zu belastende Gruppe in der europäischen Rechtsordnung vorstrukturiert sei[573]. Diesem Gedanken der rechtlichen Vorstrukturierung kann in einer weitenden Perspektive die grundsätzliche Beachtlichkeit einer gesetzgeberischen Entscheidung zur gleichartigen Behandlung der unter das entsprechende Regime fallenden Subjekte entnommen werden. Findet sich für die unter die Sonderabgabe fallende Gruppe aber keine einheitliche rechtliche Vorstrukturierung, kann dies als erstes Indiz dafür gewertet werden, dass sich die betreffenden Subjekte in qualitativer Hinsicht für die Fassung unter eine einheitliche Sonderabgabe zu sehr unterscheiden. Durch die Schaffung eines unterschiedlichen gesetzlichen Umfeldes hat der Gesetzgeber selbst ein Indiz für die Inhomogenität der Subjekte geschaffen. Die Validierung dieses rechtlichen Indizes für eine Inhomogenität erfolgt anhand der sachlichen Unterschiedlichkeit der Regelungsregime mit Hinblick auf den Sachzweck der Sonderabgabe.
Schließlich dient auch die Ausgestaltung des Abgabetatbestands als Homogenitätsmaßstab. Danach ist eine Gruppe jedenfalls dann nicht mehr homogen, wenn der Gesetzgeber bei der Bemessung der Sonderabgabe auf der Ebene der Bemessungsgrundlage und/oder auf der Ebene der Tarifgestaltung Differenzierungen zwischen unterschiedlichen Typen von Abgabepflichtigen eingeführt hat. Zwar ließe sich ein solches Vorgehen dahingehend deuten, dass der Gesetzgeber mehrere, in sich homogene Gruppen, die freilich gemeinsam keine homogene Gruppe bilden, mit mehreren, auf die jeweiligen Gruppen zugeschnittenen Sonderabgaben belastet. In diesem Fall wäre allerdings im Rahmen der gruppennützigen Verwendung erforderlich, dass die Mittel in getrennte, den jeweiligen Gruppen entsprechende Vermögensmassen fließen. Die Mittel dürften also nicht „in einen Topf“ fließen, der Sache nach handelte es sich dann um zwei verschiedene Sonderabgaben.
167
Der bei Einführung der Sonderabgabe grundsätzlich bestehende Typisierungs- und Ermessensspielraum des Gesetzgebers ist in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. Einschränkungen bestehen zunächst im Falle einer Belastung der Akteure, die der – durch die jeweilige Sonderabgabe begegneten – Gefahr nur passiv ausgesetzt sind: Dann darf die Gruppe der Abgabepflichtigen nicht, auch nicht annähernd, mit der Gesamtgruppe derjenigen identisch sein, die einer der klassischen, in Art. 105, 106 GG vorgesehenen Steuerarten unterliegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch der sachliche Gegenstand der Sonderabgabe Ähnlichkeit mit dem jeweiligen Steuergegenstand aufweist. Die Abgrenzbarkeit der mit der Abgabe belegten Gruppe muss sich auch vor der Allgemeinheit der Steuerzahler bewähren[574]. Dem Gesetzgeber begegnet weiterhin – im Sinne legislatorischer Selbstbindung – ein allgemeines Konsequenzgebot. Maßstab für die Homogenität der Gruppe ist auch die tatbestandliche Ausgestaltung der Sonderabgabe selbst.
168
Die dargestellten Anforderungen hinsichtlich der Gruppenhomogenität werden von den beiden jüngsten Sonderabgaben-Judikaten des Bundesverfassungsgerichts zur Umlagefinanzierung der BaFin[575] und der Erhebung von „Beiträgen“ nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG)[576] bestätigt. Die Entscheidungen verfügen über Parallelen: Die Gruppenhomogenität der von den Sonderabgaben Belasteten kristallisiert sich unter Inbetrachtnahme des verfolgten Zwecks der Finanzmarktregulierung heraus. In beiden Fällen soll die Stabilisierung des Finanzmarktes erreicht werden, hierzu insbesondere das Vertrauen der Marktteilnehmer in hinreichende Kontrollmechanismen gesichert werden. Es geht um die Gewährleistung der Rahmenbedingungen eines spezifischen Systems wechselseitiger Abhängigkeiten; die Abgabenpflichtigen werden wegen ihrer Teilnahme an diesem Markt in Anspruch genommen. Sie sind für die Risiken gruppenspezifischer Zustände und Verhaltensweisen verantwortlich[577]. Die mit den Sonderabgaben belasteten Unternehmen agieren – mit anderen Worten – in Abhängigkeit von den durch die Sonderabgabe gewährleisteten Voraussetzungen. Die Bewältigung marktspezifischer Risiken, Stabilität und Vertrauen werden im Falle der Umlagefinanzierung der BaFin durch Aufsicht, im Falle der Erhebung von „Beiträgen“ nach dem EAEG im Wege etwaiger Anlegerentschädigung gewährleistet. Der angestrebte Zweck einer unternehmensübergreifenden Marktstabilisierung und Stärkung des Kundenvertrauens unabhängig von konkreten Entschädigungsfällen führt – bei Beurteilung der Gruppenhomogenität – zur Unerheblichkeit des von einzelnen Unternehmen ausgehenden Risikopotenzials. Dabei harmonisiert die Segmentierung des Finanzmarkts in unterschiedliche „Abgabenregime“ durch den Gesetzgeber, insbesondere die Trennung der Anbieter von Wertpapierdienstleistungen sowie Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, mit dem verfassungsrechtlichen Homogenitätserfordernis: Die genannten Marktsegmente verfügen nicht nur über faktische Spezifika, sie sind in der innerstaatlichen und europäischen Rechtsordnung zudem vorstrukturiert. Nicht zuletzt ist eine unterschiedliche historische Entwicklung vertrauensschützender Sicherungssysteme beobachtbar[578].
b) Legitimität des Sachzwecks
169
Sonderabgaben dürfen nicht allein zur Einnahmeerzielung erhoben werden. Mit ihnen muss zugleich ein Sachzweck verfolgt werden, der über die reine Mittelbeschaffung als solche hinausgeht, da andernfalls in den der Steuer vorbehaltenen Bereich der allgemeinen Staatsfinanzierung übergegriffen würde[579]. Sachzweck in diesem Sinne muss – anders als bei der Steuer der Sozialzweck in Entgegensetzung zum Fiskalzweck – nicht zwingend ein verhaltensbeeinflussender Zweck, also ein Lenkungszweck sein; der erforderliche Sachzweck kann auch in der spezifischen Verwendung der durch die Sonderabgabe erzielten Einnahmen liegen[580].
aa) Kreis möglicher Zwecke
170
Als legitime Sachzwecke sind grundsätzlich alle diejenigen Zwecke anzusehen, die nach Maßgabe verfassungsrechtlicher, insbesondere grundrechtlicher Wertungen zu denjenigen potenziellen Zielen der Wirtschafts- und Finanzpolitik zählen, die sich im Rahmen einer demokratischen Bestimmung des Gemeinwohls halten und bei deren Erfüllung der Staat die Grundrechte weder positiv (durch Eingriffe) noch negativ (durch Vernachlässigung seiner Schutzpflichten) missachtet. Prinzipiell können zwei denkbare Gruppen von Sachzwecken voneinander abgeschichtet werden:
– | Sachzwecke, die schon durch die Mittelerhebung verwirklicht werden sollen („Lenkungszwecke“) – sie sind auch bei Sonderabgaben und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts prinzipiell zulässig[581]; |
– | Sachzwecke, die durch die Mittelverwendung verwirklicht werden sollen („Finanzierungszwecke“). |
bb) Auswirkungen auf die verfassungsgerichtliche Prüfungsdichte
171
Die Unterscheidung zwischen Finanzierungsabgaben als „Sonderabgaben im engeren Sinn“ und Ausgleichsabgaben ohne Finanzierungszweck, also Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion[582], dient dem Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Judikatur zur Vorjustierung der Striktheit, mit der die Kriterien der Sonderabgabe geprüft werden. Zur Begründung wird angeführt, dass bei den Finanzierungssonderabgaben der Übergriff in den Bereich der Steuer – anders als bei Gebühren oder Beiträgen – besonders nahe liege: „Die für alle nichtsteuerlichen Abgaben geltenden Begrenzungen hat das Bundesverfassungsgericht für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion (Sonderabgaben im engeren Sinne) in besonders strenger Form präzisiert. Sonderabgaben im engeren Sinne zeichnen sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch nimmt, obwohl weder ein Gegenleistungsverhältnis noch ähnlich unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe eine Konkurrenz der Abgabe zur Steuer ausschließen“[583]. Etwaige Lenkungszwecke allein reichen jedoch nicht aus, um die Rechtfertigungsanforderungen für Sonderabgaben herabzusetzen. Wenn der Finanzierungszweck Haupt- oder Nebenzweck ist, ändern hinzutretende Lenkungszwecke