GG nach neuerer verfassungsrechtlicher Rechtsprechung verankerte gemeindefreundliche Aufgabenverteilungsprinzip ein ‚materiell verstandenes Prinzip‚ sein soll, dann muss es nicht nur die einzelne gesetzliche Sachregelung steuern, sondern, um seine Wirksamkeit zu sichern, ‚vorwirkend‚ auf die Programmstruktur der Gesetze selbst ausstrahlen. Dann aber sind die gesetzlichen Grundlagen des Satzungsrechts so zu gestalten, dass sich Satzungsgebung eigenständig entfalten kann, ohne fortlaufend in Gefahr zu stehen, gegen Schranken gesetzlich fixierter Detailregelungen zu verstoßen . Das bedingt eine modifizierte Fassung einiger vertrauter rechtsstaatlicher Dogmen, an erster Stelle des Bestimmtheitsgebotes.“[128] Dies soll nicht bedeuten, dass die Gewährung von Satzungsautonomie als solche durch die Gemeindeordnungen allein ausreicht, beliebige Grundrechtseingriffe durch Satzungen zu rechtfertigen. Die h.M. lehnt dies nach wie vor ab[129], während die Gegenmeinung mit beachtlichen Argumenten für eine stärkere Stellung der kommunalen Satzungsautonomie auch im Eingriffsbereich ficht[130]. Die Funktion des parlamentsbeschlossenen Gesetzes, im kommunalen Raum (rechtsstaatlich) notwendige Distanz und die Einbindung des Subgebiets in den gesamtstaatlichen Willen sicherzustellen, spricht für die überkommene Lehre[131]. Für den Bereich der Steuer- und Abgabenerhebung durch Gemeinden hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage gefordert[132]. Jenseits dieses auch hier nicht zu klärenden allgemeinen Problems, sind die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit der speziellen formell-gesetzlichen Eingriffsgrundlagen sachbereichsspezifisch festzulegen[133]. Es ist nicht einzusehen, warum die verschiedenen Sach- und Rechtsbereiche, die gemeindlicher Regelung offen stehen, hier gleichen Anforderungen unterfallen sollen. Das (kommunale) Baurecht mit seinem stark planungsrechtlichen Einschlag etwa mag von anderen Gesetzmäßigkeiten geprägt sein als das klassisches Eingriffsrecht darstellende kommunale Steuer- und Abgabenrecht. Nur durch die Berücksichtigung sachbereichsspezifischer Besonderheiten kann der Gemeinde ein angemessener Gestaltungsspielraum durch ihre Satzunggebung erhalten bleiben. Andernfalls müssten sich sämtliche Regelungsbereiche an demjenigen Bereich, der die stärkste Determination durch die formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erfordert, ausrichten.
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Im Bereich der kommunalen Abgabenerhebung kommt noch Folgendes hinzu: Da die Kommunal-Abgabengesetze in der Regel den Gemeinden bestimmte Arten von Steuern oder sonstigen Abgaben im Rahmen von Art. 105 Abs. 2a GG oder im Rahmen der allgemeinen Kompetenzen zur Erhebung von Gebühren, Beiträgen und sonstigen Abgabenarten einräumen, können die verfassungsrechtlichen Abgaben- und Steuerbegriffe die hinreichende Bestimmtheit der formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen bewirken. Die dem äußeren Anschein nach „formelle Delegationsfunktion“[134] dieser Normen bekommt dadurch einen materiellen Gehalt, der Rückwirkung auf ihre Beurteilung anhand der Bestimmtheitserfordernisse des Gesetzesvorbehalts erzeugt. Die spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Steuersatzung kann ihre Regelung auf ein notwendiges Minimum beschränken, es reicht die Normierung der Abgabepflicht „dem Grunde nach“ aus. Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff weist zwei Dimensionen auf[135]: Im finanzverfassungsrechtlichen System der Abgaben[136] dient der (allgemeine) verfassungsrechtliche Steuerbegriff der Zuständigkeitsabgrenzung nach den Art. 105 ff. GG und damit zusammenhängend der Abgrenzung von den anderen Abgabenarten wie den Gebühren, Beiträgen, Sonderabgaben usw. Daneben treten die verfassungsrechtlichen Einzelsteuerbegriffe der Art. 105 und 106 GG. Aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Steuerbegriff des Grundgesetzes lassen sich nur wenige konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung und die Begrenzung der jeweiligen Steuern herleiten. Dessen Garantiefunktion für den Bürger liegt darin, dass ohne einen fassbaren verfassungsrechtlichen Steuerbegriff die Kompetenzaufteilung unscharf und ihre normative Funktion relativiert wird. Die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Steuernormen gewinnt demgegenüber durch die verfassungsrechtlichen Einzelsteuerbegriffe, die in den Art. 105 und 106 GG verwendet werden, Kontur[137]. Die Notwendigkeit, diese Begriffe inhaltlich konkret zu fassen, ergibt sich aus der zentralen Funktion der Steuerertragsverteilungsnorm des Art. 106 GG in der bundesstaatlichen Finanzverfassung des Grundgesetzes[138]. Soll die Steuerungskraft der Finanzverfassung als eines „tragenden Eckpfeiler[s] der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes“[139] gewahrt bleiben, kann ein freies Steuererfindungsrecht jenseits der in Art. 105 und vor allem Art. 106 GG aufgezählten Steuern nicht bestehen. Aus dieser Lehre folgt zugleich, dass die in den genannten Bestimmungen verwendeten Steuerbegriffe inhaltlich konkretisiert werden müssen, um ihre Abgrenzungsfunktion erfüllen zu können[140]. Klaus Vogel hat mit der von ihm entwickelten „Typenlehre der verfassungsrechtlichen Einzelsteuerbegriffe“ einen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angelegten Ansatz[141] entfaltet und handhabbar gemacht. Danach werden die Steuerbezeichnungen der Art. 105 und 106 GG als Verweisungen auf historisch – durch die „Vorbilder“ der genannten Steuern – bestimmte Steuertypen verstanden[142]. Gleichwohl werden so eigenständige verfassungsrechtliche Steuerbegriffe geschaffen, andernfalls könnten sie ihre Maßstabfunktion gegenüber dem einfachen (Steuer-)Gesetzgeber nicht mehr erfüllen[143]. Für die Zuordnung einer konkreten Steuer unter einen Steuertypus ist dann ein umfassender Gesamtvergleich der Steuertatbestände erforderlich. Durch eine primär bundesstaatlich motivierte Norm werden so auch Grenzen und Maßstäbe für den Steuergesetzgeber markiert, die als materielle Gehalte bundesstaatlicher Kompetenznormen bezeichnet werden können[144]. Die Entwicklung und Ausformung dieser verfassungsrechtlichen Einzelsteuerbegriffe befindet sich – je nach Steuerart – in unterschiedlichem Stadium. Für die besonders wichtigen Steuern, voran die Einkommensteuer, liegen hier bereits Ergebnisse vor[145]. Im Bereich der kommunalen Verbrauch- und Aufwandsteuern sind entsprechende Bemühungen zu verzeichnen[146]. Die weitere Ausformung und Konkretisierung kann an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. Die Kritik, aus dem Begriff der „Aufwandsteuer“ lasse sich für die hier interessierende Fragestellung nichts herleiten[147], verfehlt den hier skizzierten Ansatz. Sogar die Steuerhöhe könnte beeinflusst werden, sofern ein typusbildendes Charakteristikum der entsprechenden kommunalen Steuer durch einen übermäßigen Steuersatz beeinträchtigt wäre. Im Bereich der kommunalen Aufwandsteuern[148] wäre das etwa dann der Fall, wenn die vom Gesetzgeber in typisierend-pauschalierender Betrachtungsweise unterstellte prinzipielle – nicht auf den Einzelfall bezogene – Möglichkeit der Überwälzung der Steuer auf die Benutzer oder Verwender unmöglich werden sollte.
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Die dargelegte Überlegung kann auf die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben durch Selbstverwaltungskörperschaften übertragen werden. Gebühren und Beiträge bieten – folgt man dem materiellen Gebühren- bzw. Beitragsbegriff – als gegenleistungsabhängige Abgabeformen aus sich heraus eine Begrenzung. Aus der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Gebühr oder Beitrag als gegenleistungsabhängige Abgabeformen folgen zugleich deren Grenzen[149].
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Zu berücksichtigen ist ferner das Rückwirkungsverbot, wonach mit Rückwirkung ausgestattete Gesetzesänderungen erhöhten verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen unterliegen.
Das Rückwirkungsverbot greift allerdings nur, wenn eine Gesetzesänderung die Rechtslage tatsächlich zu Lasten des Bürgers umgestaltet (sog. konstitutive Änderung)[150]. Das Bundesverfassungsgericht spricht hier von einer Rückwirkung in „materiellrechtlicher Hinsicht“[151] in Abgrenzung zu einer verfassungsrechtlich unproblematischen formellen Rückwirkung, welche dann vorliegt, wenn die Gesetzesänderung lediglich die bereits bestehende Rechtslage wiederholt (sog. deklaratorische Änderung)[152]. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem KAGG-Beschluss klargestellt, dass allein die Gerichtsbarkeit darüber entscheidet, ob eine formelle oder materielle Rückwirkung vorliegt[153]. Ein Verweis in der Gesetzesbegründung, dass die Änderung „rein klarstellend“ sei, ist für die Gerichte somit nicht verbindlich[154]. Ferner hat das Bundesverfassungsgericht in der KAGG-Entscheidung deutlich gemacht, dass im Zweifel eine materielle Rückwirkung anzunehmen ist. Denn führt die Gesetzesfassung zu Auslegungszweifeln, was bereits dann der Fall sein kann, wenn das erste Instanzgericht abweichend urteilt, so liegt eine konstitutive Änderung, mithin eine Rückwirkung in „materiellrechtlicher Hinsicht“ vor[155].
Liegt eine konstitutive