Rafael di Giorgio

Das Miami Syndikat


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Lösungen für die neuen Krisen und alte Lösungen funktionierten nicht mehr. Eins wurde klar: auch in der Wirtschaft, so wie in der Religion, war man in einem Dualismus gefangen. Eine halbe Welt satt und träge, auf Jahrzehnte durch den Konsum verschuldet, die andere Hälfte, hungrig und diszipliniert, auf die Übernahme wartend. Die Übernahme der Kontrolle. Reichtum konnte nicht ohne Armut existieren. Eine Hälfte der Welt konnte nicht reich sein solange die andere nicht arm war. Denn Reichtum definierte sich einfach: Mann verdiente viel mehr Geld, als man zum Überleben brauchte. Ein Zustand, der zu Kapitalanhäufungen führte. Das funktionierte nur wenn arme Länder versklavt für einen Hungerlohn Güter für die reiche Welt produzierten. Güter, die nationale oder internationale Konzerne mit extremen Gewinn weiterverkauften und welche aber immer noch im Lohn-Ausgaben Verhältnis der reichen Gesellschaften sehr billig waren. Konzerne konnten so Unmengen von Kapital anhäufen. Kapital, das Macht bedeutete. Die Versklavten produzierten diese Güter für Löhne mit denen sie kaum überleben konnten. Angenommen internationale Abkommen würden Lohnregelungen einführen, die Hungerlöhne verbieten und die Entlohnung für eine gewisse Arbeit im Verhältnis Lohn zu Lebensunterhaltskosten im jeweiligen Land überall auf der Welt angleichen würden, würden die übermässigen Gewinne internationaler Konzerne reduziert und dieses Kapital an die Arbeiter weitergegeben. Das würde aber Machtverlust bedeuten. Und genau das wollten sie nicht… diejenigen die die Macht besassen. Macht war der Rauschzustand, Gewinn die Droge.

      Die Politik war immer noch offiziell die Instanz, die die Industrieländer verwaltete. Und Politik lebte von Steuereinnahmen. Steuern bezahlten Konzerne, die wiederum die Freiheit erhielten die arme Welt zu versklaven. Politik wurde die Hure der Wirtschaft. Auf der einen Seite verantwortlich für internationale Regelungen, Beziehungen, Infrastruktur und Bildung, auf der anderen machtlos und abhängig von Steuereinnahmen. Und diese gewinnhungrige, nicht mehr zu kontrollierende Wirtschaft führte zur Verschuldung der Staaten und der Menschen. Die Autos wurden immer grösser, die Häuser auch, Statussymbole spielten eine grössere Rolle als die Bildung. Die grössten Industrienationen der Welt wurden durch ihren Stolz getrieben Macht und Wirtschaftsgrösse zu zeigen, indem sie riesige Bauprojekte finanzierten oder den vermeintlichen Reichtum durch Schulden finanzierten. Inzwischen kauften die Menschen Güter mit Geld, das sie nicht besassen. Auf Jahrzehnte verschuldet mussten sie irgendwann merken, dass die Waren, die sie kauften, keinen Wert hatten. Der Wert war nur eine momentane Lüge, die sich als eine Seifenblase entpuppte. Und jetzt war der Punkt gekommen, an dem dieser Grössenwahn nicht mehr kontrollierbar war und zur massiven privaten und staatlichen Überschuldung führte. Auf der einen Seite die Banken, die diesen Grössenwahn finanzierten, auf der anderen Seite die Wirtschaft, die das Geld schluckte und von diesem Grössenwahn profitierte und durch die gewonnene Macht alles kontrollierte. In der Mitte der dumme Bürger, der alles mitmachte. Zu müde und verblödet selbst zu denken, wurde er zum Werkzeug. Alles wurde so voneinander abhängig, dass das eine nicht mehr ohne das andere funktionierte.

      Auf der anderen Seite der Welt wartete ein anderes System auf die Übernahme der Macht. Ein System, das Kapital anhäufte, in dem es nur das konsumierte, was zum Überleben nötig war, obwohl ihm mehr zu Verfügung stand. Ein System, das abhängig von der Weltwirtschaft war, aber das Risiko wirtschaftliches Wachstum durch Schulden anzunehmen, ablehnte. Und jetzt mit den enormen Kapitalreserven Staatsanleihen der übermässig verschuldeten Industrienationen kaufte. Der Nationen, die durch das eigene Wirtschaftsmodell zur Erhaltung der globalen Macht erdrückt wurden und jetzt genau das taten, was sie durch dieses Modell zu vermeiden versuchten: die Macht und die Kontrolle abzugeben.

      In den sogenannten demokratischen Gesellschaften hatte sich die Postdemokratie eingeschlichen. Die Menschen waren zu faul geworden noch für sich selbst zu denken. Zu überlegen. Sie hatten kein Interesse an Gerechtigkeit, waren zu träge sich mit unbequemen Themen auseinanderzusetzen. Sie waren an dem Punkt, an dem sie sein sollten: faul, verblödet und versklavt. Dadurch leicht manipulierbar. Nur es war zu spät!

      Finanzmärkte brachen zusammen, das Konzept der Börse entwickelte sich durch Spekulationen in eine falsche Richtung, perverse Kriege der mächtigsten Nationen brachten nicht mehr die Lösungen der eigenen Probleme, die man sich erhofft hatte. Die ganze Industriewelt ging langsam aber sicher zu Grunde. Denn eins wollte niemand mehr wirklich: den Konsum einschränken. Umdenken. Etwas verändern. Einen Schritt zurückgehen. Dieses kapitalistische Wirtschaftsmodell besiegte sich mit den eigenen Waffen. Seit Generationen rechnete man nie langfristig, sondern nur für die Zeit einer Wahlperiode.

      Und das hasste er! Dieses kurzfristige Denken. Seine Vision war eine Welt mit einem neuartigem, einzigem Wirtschaftsmodell, dessen Ziel nicht Zahlen, Zuwachs und Gewinne waren, sondern die Welt zu versorgen. Das nicht nur die Privilegierten versorgte, mit dem Preis alle anderen verhungern zu lassen. Ein System, das kein Geld kannte. Ein System, das niemanden verhungern und verdursten liess. Ein System, das Ressourcen gerechter verteilte. Auf alle Menschen. Ein System, das alle gleich behandelte. Gewiss, alle Menschen waren verschieden, und sie würden auch verschieden bleiben, daher würde jeder seine Aufgabe in einer globalen zusammengefassten Gesellschaft je nach seinen physischen und kognitiven Möglichkeiten erfüllen. Niemand würde Neid und Hass kennen. Denn jeder würde stolz sein seinen Teil dazu beizutragen die Welt zu erhalten, in der niemand hungerte, niemand verdurstete, niemand den anderen bekämpfte. Eine Welt in der alle gemeinsam, mit gleicher Verantwortung, die Gesellschaft und die menschliche Rasse weiterbrachten. Seine Augen glänzten bei dem Gedanken eine schöne, genetisch perfekte, einzige menschliche Rasse, aus allen heutigen gemischt, in einer ordentlichen, sauberen, mit Liebe gefüllten Welt zu führen. Eine Welt, die nichts Böses kannte. Keine Propheten und keine Götter. Keine Macht und keinen Einfluss. Glänzten bei dem Gedanken eine Welt für ein höheres Wesens zu erschaffen. Für einen Menschen, der durch Bildung und Fürsorge sein Bewusstsein erweiterte.

      Das Syndikat I

      «Sie sind da!» sagte der Koloss.

      Ich befürworte auch, dass man sportlich sein muss, um die langen Nächte mit all den Mädels zu überstehen, die so wild sind, dass die Nachbarn immer die Feuerwehr anrufen, wenn die Vulkane explodieren. Aber wieso muss man übertreiben? Jeder Kleiderschrank wäre neidisch beim Anblick dieses Monsters. Die Schultern so breit, dass er nur seitlich in ein Zimmer reinkommt oder rausgeht. (Es sei denn, der Beobachtungsort des Erzählers befindet sich ausserhalb des Zimmers und dann würde es heissen: reingeht und rauskommt.)

      «Und dieser Clown ist bei ihr! Soll ich mich darum kümmern?» fragte der gleiche Kollos mit einer Selbstverständlichkeit, die angesichts seines trainierten Körpers echt erschien. Was man aber bei solchen Typen nicht sieht ist ob das Gehirn auch so fit wie der Körper ist. Nur leider bräuchte man für eine Antwort eine CT (Computertomographie), um die Gehirnströme zu überprüfen, was wiederum nicht möglich wäre, weil seine Schultern nie durch die Röhre des Computertomographen passen würden. Also bliebe was in seinem Kopf vorging ein Mysterium.

      «Noch nicht!» sagte der Mann am Schreibtisch mit leiser Stimme. So leise, dass man zwei Hörgeräte gebraucht hätte, um sie wirklich zu hören. «Ich habe andere Pläne.» Jeder Satz, den er aussprechen musste, bereitete ihm seelische Qualen. Denn mit diesen primitiven Idioten zu kommunizieren war schmerzlich, aber notwendig. Und war ebenso notwendig wie schmerzlich. Sie waren seine Werkzeuge, mit denen er das grosse Monument der Perfektion bauen musste. Die neue Welt! Und er war der auserwählte Projekt Assistent. Denn so klug um selbst als Projektleiter ein Konzept zu konzipieren, war er doch nicht.

      Isabelle - die Begegnung

      Ich mache es mir im hinteren Teil des Vans bequem. Der Laptop braucht eine Minute bis er hochfährt. Ein Van ist das Beste, das man kaufen oder ausleihen kann. Man hat Sessel, Tische, einen Kühlschrank, Gardinen und Platz ohne Ende. Wenn man allerdings eine Party schmeisst und sechs Blüten der Freude als Gäste einlädt, wird es eng. Aber “just try it” und dir fallen Lösungen und Ideen ein, was du mit allen sechs veranstalten kannst. Wo und wie. Einmal im Monat. Die restliche Zeit fährst du alleine in dem Van. In vier Tonnen Stahl durch die Strassen zu fahren, mit deinen 75 Kg, noch nicht übergewichtig, mit einem Liter Benzin pro Kilometer, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Manche würden sagen, der