trägt.
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Im ersten Fall kompensiert die Gebühr einen Vorteilszufluss. Im zweiten Fall gleicht die Gebühr solche Kosten aus, die dem Staat entstanden sind, weil das Individuum staatliche (Dienst-)Leistungen, wie etwa die Ausstellung eines Reisepasses, in Anspruch genommen hat. Somit stellen der „Vorteilsausgleich“ und der „Kostenausgleich“ zwei materielle Kriterien des verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs dar. Besonders zu beachten ist, dass die Kosten und der Vorteil dem Individuum konkret zurechenbar sein müssen. Wird diese Voraussetzung für einen Sachverhalt nicht erfüllt, darf der Staat nur die Steuer als Finanzierungsinstrument einsetzen.
3. Abgrenzung zu anderen Abgabenarten
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Wie oben erwähnt, wird die Steuer voraussetzungslos geschuldet. Während die Gebühr eine Kausalabgabe (oder Vorzugslast) darstellt, ist die Steuer eine Gemeinlast[462]. Mit anderen Worten: die individuelle Zurechenbarkeit bildet das Unterscheidungskriterium zwischen Gebühr und Steuer. Der Unterschied zwischen der Gebühr und dem Beitrag[463] besteht wiederum darin, dass die Gebühr einen aktuellen Vorteil ausgleicht, der Beitrag dagegen einen potentiellen. Schließlich fließt die Gebühr – im Gegensatz zum Regelfall bei der Sonderabgabe – in den allgemeinen Staatshaushalt. Möglich ist auch, das Verhalten des Bürgers durch Gebühren zu lenken (sog. Lenkungsgebühren); anders als bei reinen Ausgleichs- oder Lenkungsabgaben[464] kann sie jedoch nur für individuell zurechenbare Kosten oder Vorteile erhoben werden.
1. Gebührenrechtfertigung und Gebührenbegrenzung
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Die bundesstaatliche Finanzverfassung trifft als „Steuerfinanzverfassung“ ausschließlich Regelungen über den Abgabentypus der Steuer. Dies bedingt eine besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit sämtlicher nichtsteuerlicher Abgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend in der Entscheidung zum Wasserpfennig[466] eine besondere sachliche Rechtfertigung gefordert. Dies folge aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung[467].
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Wie jede staatliche Handlung, die in Grundrechte eingreift, muss auch ein nichtsteuerlicher Abgabentatbestand allgemeinen verfassungsrechtlichen Kriterien genügen. Methodisch liegt es zunächst nahe, die Gebühr als solche am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen[468]. Demzufolge dürfen die mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecke zum Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheitsbetätigung des Bürgers nicht außer Verhältnis stehen. Als erster Schritt der Gebührenrechtfertigung bestimmte dieses Kriterium ursprünglich die verfassungsgerichtliche Judikatur. Maßstäbe für eine Begrenzung von Gebühren lassen sich so freilich kaum generieren.
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Das Bundesverfassungsgericht hat daher die Gebührenrechtfertigung mit der Gebührenbegrenzung verbunden und in der Entscheidung zum Wasserpfennig klargestellt[469]: „Die für die Abgrenzung zur Steuer unerlässliche Abhängigkeit der Wasserentnahmeentgelte von einer Gegenleistung bleibt allerdings nur erhalten, wenn deren Höhe den Wert der öffentlichen Leistung nicht übersteigt.“ Wann aber die Höhe der öffentlichen Leistung deren Wert übersteigt (und wann nicht), bedarf einer näheren Konkretisierung. Insofern ist es dogmatisch sinnvoll, an die Doppelgliedrigkeit des Gebührenbegriffs anzuknüpfen: Schöpft die Gebühr einen Vorteil ab, so kommt als verfassungsrechtliche Grenze das sog. Äquivalenzprinzip[470] zum Tragen. Werden aber nur Kosten ausgeglichen, bestimmt sich die Bemessung der Höhe der Gebühr nach dem sog. Kostendeckungsprinzip[471]. Beide Prinzipien können auch kumulativ herangezogen werden. Sie bilden zusammen einen Rahmen für die Gestaltungsbedürfnisse des Gesetzgebers. Dieser wird überschritten, sobald die Gebühr erkennbar höher ist, als der Vorteil, oder wenn die Kostenzurechnung erkennbar unangemessen ist.
2. Äquivalenzprinzip
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Das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip (Äquivalenzprinzip i.e.S. im Gegensatz zur generellen/globalen Äquivalenz der Steuer als Gegenleistung für die Gesamtheit staatlicher Leistungen) besagt, dass die Gebühr nur das Äquivalent zu dem Vorteil sein darf, den der Einzelne durch die konkrete staatliche Leistung erhält. Das Äquivalenzprinzip stellt eine Relation zwischen der vom Staat erbrachten Leistung und der Gebühr her – die Gebühr darf in keinem Missverhältnis zur erbrachten Leistung stehen. Das Äquivalenzprinzip wird verletzt, wenn eine „gröbliche Störung des Ausgleichsverhältnisses“[472] zu verzeichnen ist. Die genauen Anforderungen und insbesondere die Grenzen des Prinzips sind bis heute umstritten, wie die Kasuistik der Verwaltungsrechtsprechung zeigt[473].
3. Kostendeckungsprinzip
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Das Kostendeckungsprinzip stellt ein alternatives, traditionelles Gebührenbemessungsprinzip dar. Hiernach dürfen nur die der Verwaltung tatsächlich angefallenen Kosten als Gebühren erhoben werden. Die Kosten können entweder für einen gesamten Verwaltungsbereich verteilend für alle Gebührenvorfälle (generelles Kostendeckungsprinzip)[474] oder speziell für den jeweiligen Aufwand (spezielles Kostendeckungsprinzip) erhoben werden. Die Kommunalabgabengesetze der Länder, beispielsweise § 6 Abs. 1 S. 3 KAG NRW, normieren zudem ein Kostenüberschreitungsverbot und ein Kostendeckungsgebot[475]: Die Gebühr darf die aufgewandten Kosten weder über- noch unterschreiten. Zu beachten ist, dass die Gebührenkalkulation oft nach betriebswissenschaftlichen Regeln erfolgt[476].
4. Lenkende Gebühren
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Unter Lenkungsgebühren werden solche Gebühren verstanden, die durch ihre Auferlegung und Höhe das Bürgerverhalten steuern sollen. Sie sind von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen[477]. Neben die Rechtfertigung als Gebühr tritt hier die Prüfung des Lenkungszwecks, etwa im Sinne einer freiheitsrechtlich induzierten Zweck-Mittel-Relation.
5. Soziale Staffelung von Gebühren
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Gebühren werden, anders als Steuern, nicht nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben, sondern sind in der beschriebenen Weise gegenleistungsorientiert. In der Abgabenpraxis – etwa bei Kindergartengebühren – stellt sich gleichwohl die Frage, ob dies eine soziale Staffelung der Gebührenhöhe grundsätzlich ausschließt. Eine Orientierung der Gebührenbemessung an der Leistungsfähigkeit der Gebührenschuldner würde den verfassungsrechtlich geforderten Abstand zur Steuer relativieren, ist daher von vornherein kritisch zu sehen und nur in engen Ausnahmefällen zulässig. Wird eine „Umverteilung“ auch durch Gebühren forciert, droht die Mutation der Gebühr zur „Verwaltungssteuer“[478]. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer grundlegenden Entscheidung hier recht großzügig judiziert: „Einkommensbezogene Gebührenstaffeln sind daher unter dem spezifischen Blickwinkel der Abgabengerechtigkeit jedenfalls unbedenklich, solange selbst die Höchstgebühr die tatsächlichen Kosten der Einrichtung nicht deckt und in einem angemessenen Verhältnis zu der damit abgegoltenen Verwaltungsleistung steht. Unter diesen Voraussetzungen wird allen Benutzern im Ergebnis ein vermögenswerter Vorteil zugewendet. Auch die Nutzer, die die volle Gebühr zahlen, werden nicht zusätzlich