Magdalena Pauzenberger

Feuerglimmen


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während die Sonne hinter den Bäumen unterzugehen droht. Es muss beinahe siebzehn Uhr sein. Durch all die Zusammenbrüche und Überraschungen des heutigen Tages haben wir viel Zeit verloren. Mit einem Knurren erinnert mich mein Magen daran, dass wir auch von unserem Mittagessen abgehalten worden waren und somit heute kaum etwas zu uns genommen haben. Immerhin haben wir den Hasen mitgenommen und so ist er nicht völlig umsonst Valentin zum Opfer gefallen. Doch das Essen muss warten, bis wir endlich den Unterschlupf des Alten erreicht haben. Es graut mir vor der Nähe dieses Mannes, zu groß ist die Angst, dass er mich wieder in meine Traumwelt verbannen könnte und ich das nächste Mal nicht mehr zurückfinde. Und doch kann ich es nicht erwarten, ein Dach oder Ähnliches über dem Kopf zu haben und die Wärme eines prasselnden Feuers zu spüren.

      »Wir sind da!«, verkündet der Alte in diesem Moment lautstark und lässt mich dadurch aus meinen Gedanken hochschrecken. Unsicher blicke ich zu Valentin, doch auch er mustert die Umgebung argwöhnisch, während kaum mehr Sonnenstrahlen übrig sind, die uns Licht spenden könnten. Es ist zwar fast dunkel, aber ich bin mir trotzdem sicher, dass ich mich nicht irre: da ist weit und breit nichts weiter, als eine Lichtung, auf der rein gar nichts zu sehen ist. Zumindest nichts, das einem Unterschlupf auch nur im Geringsten nahekäme.

      Schon hat Valentin wieder das kleine Messer gezogen und zeigt damit drohend auf die Brust unseres selbsternannten Reiseführers. »Verarschen können wir uns selbst. Ich würde Ihnen raten, uns ganz schnell zu sagen, was hier los ist, sonst ist der Schnee hier gleich rot statt weiß.«

      »Du bist genauso blind wie sie. Siehst nur mit deinen Augen anstatt mit deinem Herzen und deinem Geist.« Verrückterweise legt der Alte seine Hand an Valentins Brust, dort wo sein Herz in rhythmischen Schlägen gegen seine Rippen hämmert. Ungläubig und etwas beschämt zieht der Mann seine behandschuhten Finger zurück. »Vergiss das mit dem Herzen …«, murmelt er vor sich hin. »Aber worauf ich hinauswollte«, fährt er fort, »ist, dass nicht alles immer so sein muss, wie es den Anschein macht. Nennt es Zauberei, Illusion oder was ich hier am passendsten finde: Magie. Aber tut es nicht immer gleich als Unsinn ab, nur weil ihr es nicht in zwei einfachen Sätzen erklären könnt. Merkt euch das gefälligst.«

      Als wolle er die Luft um uns beschwören, hebt er beide Hände und formt mit seinen Lippen stumme Worte, dann fasst er Valentins und meine Hand und zieht uns ein paar Schritte mit sich. Schon beim nächsten Herzschlag frage ich mich ungläubig, ob er mich schon wieder in einen Traum katapultiert hat. Doch hier sind kein Boden aus Marmor und keine hohen und hallenden Wände. Dafür erscheint vor unseren Augen wie aus dem Nichts eine kleine Blockhütte, aus hellen Holzstämmen gefertigt. Zuerst kann ich nur die Umrisse erkennen, dann wird das Bild schärfer und mir fallen immer mehr Details auf. Warmes, flackerndes Licht scheint durch ein quadratisches Fenster. Zarte Rauchschwaden wandern aus dem steinernen Schornstein in den dunklen Himmel hinauf. Der Mann lässt uns los und geht auf die Hütte zu. Staunend folgen ihm Valentin und ich, Seite an Seite. Kaum treten wir neben ihn, hebt der Alte die Arme erneut, nur um sie dann schwungvoll gen Boden zu senken und kurz den Schnee unter unseren Füßen mit seinen Handflächen zu berühren. Ein kurzer, kraftvoller Windstoß lässt meine dunklen Haare um meinen Kopf aufwirbeln.

      »Was … wie?«, versuche ich zu erfragen, um diese Situation begreifen zu können. Der Mann ist bereits an der Haustüre angelangt und zieht einen kleinen, gusseisernen Schlüssel hervor, der perfekt ins Schloss passt. Kurz wendet er sich zu uns um.

      »Eine Art Schutzzauber, der ungebetene Gäste in die Irre führen soll. Ein ehemaliger Bekannter hat mir ein auf mich geprägtes Artefakt überlassen, auf dem der Zauber ruht. Ohne wäre ich wahrscheinlich schon lange gefunden worden.« Er tut es mit einem gleichgültigen Schulterzucken ab, als hätten wir gerade über das Wetter gesprochen. »Und jetzt kommt endlich, Kinder. Mir ist kalt. Immer hinein in die gute Stube.«

      Das lassen wir uns nicht zweimal sagen, auch wenn mir dieser Mann mehr als nur ein wenig suspekt und unheimlich ist: Die Kälte und die Ausweglosigkeit treiben uns förmlich in seine Arme.

      Kapitel 7 – Valentin

      Ich frage mich, ob ich genauso schockiert und gleichzeitig fasziniert ausgesehen habe wie Marlena, als wir die Blockhütte betreten haben. Ein Holzhaus, das aus dem Nichts erscheint, für Feinde unsichtbar bleibt und so verdammt gemütlich ist. Ich war zwar noch nie ein Mensch mit hohen Ansprüchen was Wohn-Luxus angeht, aber diese Hütte übersteigt echt alles, wovon ich in den letzten Tagen zu träumen gewagt habe. An einen kleinen Vorraum, den man durch die Haustür als erstes betritt, grenzt eine Treppe, die in ein weiteres Stockwerk führt, eine Tür am Ende des Gangs, eine rechts davon, sowie eine warme Stube auf der linken Seite. Dahin hat der Mann uns sofort nach unserer Ankunft gedrängt und zu meiner Verwunderung hat er mir kommentarlos den Hasen aus der Hand genommen, dessen Hinterläufe ich den ganzen Weg über umklammert hielt. Der Alte hat dem Hasen fachmännisch, wortwörtlich das Fell über die Ohren gezogen, das Fleisch zerteilt und zusammen mit Kartoffeln über einem offenen Feuer in der hintersten Ecke des heimeligen Raumes gebraten, während ich Marlena dabei beobachtet habe, wie sie mit glasigen Augen in die Flammen gestarrt hat. Jetzt ist es endlich soweit und das leidvolle Knurren meines Magens wird erhört: Essen ist fertig. Ich kann diesen Mann zwar immer noch nicht leiden, begrabe das Kriegsbeil aber vorerst, wenn das Essen auch nur halb so gut schmeckt, wie es riecht.

      »Vielen Dank. Das ist sehr freundlich von Ihnen«, meldet sich Marlena nach langer Stille zu Wort.

      »Schon gut«, schmatzt der Alte als er auf einer saftigen Hasenkeule herumkaut.

      »Nein wirklich«, beharrt Marlena. Ich bin mir sicher, dass auch sie Hunger hat, doch sie hat noch nicht einmal das etwas angelaufene Besteck berührt. »Das ist nicht selbstverständlich. Immerhin begeben Sie sich durch uns in zusätzliche Gefahr.«

      Musstest du das unbedingt so direkt ansprechen, Marlena? Bitte mach ihm nicht zu deutlich klar, was für ein Ballast wir sind. Vielleicht unterschätzt er die Situation ja einfach. Ich starre sie eindringlich an, doch sie ignoriert mich einfach. Andererseits müsste er doch bestens wissen, was es bedeutet, wenn man sich den Obersten zum Feind macht. Brendanus. Ich glaube, ich habe in meinem Leben erst insgesamt zweimal mitbekommen, wie ihn jemand beim Namen genannt hat. Einmal, als sein ältester Sohn noch am Leben war. Das muss ganz am Anfang meiner Ausbildung gewesen sein.

      Das zweite Mal hat das Ganze ziemlich blutig geendet. Doch der Alte spricht den Namen vollkommen furchtlos, ja sogar respektlos aus. Ich weiß zwar, dass der Oberste nicht Voldemort ist und es wahrscheinlich nie jemand erfahren würde, wenn ich ihn hier beim Namen nenne, aber dieses Wort will mir einfach nicht über die Lippen kommen. Nicht noch einmal. Zu viele Schmerzen sind damit verbunden. Ach, ich sollte nicht so viele Gedanken an unnütze Grübeleien verschwenden!

      Der Alte hat in der Zwischenzeit Marlenas Aussage mit einem Schulterzucken abgetan.

      »Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Oder so etwas Ähnliches. Jedenfalls gefällt es mir, wenn ich den praeditii iuveni so indirekt eins auswischen kann.«

      Das Gespräch scheint für ihn damit beendet zu sein, denn er widmet sich nun gänzlich seinem Teller. Erleichtert erkenne ich, dass nun auch Marlena zögerlich zu essen beginnt. Die Situation scheint ihr noch immer mehr zuzusetzen, als sie zugeben will. Außerdem weiß ich bis jetzt noch nicht genau, was vorfiel, als sie zusammengeklappt ist. Das muss ich unbedingt ändern, wenn sich ein passender Moment ergibt, um sie zu fragen.

      »Wie heißen Sie eigentlich?«, richte ich nun mein Wort an unseren Gastgeber, der darüber alles andere als erfreut zu sein scheint.

      »Ich helfe euch zwar, aber ich bin es nicht mehr gewohnt, mal nicht allein zu sein. Ich mag die Ruhe. Also lasst sie mir bitte, sonst überlege ich es mir noch anders und setze euch vor die Tür.« Was sich eigentlich wie ein Witz anhört, scheint eine ernstgemeinte Drohung zu sein, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig interpretiere.

      »Verstanden.« Unzufrieden will auch ich mich endlich dem saftigen Fleisch zuwenden, doch eine Mischung aus Klatschen und lautem Klopfen lässt mich hochschrecken – Marlena ist