Rafael di Giorgio

Das Miami Syndikat


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Spuren wechsle, so dass er andauernd bremsen muss, so dass mit jeder “Bremsung” die Chance den Preis für die besten Reifen nach 100.000 Meilen zu bekommen immer geringer wird, so dass sein Verstand im Vergleich dazu riesig erscheinen würde! (Der längste “so dass” Satz der klassischen Literatur)

      Wir erreichen die Villa, in der wir seit einer Woche wohnen, schlafen, träumen, weggehen, zurückkommen und noch viele andere Sachen veranstalten, die bestimmt der Zensur zum Opfer fallen würden, würde ich sie aufzählen, also gebe ich mir nicht mal die Mühe. Das Haus ist gross, mit einem grossen Vorgarten und einem grossem Hintergarten. (Also, um es kürzer oder klarer zu machen: die Gartenanteile des Hauses sind gross, nur weil ich den Massstab nicht definiert habe. Daher bleibt es eurer Fantasie überlassen die Grösse einzuordnen. Eure Schlussfolgerungen werden unterschiedlich ausfallen. Ein Leser aus Brasilien, aus den Favelas, wird sich andere Dimensionen vorstellen als ein Leser aus Amerika, der fünf Mexikaner als Gärtner beschäftigt, natürlich alle mit Sozialversicherung und gültiger Steuernummer.)

      Schon höre ich die Stimmen unserer Freunde. Und da sind sie! Ihn kenne ich schon seit meiner Kindheit. Sein Name ist Joe und er hat mich mehrmals in diesem Leben vor der finanziellen Pleite bewahrt. Zum Glück konnte ich ihm immer alles zurückzahlen, sonst wäre er jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit mir befreundet. Seine Freundin Joena, eine tolle Frau, Anwältin, bestand darauf mit uns in die Staaten zu kommen, um mit uns ein Jahr zu verbringen und nichts zu tun, anstatt nach ihrem Studium loszulegen und zu verteidigen, zu verklagen, Menschen in Gefängnisse zu stecken, aus Gefängnissen zu befreien, sich bestechen zu lassen, Unschuldige als schuldig und Schuldige als unschuldig zu verurteilen. Nichts zu tun als in der Sonne zu liegen. Als zu saufen. Als zu lieben und sich lieben zu lassen. Nichts zu machen als Grass zu rauchen. Anders gesagt, eine entspannte Zeit zu verbringen, ohne Probleme, Rechnungen, zu laute oder zu leise Nachbarn (auf jeden Fall Idioten), die Listen über deinen Lebensstil, deine sexuellen Neigungen und Wünsche und dein ungesundes Essen führen. Die zwei, Joe und Joena, sind immer gut gelaunt und für jede Schweinerei zu haben. Die Hütte ist von riesigen Bäumen umrahmt. Die roten Fliesen, die zum Haus führen, ein Pfad des Glücks, verschmelzen mit der weissen Fassade. Die Fenster sind geschlossen, um das Haus vor der Hitze des Tages zu schützen. Wir gehen durch das Wohnzimmer zum Pool. Unsere Freunde hören laute, schrille Musik, die man irgendwann, vor hundert Jahren, als Heavy-Metal bezeichnet hat. Das Wasser im Pool ist so blau und kühl, dass es uns zwingt, uns, Rico und meine Flamme, in zwei Augenzwinkern nackt reinzuspringen. Das kühle Wasser bringt die erwartete Erfrischung und es würde mich nicht wundern, wenn ich nichts mehr zu zeigen hätte. Von dem Teil, von dem Männer annehmen, dass es Frauen so fasziniert. Vor Allem die Grösse. Ich werde in meinen Gedanken unterbrochen.

      «Komm raus und lasst uns eine Party aussuchen», sagen die zwei weiblichen Kreaturen des Teufels, die sich jetzt wieder zusammengeschlossen haben. Entweder haben die beiden keine Ahnung, was kaltes Wasser bei nackten Männern bewirkt oder sie sind so pervers, dass es an Zynismus grenzt und sie wollen mich blossstellen.

      Ich bleibe noch im Pool, um meine Schande zu verstecken. Nach einer schnellen manuellen Prüfung habe ich nämlich herausbekommen, dass mein Schwanz tatsächlich geschrumpft ist. Ich bin bestimmt in den Bereich von 10 bis 15 cm zurückgefallen. Im schlappen Zustand versteht sich.

      Joe und ich kommen aus der gleichen Stadt, aus dem gleichen Land, das ein bisschen kommunistisch hätte werden sollen und in dem vor hunderten von Jahren Graf Dracula seinen Miezen das Blut ausgesaugt hat. (Höre ich Polen? Kein Wunder, dass deine Frau mit deinem Nachbar rummacht! Nein, es ist nicht Polen!) Es ist ein Land in dem Kindern klar gemacht wurde, dass der Feind des Kommunismus die Amerikaner wären. (Wer denn sonst? Andersrum betrachtet, waren die Amerikaner auch die Feinde der Kommunisten… damals. Jetzt ist es irgendwie die ganze Welt.) Deswegen wurden wir mit Bussen zu Schiessplätzen gefahren, um mit Luftgewehren auf Vögel zu schiessen. Um den Ernstfall zu üben. Falls die Amerikaner kämen und uns bedrohten. Mit Fastfood, Talkshows und Massenverblödung. Darauf wurde verzichtet als unser Lehrer umgefallen war, ohnmächtig wurde und ein wenig später in seiner Ohnmacht weinte als ihm klar wurde, dass es gefährlich war seinen Schwanz an einem Schiessplatz aus der Hose zu holen und gedankenlos zu urinieren. Eine Kugel verirrte sich… und traf den Feind. Es blieb unklar wer geschossen hatte, aber ich vermute, dass eine unaufgeklärte Kollegin den Unterschied nicht gesehen oder eingesehen hatte. Den Unterschied zwischen dem Feind, in Form des Kapitalismus, und dem Schwanz, im übertragenen Sinne versteht sich. Aber Frauen reagieren immer instinktiv. Meistens richtig. Danach brauchten wir keine amerikanische, Kommunismus-feindliche Fantasietruppen mehr angreifen. Mit Luftgewehren. Und wenn man so etwas zusammen erlebt hat, verpflichtet es ein Leben lang zur Freundschaft. So wie Adel, ein Leben lang verpflichtet. Zu Blödheit und Inzest. Das sind wir, Joe und ich: Freunde.

      Männer brauchen genau hundert Sekunden, um sich für eine Party fertigzumachen. Frauen hundert Minuten. Aber wenn die Frauen endlich fertig sind, dann kann man von ihre Schönheit erblinden. Wie auch vom Masturbieren. Meine Flamme trägt ein blaues, eng anliegendes Kleid, das mir die Sprache und den Atem verschlägt. So eine blaue Farbe hilft mir bestimmt nie wieder Depressionen zu bekommen. Und der Inhalt des Kleides macht mich für eine lange Zeit glücklich. Stöckelschuhe, die ausser der Sohle nur zwei kleine Riemen haben, die (ihr werdet es nicht erraten!) nicht blau sondern silbrig glänzen. Joena trägt ein enges Irgendetwas, das von oben bis unten ihren Körper umhüllt und Hose, Bluse, BH und sonst alles, was eine Frau braucht. In so einem Anzug ist eine schnelle Nummer nicht möglich. Hat aber auch Vorteile. Für Joe! Sie trägt Stiefel aus Krokodilleder und ich sage euch, es ist egal, dass das Krokodil für die Stiefel mit seinem Leben bezahlen musste. Es hat sich gelohnt! Ich bin immer noch im Pool und Joe sitzt am Rand. Ich bin nackt und Joe trägt die Badehose seines Großvaters. Wir sind bei weitem noch nicht fertig!

      «Wir gehen schon mal vor», sagen die Damen mit göttlichen Stimmen.

      «So geht ihr nicht mal alleine bis zum Briefkasten! Ohne uns ist die Öffentlichkeit für euch verboten. So wie ihr angezogen seid, seid ihr vor keinem Mann sicher. Das ist eine Einladung!» Meine Empörung ist eindeutig zu hören. Unmissverständlich. Und steht im Konflikt mit meiner früheren These, was die Freiheit des Bumsens betrifft. Aber es ging ja um die Freiheit der Männer… jetzt ist wieder alles klar, oder?

      «Wer sagt euch, dass wir sicher sein wollen? Lass die Jungs nur kommen!» piepsen die zwei. «Ihr habt zwanzig Minuten um euch umzuziehen. So lange wir einen Kaffe trinken. Wenn ihr dann nicht fertig seid, habt ihr Pech gehabt und wir sind weg!»

      Ich weiss nicht was das soll, aber ich habe das Gefühl, die Frauen wollen testen wie cool wir sind. Und wenn wir den Test nicht bestehen, werden sie auch all das machen wollen, was für uns selbstverständlich ist. Ausgehen, anmachen, abschleppen und… Manche sind der Ansicht, dass Frauen in die Küche gehören. Ich bin der Meinung man hätte sie erst gar nicht vom Bett entfesseln sollen. Metaphorisch, sadomasochistisch gesehen. Aber bei nüchterner Überlegung konnte nicht mal der debile Adam, der direkten Kontakt zu Gott hatte, diese Kreaturen unter Kontrolle halten. Nicht die erste, Lilith. Und auch nicht die zweite, Eva. Was können wir also von der Situation erhoffen? Wir einfachen Männer… Nun ja, jetzt ist es zu spät das Mysterium zu lichten und wir haben nur noch zwanzig Minuten Zeit.

      Männer brauchen für eine Party zwei Sachen: ein weisses Hemd, giftgrüne Jeans und ein teueres Aftershave, das mindestens hundert Dollar kosten sollte. (Waren das mehr als zwei? Und das mit der giftgrünen Jeans muss ich mir noch mal überlegen.) Sonst haben wir keine Chance. Wenn Frauen etwas gut können, dann ist das riechen. Wir brauchen zehn Minuten, um den Frauen zu beweisen, dass wir die stärksten, die besten und die schnellsten sind. Nur ist mir nicht ganz klar worauf sich mein Vergleich bezieht. Schneller, besser, stärker als unsere Frauen, oder schneller, besser, stärker als andere Männer, um so die Entscheidung unserer Frauen uns auszuwählen auf Richtigkeit zu bestätigen? Schöne Gedanken, eines Mannes, der die Welt zu verstehen beginnt. Ich frage mich ob die brennende Hitze auf meiner ungeschützten Kopfhaut meine Gedanken beeinflusst.

      Wenn man dunkle Haare hat, wie ich, und eine gebräunte Haut, dann ist es Pflicht ein weisses Hemd zu tragen. Die oberen drei Knöpfe offen, so dass man die goldenen Ketten gut sehen kann. Bläulich schimmernde, schwarze Satinhose. Geile Brille. Sonnenbrille. Mitten in der Nacht. Denn das lässt dich introvertiert