Art. 106 Abs. 6 GG steht den Gemeinden die Ertragshoheit für die Grund- und Gewerbesteuer zu. Über die Gewerbesteuerumlage sind Bund und Länder seit einiger Zeit am Gewerbesteueraufkommen zu beteiligen[706]. Grund- und Gewerbesteuer werden als sog. Real- oder Objektsteuern[707] allein nach dem Ertrag eines Gewerbebetriebs oder dem Wert des Grundbesitzes berechnet. Wirtschaftliche Verhältnisse des dahinter stehenden Betriebsinhabers oder Grundstückseigentümers werden dagegen außer Acht gelassen. Grund- und Gewerbesteuer unterliegen grundsätzlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 105 Abs. 2 GG). Regelungen zu Steuergegenstand, Steuerpflicht und Befreiungsvorschriften gelten somit einheitlich im gesamten Bundesgebiet. Den Gemeinden ist aber durch die Verfassung das Recht zugewiesen worden, Hebesätze zu erlassen und damit die Höhe der Steuer insgesamt zu bestimmen, Art. 28 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG. Zudem sind die Gemeinden, sofern sie landesgesetzlich gem. Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG i.V.m. etwa dem nordrhein-westfälischen Gesetz über die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern vom 16. Dezember 1981[708]dazu ermächtigt worden sind, zur letztendlichen Festsetzung und Erhebung der Grund- sowie der Gewerbesteuer berechtigt. Zwar wird der am steuerlichen Gewinn orientierte Steuermessbetrag durch Grundlagenbescheid gem. § 184 AO durch die Finanzämter festgesetzt. Die Festsetzung der tatsächlichen Höhe der geschuldeten Steuer obliegt jedoch den Gemeinden, diese dürfen daher auch über die Möglichkeit eines Erlasses, einer Stundung oder der Erhebung von Zinsen entscheiden. Dies rechtfertigt es neben der Ertragshoheit im Ergebnis trotz der bundesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz Grund- und Gewerbesteuer als kommunale Steuern zu bezeichnen.
1. Gewerbesteuer
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Bei der Gewerbesteuer handelt es sich um eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle i.S.v. Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG. Mit einem Aufkommen von 55,4 Milliarden Euro in 2019 ist sie die wichtigste originäre Einnahmequelle der Kommunen zur Bestreitung ihrer öffentlichen Ausgaben[709].
Die Gewerbesteuer wurde bereits 1810 im Zusammenhang mit den Stein/Hardenberg‚schen Reformen eingeführt und schon 1820 hatte sie eine der heutigen Gewerbesteuer sehr ähnliche Gestalt[710]. Geprägt ist sie aufgrund dieser Tradition vor allem durch das Äquivalenzprinzip; ob dieses aber auch heute noch als pauschale Rechtfertigung insgesamt akzeptiert werden kann, ist umstritten[711]. Das Bundesverfassungsgericht bejaht die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer[712], die Diskussion um die Gewerbesteuer besteht jedoch ungehindert fort[713]. Das letzte Reformvorhaben, für das eine Gemeindefinanzkommission eingerichtet wurde, scheiterte im Juni 2011. Bund, Länder und Kommunen konnten sich nicht auf eine gemeinsame Position für die abschließende Kommissionssitzung einigen. Die Kommission sollte Wege prüfen, um die stete Finanznot der Städte und Gemeinden auf Dauer zu verringern. Geplant war der Ersatz der Gewerbesteuer durch eine andere, weniger konjunkturanfällige Geldquelle[714].
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Als Realsteuer knüpft die Gewerbesteuer an den Gewerbebetrieb an, nicht an den Betriebsinhaber. Steuergegenstand ist gemäß § 2 Abs. 1 GewStG jeder im Inland betriebene stehende Gewerbebetrieb. Für den Reisegewerbebetrieb bestehen Sonderregelungen in § 35a GewStG und § 35 GewStDV. Eine Legaldefinition des Gewerbebetriebs ist in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG enthalten, auf die in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verwiesen wird. Steuerbefreiungen sind in § 3 GewStG enthalten, die weitestgehend denjenigen des § 5 KStG entsprechen, aber auch darüber hinausgehen.
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Steuerschuldner ist der Unternehmer, für dessen Rechnung das Gewerbe tatsächlich betrieben wird (§ 5 GewStG). Auch eine Personengesellschaft kann Steuerschuldner sein (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG).
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Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag (§ 7 GewStG), der auf dem nach den Vorschriften des EStG/KStG ermittelten Gewinn basiert. Durch besondere Hinzurechnungen und Kürzungen (§§ 8 und 9 GewStG) soll diese Größe so korrigiert werden, dass die objektivierte Ertragskraft eines Betriebes erfasst wird[715].
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Ausgehend vom Gewerbeertrag wird der Steuermessbetrag gemäß § 11 GewStG ermittelt und nach § 14 GewStG, § 184 AO festgesetzt (Gewerbesteuermessbescheid). An diesem Verfahren der Finanzämter sind die Gemeinden nicht beteiligt; sie sind an den Gewerbesteuermessbescheid als Grundlagenbescheid i.S.v. § 182 AO gebunden. Für den nicht seltenen Fall, dass ein Gewerbebetrieb mehrere Betriebstätten in verschiedenen Gemeinden hat oder sich eine Betriebstätte über mehrere Gemeinden erstreckt, wird der Messbetrag in Anteile zerlegt, die auf die einzelnen Gemeinden entfallen[716]. Die Gemeinde wendet auf den Steuermessbetrag nun ihren Hebesatz an und setzt die so ermittelte Gewerbesteuer fest (§ 16 GewStG).
Seit dem 1. Januar 2004 sind Gemeinden nach §§ 1, 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG verpflichtet, Gewerbesteuern zu einem Mindesthebesatz von 200% zu erheben. Zuvor stand es den Gemeinden frei, jeden beliebigen Hebesatz festzusetzen, also auch durch eine Festsetzung des Hebesatzes auf Null von der Erhebung der Gewerbesteuer gänzlich abzusehen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 entschieden, dass die Verpflichtung der Gemeinden zur Erhebung eines Mindesthebesatzes verfassungsgemäß ist[717].
2. Grundsteuer
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Die Grundsteuer ist eine der ältesten Formen der direkten Besteuerung, ein reichs- bzw. bundeseinheitliches Grundsteuergesetz gibt es aber erst seit 1936[718]. Als Realsteuer bezieht sie sich auf die Beschaffenheit und den Wert eines Grundstücks; auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Eigentümers und den Ertrag des Grundstücks kommt es nicht an. „Die Grundsteuer entspricht […] in besonderem Maße dem Äquivalenzgedanken, wonach zwischen den Leistungen der Gemeinde für die Daseinsvorsorge und dem Grundsteueraufkommen ein enger Zusammenhang besteht“ [719].
Die Rechtfertigung der Grundsteuer wird immer wieder diskutiert[720], auch Reformversuche waren nicht selten und sind in letzter Zeit aufgrund der Vorlagen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Oktober 2014[721] und 17. Dezember 2014[722] beim Bundesverfassungsgericht, die mittlerweile entschieden sind, aktueller denn je[723]. Bereits in seinen Urteilen vom 30. Juni 2010[724] hatte der BFH eine allgemeine Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer für erforderlich gehalten und darauf hingewiesen, dass das weitere Unterbleiben einer solchen Neubewertung mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG, nicht vereinbar sei. Dennoch entschied er, dass die Einheitsbewertung des Grundvermögens für Bewertungsstichtage bis zum 1. Januar 2007 noch verfassungskonform sei. Mit seinen Beschlüssen vom 22. Oktober 2014 und 17. Dezember 2014 stellt der BFH nun klar, dass er in der Einheitsbewertung des Grundvermögens ab dem Bewertungsstichtag des 1. Januar 208 einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sieht. Neben den Richtervorlagen sind u.a. auch zwei Verfassungsbeschwerden zu dieser Frage beim Bundesverfassungsgericht anhängig[725]. Anfang des Jahres 2011 hat sich der Wissenschaftliche Beirat beim BMF in seiner Stellungnahme zur Grundsteuerreform für die Abschaffung des bisherigen Einheitswertverfahrens und eine Beibehaltung des Hebesatzrechts ausgesprochen[726]. Der Bundesrat hat am 4. November 2016 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Bewertungsgesetzes beschlossen, in dem der Kostenwert als Bewertungsmaßstab festgelegt wird[727]. Zudem soll durch eine Grundgesetzänderung die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes abgesichert und den Ländern die Möglichkeit zur Festlegung eigener Steuermesszahlen gegeben werden[728]. Mit Urteil vom 10. April 2018 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Grundsteuer wegen Gleichheitsverstößen auf Ebene der Bemessungsgrundlage verfassungswidrig sei. Die unterschiedlichen und veralteten Bewertungsregeln führten dazu, dass sich der Belastungsgrund der Steuer im Verhältnis verschiedener Grundstücke zueinander nicht realitätsgericht abbildete.[729] Mit Gesetz vom 30.11.2019 wurde ein neues Konzept implementiert, bei dem für die Länder die Möglichkeit der Abweichung besteht.
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Steuergegenstand