zwischen den Gliedstaaten differenzierende Regelungen kommen so gerade nicht zustande.
III. Steuerertragskompetenzen
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Die Steuerertragskompetenz ist eine finanzverfassungsrechtliche Besonderheit des zehnten Abschnitts des Grundgesetzes[325]. Sie ist im Wesentlichen in Art. 106 und 107 Abs. 1 GG geregelt. Die Aufteilung des Steueraufkommens zwischen dem Bund und den Ländern (mit ihren Gemeinden) dient der Absicherung der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung der Gebietskörperschaften und wird auch als (vertikaler und horizontaler) Finanzausgleich bezeichnet.
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Der Begriff der Ertragshoheit erscheint im Verfassungstext nicht explizit, er geht auf Albert Hensel[326] zurück: „Ertragshoheit eines Abgabenobjekts hat ein Staat immer dann inne, wenn die Erträge einer Abgabe seinem Staatshaushalt zugute kommen, gleichgültig ob diese Abgabe von ihm oder einer anderen Staatsgewalt auferlegt worden ist.“ Die Literatur hat zum Teil diese Ertragshoheit mit dem einfachgesetzlichen Steueranspruch des Steuerschuldrechts gleichgesetzt[327]. Das ist indes zu undifferenziert[328]: Hier werden einfaches Gesetzesrecht und Verfassungsrecht unzulässigerweise vermengt oder es wird – methodisch problematisch – eine authentische Interpretation von Verfassungssachverhalten durch einfaches Gesetzesrecht versucht[329]. Außerdem liegt der Telos des einfachrechtlichen Steueranspruchs gegenüber dem Bürger auf einer ganz anderen Ebene als die primär bundesstaatlich motivierten Regelungen der Art. 106, 107 GG[330]. Das Steuerschuldrecht ordnet den staatlichen Steuerzugriff auf den Bürger; die Aufteilung der Steuerertragshoheit im Grundgesetz dient dagegen der Austarierung der Finanzen im Bundesstaat, wirkt also primär im Bund-Länder-Verhältnis[331]. Da eine möglichst weitgehend verfassungskräftige Festschreibung der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzen zur Stabilisierung des Bundesstaats unerlässlich ist, kommt der Verteilung der Steuererträge die zentrale Stellung unter den Vorschriften der bundesstaatlichen Finanzverfassung zu[332]. Die Steuerertragshoheit soll eine ausreichende oder doch angemessene Finanzausstattung von Bund und Ländern als Grundlage ihrer „Eigenstaatlichkeit“[333] und haushaltsrechtlichen Unabhängigkeit sicherstellen[334]. Die Ertragshoheit im finanzverfassungsrechtlichen Sinn begründet somit einen bundesstaatlich motivierten (Verfassungs-)Rechtsanspruch, der sich, wo Ertrags- und Verwaltungskompetenz getrennt sind, gegen die erhebende, also mit Verwaltungskompetenz versehene Gebietskörperschaft richtet[335]; fallen die Kompetenzen zusammen, begründet die Ertragshoheit einen verfassungsrechtlichen „Rechtsgrund zum Behaltendürfen“ der Steuererträge. Freilich verwirklicht sie sich konkret jeweils erst dann, wenn die mit der Steuergesetzgebungskompetenz betraute Gebietskörperschaft von ihrem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob daraus eine Pflicht zur Erhebung bestimmter Steuern resultieren kann[336].
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Im Einzelnen lassen sich innerhalb der Art. 106, 107 GG vier Stufen der Steueraufteilung und des Finanzausgleichs ausmachen. Auf der ersten Stufe (primärer vertikaler Finanzausgleich) werden durch Art. 106 GG bestimmte Steuereinnahmen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden zugeordnet. Dies bedeutet , dass der Ertrag einiger Steuern ausschließlich dem Bund (Art. 106 Abs. 1 GG), den Ländern (Art. 106 Abs. 2 GG, z.B. Erbschaftsteuer) oder Gemeinden (Art. 106 Abs. 6 GG, z.B. Gewerbesteuer) zusteht – sog. Trennsystem – , während die Einnahmen aus den aufkommensstärksten Steuern (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, sog. Gemeinschaftssteuern) anteilig an die genannten Gebietskörperschaften ausgeschüttet werden (Art. 106 Abs. 3-5a, 7 GG) – sog. Verbund- oder Mischsystem[337].
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Die zweite Stufe (primärer horizontaler Finanzausgleich) betrifft die Verteilungsmodi der an die Ländergesamtheit geflossenen Steuereinnahmen auf die einzelnen Gliedstaaten, wobei hier bezüglich der unterschiedlichen Steuerarten verschiedene Parameter greifen (z.B. Prinzip des örtlichen Aufkommens für die Einkommen- und Körperschaftsteuer, Einwohnerzahl und gesetzliche Ergänzungszuweisungen für die Umsatzsteuer), Art. 107 Abs. 1 GG.
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Die dritte (sekundärer horizontaler Finanzausgleich) und vierte Stufe des geschilderten Finanzausgleichs gehören nicht mehr Steuerertragshoheiten i.e.S., sondern stellen Ausgleichsregelungen im Anschluss an die Verteilung des Steueraufkommens dar, bewirken mithin Umverteilung von eindeutig Zugewiesenem. Mit Wirkung zum 1. Januar 2020 tritt nach der Änderung von Art. 107 Abs. 2 GG ein neuer, stärker vertikalisierter sekundärer Finanzausgleich in Kraft (BGBl. I S. 2347).
IV. Steuerverwaltungskompetenzen
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Die Steuerverwaltungskompetenz wird durch Art. 108 GG als lex specialis gegenüber den Art. 83 ff. GG zwischen Bund und Ländern verteilt[338]. Ausführungsgesetz zu Art. 108 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 GG ist das Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG), das Organisation und sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden regelt. In den §§ 1 (Bundesfinanzbehörden) und 2 (Länderfinanzbehörden) FVG wird der übliche Behördenaufbau mit der Gliederung in oberste, Ober-, Mittel- und örtliche Behörde geregelt[339].
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Das frühere Unikum der Mischverwaltung durch die Oberfinanzdirektion als einheitlicher Mittelbehörde, die sowohl dem Bund wie auch dem betroffenen Land zugeordnet war und der Aufsicht durch deren jeweiliger Oberbehörde jeweils zum Teil unterlag, wurde durch Errichtung der Bundesfinanzdirektionen als „eigene“ Mittelbehörden des Bundes im Jahr 2008 abgeschafft.
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Für die Bundesebene ergeben sich neben Art. 108 Abs. 1 GG weitere Vorgaben aus Art. 87 Abs. 1 GG, der die Bundesfinanzverwaltung als obligatorische, unmittelbare und mehrstufige (wenn auch mittlerweile nicht mehr notwendigerweise dreistufige, vgl. Art. 108 Abs. 1 S. 3 GG) Bundesverwaltung vorschreibt. Art. 108 Abs. 2 GG verpflichtet die Länder zur Einrichtung einer mehrstufigen Landesfinanzverwaltung, wobei auch hier die Verpflichtung zu einem dreistufigen Behördenaufbau entfallen ist, Art. 108 Abs. 2 S. 3 GG[340]. Verfassungsrechtlich außergewöhnlich ist die für den Fall der Einrichtung von Mittelbehörden vorgesehene Verpflichtung, deren Leiter im „Benehmen“ mit den Landesregierungen (bei Bundesmittelbehörden, Art. 108 Abs. 1 S. 3 GG) und im „Einvernehmen“ mit der Bundesregierung (bei Landesmittelbehörden, Art. 108 Abs. 2 S. 3 GG) zu bestellen. In letzterem Fall besteht mithin eine echte Mitentscheidungsbefugnis der Bundesregierung, so dass ein abermaliges Beispiel für eine Mischverwaltung vorliegt; nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist mittlerweile wohl auch das bloße Benehmenserfordernis bei den Bundesmittelbehörden als Fall der Mischverwaltung einzuordnen[341].
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Nach Art. 108 Abs. 1 S. 1 GG werden Zölle, Finanzmonopole, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern und die Abgaben im Rahmen der Europäischen Union durch die Bundesfinanzbehörden verwaltet; örtliche Behörden sind dabei die Hauptzollämter.
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Die übrigen Steuern werden nach Art. 108 Abs. 2 S. 1 GG durch die Landesfinanzbehörden verwaltet, insoweit sind die Finanzämter örtliche Behörden. Sofern es sich um solche Steuern handelt, deren Erträge ganz oder teilweise dem Bund zustehen, agieren die Länder gem. Art. 108 Abs. 3 S. 1 GG in Bundesauftragsverwaltung, die damit insbesondere für die ertragsstarken Gemeinschaftssteuern greift. Folglich lässt sich festhalten, dass die Ertragskompetenz zwar keine Rolle dafür spielt, ob Bund oder Länder die Steuern verwalten, jedoch hinsichtlich der Art der Steuerverwaltung durch die Länder – ob als eigene Angelegenheit oder in Bundesauftragsverwaltung – relevant wird[342]. Während die Steuergesetzgebungskompetenzen schwerpunktmäßig beim Bund angesiedelt