erscheint, dass hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen für Sonderabgaben i.w.S. weitgehend Kasuistik herrscht; ein einheitlicher, über den Einzelfall hinausgehender Prüfungsmaßstab ist nur begrenzt erkennbar[585].
c) Besondere Finanzierungsverantwortung der Gruppe für den Sachzweck
172
In der Leitentscheidung zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe fordert das Bundesverfassungsgericht über das Vorliegen einer homogenen Gruppe hinaus deren besondere Gruppenverantwortlichkeit im Sinne einer Finanzierungsverantwortung für den mit der Sonderabgabe verfolgten Sachzweck:
„Die Erhebung einer Sonderabgabe setzt eine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraus […]. Die mit der Abgabe belastete Gruppe muss dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler; andernfalls wäre die Sonderbelastung der durch die Abgabe in Anspruch genommenen Gruppe schon mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Aus dieser zu fordernden Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck muss eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Die Aufgabe, die mit Hilfe des Abgabeaufkommens erfüllt werden soll, muss demnach ganz überwiegend in die Sachverantwortung der belasteten Gruppe, nicht in die der staatlichen Gesamtverantwortung fallen. Andernfalls würde es sich bei der Verfolgung des Zwecks um eine öffentliche Angelegenheit handeln, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, das heißt im wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden darf […]. Angesichts der Bedeutsamkeit der ‚Sachnähe‚ für die Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe darf […] die ‚Sachnähe‚ nicht als formales und damit ‚machbares‚ Kriterium aufgefasst werden; es wäre dem Gesetzgeber sonst ohne weiteres möglich, die finanzverfassungsrechtlichen Grundentscheidungen des Grundgesetzes zu unterlaufen […]. Der Begriff der ‚Sachnähe‘ ist daher nach materiell-inhaltlichen Kriterien zu bestimmen, die sich einer gezielten Normierung des Gesetzgebers aus Anlass der Einführung der Abgabe entziehen. Ob eine bestimmte Gruppe eine ‚besondere Sachnähe‚ zu einer bestimmten Aufgabe aufweist, ist mithin unter Anknüpfung an vorgegebene Strukturen der Lebenswirklichkeit bei Berücksichtigung der Rechts- und Sozialordnung zu bestimmen“[586].
Die Bedeutung dieses weiteren Kriteriums neben der Anforderung, dass nur eine durch die Rechts- oder Sozialordnung bereits vor der Sonderabgabe klar abgrenzbare homogene Gruppe als abgabenpflichtig in Anspruch genommen werden darf, ist unklar[587]. So verwundert es auch nicht, dass die neuere Sonderabgabenjudikatur von einem „Ensemble […] der speziellen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Sonderabgabe mit Finanzierungszweck“ spricht[588], die Trennschärfe zwischen den Anforderungen „homogene Gruppe“, „spezifische Sachnähe der Gruppe zum Finanzierungszweck“ und „gruppennützige Verwendung des Abgabeaufkommens“ implizit relativiert.
173
Die Notwendigkeit einer besonderen Gruppenverantwortung verlangt jedenfalls, dass es sich um keine öffentliche Angelegenheit handelt, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und daher im Wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden müssen. Es ist eine spezifische Sachnähe der Abgabepflichtigen zu dem mit der Abgabeerhebung verfolgten Zweck erforderlich. Die Lastengleichheit setzt voraus, dass der Gesetzgeber diese Sachnähe real oder normativ vorfindet; es genügt nicht, wenn er die Sachnähe erst durch die Sonderabgabe herstellt[589]. Vielfach werden sowohl Allgemein- als auch Gruppeninteressen einander überlagern: Die Gruppennützigkeit muss das Allgemeininteresse an der Maßnahme in diesen Fällen eindeutig überwiegen[590]. Ein öffentliches Interesse an der Aufgabenerfüllung setzt die spezifische Finanzierungsverantwortung besonderer Gruppen voraus, beseitigt sie aber nicht[591].
Bei der sog. Verursacherabgabe kann die Gruppenverantwortlichkeit für den Finanzierungszweck daraus abgeleitet werden, dass der Abgabenschuldner die Kosten staatlicher Maßnahmen verursacht habe. Er soll typisierend mit Kosten belastet werden, die durch seine Handlungen hervorgerufen, aber von der Allgemeinheit getragen werden[592]. Derartige Verursacherabgaben finden sich bislang vor allem in umweltpolitischen Zusammenhängen[593]. Erforderlich ist in diesem Zusammenhang eine Finanzierungsverantwortlichkeit aus vorangegangenem Tun, das die Kosten unmittelbar verursacht hat[594].
174
Hinsichtlich der verfassungsrechtlich zulässigen Höhe der Sonderabgabe ist festzuhalten, dass „mit Blick auf die kollektive Finanzierungsverantwortung der Abgabenpflichtigen als einer Gruppe […] sich die Bestimmung der individuellen Belastung einer genauen Umrechnung auf den einzelnen Abgabepflichtigen nach Kosten, Wert und Vorteil [entzieht]“[595].
d) Gruppennützigkeit der Mittelverwendung
175
Die gruppennützige Verwendung des Abgabeaufkommens wurde ebenfalls bereits in der Ausbildungsplatzförderungsentscheidung als Voraussetzung postuliert:
„Die außersteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt voraus, dass zwischen den Belastungen und den Begünstigungen, die die Sonderabgabe bewirkt, eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Das ist der Fall, wenn das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also ‚gruppennützig‘ verwendet wird […]. ‚Fremdnützige‘ Sonderabgaben sind – soweit ihnen nicht schon Bedenken aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 14 GG, entgegenstehen – unzulässig, es sei denn, dass die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigt […]. ‚Gruppennützige‘ Verwendung der Abgabe besagt allerdings nicht, dass das Abgabeaufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen zu verwenden ist; es genügt, wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird“[596].
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeuten mithin die besondere Sachnähe zum Finanzierungszweck und die korrespondierende Finanzierungsverantwortung, dass die zweckentsprechende Verwendung des Abgabenaufkommens zugleich gruppennützig wirkt[597]. Eine Sonderabgabe ist danach nur dann zulässig, wenn das Abgabenaufkommen vollständig im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen verwendet wird. Eine Einstellung in die allgemeinen Haushalte des Bundes oder der Länder scheidet grundsätzlich aus; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn haushaltsrechtliche Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass das Aufkommen – in Abweichung von dem allgemeinen Non-Affektationsprinzip – ausschließlich gruppennützig verwendet wird. Nicht von der Sonderabgabenrechtsprechung erfasst wäre demgegenüber die Verwendung des Aufkommens zur Ausstattung eines privatrechtlich verfassten Vermögens. Etwaige Überschüsse, die der Fonds aus den Mitteln der Sonderabgabe erzielt, sind, sofern eine gruppennützige Verwendung der Mittel nicht mehr erfolgt oder der Fonds aufgelöst wird, den Abgabenschuldnern zu erstatten[598].
e) Überprüfungs- und Dokumentationspflichten
176
Die Sonderabgabenjudikatur des Bundesverfassungsgerichts war von Anfang an dadurch gekennzeichnet, dass dem parlamentarischen Gesetzgeber eine Überprüfungspflicht in der Zeit aufgegeben wurde. Der die Sonderabgabe einführende Gesetzgeber ist verpflichtet, Mechanismen zur kontinuierlichen, i.d.R. jährlichen Überprüfung der Notwendigkeit der Abgabe zu regeln. Bereits in der Leitentscheidung zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe heißt es: „Der Gesetzgeber ist bei einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer in die spezifische Verantwortung einer Gruppe fallenden Aufgabe durch Erhebung einer Sonderabgabe von Verfassungs wegen gehalten, stets zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des gesetzgeberischen Mittels ‚Sonderabgabe‘ aufrechtzuerhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung zu ändern