Süße. Wie geht’s dir?<<
>> Gut.<<
>> Und die Aufführung gestern?<<
>> Die war auch klasse, aber abends bin ich sofort ins Bett gefallen. Ich war vollkommen K.O.<<
>> Kann ich mir gut vorstellen. Hast du dich denn heute ausgeruht?<<
>> Ich habe mal ausnahmsweise bis um neun schlafen dürfen, aber danach bin ich wieder in die Halle gegangen. Immerhin habe ich die letzten zwei Wochen fast ausschließlich für das Ballettstück geprobt und die Turnübungen ein wenig vernachlässigt. Das muss ich jetzt wieder aufholen.<<
>> Möchtest du dich nicht langsam für eines von beiden entscheiden?<<
Die meisten Mädchen auf diesem Internat konzentrierten sich auf eine Sportart, doch Emma konnte sich einfach nicht entscheiden.
>> Habe ich schon.<<
>> Und für was?<<
>> Für das Kunstturnen. Deswegen trainiere ich im Moment etwa 40 Stunden pro Woche dafür und nur zwei Stunden für das Ballett. Ich möchte das Ballett nur nicht vollkommen aufgeben. Es macht mir Spaß.<<
>> Dass musst du ja auch nicht. Du hast wirklich toll getanzt Süße. Julian und ich waren stolz auf dich.<<
>> Danke.<<
Es entstand eine kleine Pause, da sie wahrscheinlich grade mit sich rang und überlegte, wie sie nun auf die Sache mit Alex kommen sollte. Ich ließ ihr die Zeit und schoss mit dem Fuß einen Stein vom Boden weg, der daraufhin gegen die Wand knallte.
>> Mum?<< fragte sie zögerlich und ziemlich vorsichtig.
>> Ja?<<
>> Wegen Alex...<<
Wieder eine Pause und ich musste schmunzeln.
>> Was ist mit ihm Süße?<<
>> Es tut mir Leid, dass ich so bockig und zickig reagiert habe, aber ich wollte unbedingt in diesem Video mitspielen, dachte, dass es mich irgendwie nach vorne bringen würde...<<
>> Und jetzt nicht mehr?<< hakte ich nach und setzte mich auf einen großen Stein.
>> Nein.<<
>> Wieso jetzt nicht mehr? Am Freitag warst du doch noch so besessen davon.<<
>> Ich habe gestern mit meiner Ballettlehrerin gesprochen, die mir dringend davon abgeraten hat, da man mich dann zu schnell in eine Schublade stecken würde, außerdem habe ich Alex darum gebeten, mir die Single zu schicken. Du hattest Recht Mum. Der Text und das ganze, das ist nichts für mich.<<
>> Du solltest wissen, dass Julian und ich nie etwas Böses für dich wollen. Wir wollen dich beschützen Emma, weil wir dich lieben. Natürlich unterstützen wir dich in deinen Talenten. Wir ermöglichen dir das Internat, schicken dich zu den Wettbewerben und auch wenn du auf einmal einen komplett anderen Weg einschlagen solltest, werden wir dich dahingehend fördern.<<
>> Ich weiß. Es tut mir Leid.<<
>> Ist gut.<<
>> Gott dein Freund muss denken, dass ich ein vollkommen hochnäsiger und bockiger Teenager bin.<<
>> Quatsch. Er fand dich nett und freut sich schon, wenn er dich bald richtig kennenlernen darf.<<
>> Er passt zu dir und tut dir gut.<< sagte sie plötzlich und verblüffte mich damit kurz.
>> Wie bitte?<<
>> Er sieht verdammt gut aus und er kriegt die Augen nicht von dir los. Als ob du seine Odette wärst.<<
Ich musste schmunzeln bei dem Gedanken und dachte wieder an das Ballettstück, das wir uns vorgestern angesehen hatten.
>> Außerdem...<< begann sie, brach dann jedoch wieder ab.
>> Außerdem?<< hakte ich nach und wartete auf eine Antwort.
>> Naja. Ich habe wirklich noch hinter der Bühne aufgeräumt und habe gehört wie Alex und du... Naja, wie ihr euch gestritten habt.<<
Mist, dachte ich und wollte mich grade entschuldigen, als sie schnell weiterredete.
>> Ich konnte nicht hören, worum es in eurem Streit ging, aber das geht mich auch nichts an. Als ich dann allerdings nach dir sehen wollte, sah ich, wie Ethan sich um dich gekümmert hat. Er scheint toll zu sein Mum und du strahlst so, seitdem du ihn kennst. So habe ich dich noch nie gesehen.<<
Eine Träne rann mir die Wange herab, da ich nicht fassen konnte, was ich gerade gehört hatte.
>> Danke Süße und dass du das mit Alex mitbekommen hast, dass tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass du das hörst.<<
>> Schon ok. Ich bin keine drei mehr Mum.<<
>> Ich weiß. Trotzdem auch mit vierzehn sollte man das nicht mitkriegen und vor allem solltest du dir über solche Dinge nicht den Kopf zerbrechen.<<
>> Soll ich mich von Alex fernhalten?<<
Ich überlegte. Sollte sie das? Alex war gestern wirklich widerlich gewesen, aber das war eine Sache zwischen ihm und mir. Trotzdem hatte er ihr hinter meinem Rücken angeboten in einem seiner Videos mitzuspielen, was mir gar nicht gefallen hatte.
>> Nein, das brauchst du nicht. Das ist was zwischen uns. Du kannst ruhig weiterhin mit ihm reden, wenn du mir versprichst, dass du in keinem Video oder sonst irgendwas mitspielst, singst, tanzt, was auch immer, bevor du deinen Vater und mich nicht gefragt hast.<<
>> Versprochen.<<
>> Und auch wenn ihr euch trefft, wüsste ich das gerne.<<
>> Kein Problem.<<
>> Natürlich muss dein Vater noch zustimmen. Hast du schon mit ihm gesprochen?<<
>> Den rufe ich nach dir an.<<
>> In Ordnung und sonst ist alles in Ordnung bei dir?<<
>> Alles super Mum.<<
>> Kommst du in zwei Wochen zu mir?<<
>> Da ist an dem Sonntag doch der Wettkampf.<<
>> Stimmt, sorry. Dann sehen wir uns an dem Sonntag.<<
>> Bringst du Ethan mit?<<
>> Wenn er Zeit hat, ja. Wieso?<<
>> Damit ich mich dann von meiner besten Seite zeigen kann.<<
>> Das machst du immer und das am Freitag vergessen wir einfach.<<
>> Ist gut. Ich hab dich lieb Mum.<<
>> Ich dich auch und grüß Julian von mir.<<
>> Mach ich.<<
Wir legten auf und ich musste erst einmal ordentlich durchatmen, da mich das Telefonat doch ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Ich liebte meine Tochter für ihre liebevolle und besorgte Art, dennoch war ich sauer auf Alex und mich selbst, dass sie unseren Streit mitbekommen hatte. Was würde sie über mich denken, wenn sie wüsste, dass ich ihn geschlagen hatte? Ich hasste mich für meine Reaktion, doch an dem Abend war einfach alles zu viel gewesen.
>> Sollen wir?<< fragte Ethan, als er mit Ben wieder aus der Halle kam und mein Sohn über das ganze Gesicht strahlte. Ich atmete noch einmal tief durch und ging schließlich zu ihnen.
>> Alles in Ordnung?<< fragte Ethan, als er mich musterte und wusste, dass mich irgendwas bedrückte. Er kannte mich einfach zu gut.
>>