat, fanden Ausdruck in einer sehr interessanten Art und Weise der Kommunikation. Denn nur das war die Sprache, die sie verstanden. Diese Monster…

      Es war nicht die Stimme oder die Stimmung, nein, es war das Büro, das alles so unheimlich erscheinen liess. Um solche Büros bezahlen zu können, stilvoll, zeitlos elegant, brauchte man ein gut laufendes Unternehmen oder vierzig, (Komma) drei Lebzeiten, um das erforderliche Geld aufzubringen. Oder das Syndikat. Dicke Teppiche bedeckten den Boden und verringerten das Volumen des Raumes bei mindestens einem halben Kubikmeter. Und diese Teppiche hatten schwarze und sauerkirschrote Muster. (Rot, wie die Kommunisten oder Kapitalisten, die er in der Sonne der Sahara zwei Tage lang vergass. Ab und zu. Damit sie nachdachten! Um ihnen die Möglichkeit zu geben, Visionen zu haben. Da irrte einer vor zweitausend Jahren durch die Wüsste, durch die Hitze, und redete danach wirres Zeug. Zeug, das die Menschheit daraufhin für tausende von Jahren prägte. Aber das war eine andere Geschichte…) Möbel aus Holz, für die alte, grosse Bäume sterben mussten und hunderte von Sklaven in Fabriken mit den Händen und Schmirgelpapier schufteten bis der Designer der Meinung war alles würde perfekt passen. Seine wahr gewordene Vision.

      Man kann nicht Milliarden Dollar verdienen, wenn man ehrlich arbeitet. Und wenn ihr glaubt diejenigen, die Milliarden besitzen, waren immer ehrlich und verhielten sich stets ethisch und korrekt, dann solltet ihr schnell eine Sekte gründen und auf einsamen Inseln Lieder über blaue Schmetterlinge singen.

      Der Visionär II

      Die Blumen der Orangenbäume, weiss, klein, filigran, wunderschön, dufteten intensiv. Ein Baum, der Früchte und Blumen gleichzeitig trug. Hoffnung und Erfüllung zugleich. Sein Lieblingsbaum. Mit jedem Atemzug spürte er die Sonne, den Duft der Blumen. Seine Lungen konnten nie genug davon bekommen die Schönheit der Natur einzuatmen. Ganz tief. So tief, dass er den Duft immer noch zu spüren hoffte, auch wenn er schon längst vergangen war. Die Sonne wärmte das Grass, die Blätter, die Oliven. Die Geruchspalette hätte jedes Herz mit Freude und Hoffnung erfüllt. Nur seins nicht. Denn die Hoffnung in seinem Herzen wurde zum schrecklichen, schmerzlichen Drang. Und zur schmerzlichen Gewissheit, dass es eine Lebensaufgabe und darüber hinaus sein würde das Ziel zu erreichen. Den paradiesischen Zustand. Denn Paradis war nur eine Metapher für den Zustand den die Menschheit nicht erreichen konnte. Noch nicht… Aus Faulheit, Bequemlichkeit, Dummheit und Impertinenz.

      Er wendete seinen Blick vom Fenster und liess ihn über die Bibliothek schweifen. Tausende von Büchern, jedes Einzelne in Leder gebunden, jedes Einzelne ein Kunstwerk. Die goldene Schrift, die Autoren, verrieten alles… Platon, Aristoteles, Xenophon, Hippokrates, Nietzsche, Karl Marx, Baruch de Spinoza, Kant und noch so viele mehr. Den Wert dieser Bücher konnte man nicht mit Geld messen. Denn die Visionen, die Gedanken, die Träume dieser Visionäre waren mit materiellen Mitteln nicht zu bezahlen. Und die Genialität dieser Visionen gab ihm Kraft. Kraft um Tag für Tag aufzustehen und daran zu arbeiten, die Welt zu verbessern.

      Aus dem offenen Fenster hörte man das Zwitschern der Vögel. Das Rascheln des Windes durch die Blätter der Olivenbäume. Spürte man die Wärme der Sonne. Kleine weisse Wolken wanderten am Himmel und lösten sich in den Sonnenstrahlen auf. Nichts davon konnte seinen versteinerten Blick ändern, nichts davon konnte seine Laune heben. Sein Traum war eine Lebensaufgabe und noch viel mehr, das war ihm klar. Und auch welch ein Preis dafür zu zahlen war.

      Aus dem bequemen Sessel schaute er mit kaltem Blick auf den Computermonitor. Und sah auf dem geteilten Bildschirm Nachrichten-Kanäle. Die Selbstreferentialität der Welt. Die Verdorbenheit der Welt. Den Wahnsinn der Welt. Die Misere der Welt. Eine Welt, in der der Massstab Geld war. Wer Geld hatte war reich. Reich waren nicht diejenigen, die reich an Gedanken waren. An Visionen. An Wissen. Sondern die, die reich an Geld waren, der trügerischsten, Sicherheit! Er war auch reich. Reicher als alle auf dieser Welt. Nur das Geld machte ihn unglücklich. Er konnte die Menschheit mit seinem Geld nicht weiterbringen. Die Evolution hatte den Menschen so viel geschenkt. Der Mensch war die Krönung einer physischen, chemischen und biologischen Entwicklung mit einem enormen Potenzial. Und er nutzte dieses Potenzial nicht aus. Denn er konzentrierte sich nur darauf Geld zu verdienen. Weil politische, wirtschaftliche und religiöse Systeme soziale Modelle entwickelten, die die Menschen beschäftigten. Tag und Nacht. Und beschäftigte Menschen hatten keine Zeit zum Nachdenken. Zeit zu merken, dass sie Sklaven waren. Verdammt auf ewige Dummheit.

      Er lebte ausschliesslich in seinen Gedanken, entfernt von der Realität, und hatte dort seine eigene Welt erschaffen. Eine gute Welt. Eine schöne Welt. Alle hielten ihn für wahnsinnig. Er bestrafte sie mit Schweigen und Gleichgültigkeit. Kein Psychologe, kein Therapeut konnte die Mauer durchbrechen, die er um sich aufgebaut hatte. Sein Wissenshunger konnte auch kein Buch, keine Universität, kein Studium stillen. Irgendwann, als er achtzehn wurde und sein Studium begann, ging es ihm gut. Er öffnete sich, liess das Leben an sich ran. Nur konnte er Wahrheiten nicht aus der Welt schaffen, indem er sie ignorierte. Und später, nach Jahren, als er ein erfolgreicher Unternehmer war und Geld in Unmengen verdiente, kam wieder die Sehnsucht. Seine alte Sehnsucht nach der idealen Welt. Die nichts mit Politik, mit Religion zu tun hatte. Sondern mit Intelligenz, emotionaler Intelligenz und Ordnung. Mit Liebe und Fürsorge. Mit Visionen Schönes zu erschaffen. Und diese Sehnsucht erwürgte ihn. Und die Dummheit und Perversion um sich herum auch. Er zog sich immer mehr zurück und vermied den Kontakt zu der Aussenwelt. Das war seine Strafe für sie. Fürs nicht Zuhören. Fürs nicht Verstehen. Geld war sein Mittel, um die Welt zu versklaven, um sie danach befreien zu können. Um sie danach retten zu können. Sie danach neu zu erschaffen. Eine Gesellschaft in der Ordnung, Respekt und Disziplin herrschte. Nicht im militärischen Sinn. Disziplin als Verantwortung gegenüber der Mitmenschen und der Natur. Das Paradoxon bestand darin, dass der Weg dorthin mit Perversion, Dummheit und Unterdrückung zu bestreiten war. Mit Absolutismus. Denn Rhetorik führte zu nichts. Rhetorik setzte ein gewisses Niveau an Intelligenz voraus. Nur dieses Niveau erreichte man in einer Gesellschaft nicht ohne sie zu zwingen. Traurig aber wahr. Um das grosse Ziel zu erreichen, die absolute Freiheit, musste man diese jetzt aktuelle, sogenannte Freiheit abschaffen. Paradox, wie gesagt, aber nur so konnte man vorankommen. Diesmal ohne Gewalt und Krieg. Sondern mit Versklavung durch Schulden.

      Seit wann versagten alle wirtschaftlichen Modelle? Seit immer. Auf lange Frist gesehen. Und neue Denkschulen, wie in der Antike vorhanden, fehlten. Keine neuen Ideen, keine neuen Visionen. Die Wirtschaft war ein wildes Tier geworden, nicht zu kontrollieren und nicht zu zähmen. Sie wurde zu einem selbständigen Monster, das vom Teufel besessen war. Und der Teufel hiess Geld, dadurch Macht, dadurch Kontrolle. Diese Welt raubte ihm die Kraft zu atmen. Seine Zeit würde kommen, denn er wusste, er würde diese Welt mit ihren eigenen Waffen besiegen.

      Was passierte nun als Liebe, Hass, Dummheit, Klugheit, Hoffnung, Hoffnungslosigkeit, Perversion, Gleichgültigkeit und Chaos aufeinander trafen? Es fand das reale Leben statt! Das nicht utopische, nicht vorauszusehende, nicht erklärbare Leben.

      Der blonde Engel & die Freunde

      «War die Zeit unerträglich ohne mich?» fragt mein blonder Engel und schaut mir direkt in die Augen. (Was sie betrifft gibt es eine Transzendenz in meiner Beschreibung. Sie ist gleichzeitig Engel und wahre Göttin. So wie Hera: Gattin und Schwester des Zeus.) Es fällt einem schwer solche leuchtend grüne Augen zu belügen. Also sage ich nichts, weil ich spontan merke, dass ich immer noch nackt bin.

      «Oh mein Gott! Ich frage mich, wie dir das andauernd passiert. Du bist fast immer bei mir und wenn nicht… Es ist wirklich schrecklich!» interpretiert sie mein Schweigen richtig. Die so schöne Erfahrung mit Isabelle mit dem Wort schrecklich zu assoziieren, finde ich aber nicht fair.

      «Baby ich weiss es nicht!