lassen sich den §§ 172 ff. AO zunächst allgemeine Voraussetzungen entnehmen, welche bei allen Korrekturen gleichermaßen erfüllt sein müssen[434]. So ist eine Korrektur nach § 169 Abs. 1 S. 1 AO grundsätzlich nur möglich, wenn keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung[435] folgt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass nur rechtswidrige Bescheide einer Korrektur zugänglich sind. Für diesen Fall geht das Gesetz dann von einer Korrekturpflicht aus[436]. Die Vertrauensschutzvorschrift des § 176 AO bringt schließlich eine grundsätzlich zu beachtende Korrekturgrenze[437]. Sind diese allgemeinen Voraussetzungen erfüllt, ist im Weiteren entscheidend, ob einer der in den §§ 172 ff. AO genannten speziellen Korrekturtatbestände eingreift. Der in der Praxis wichtigste Fall ist das Bekanntwerden neuer Tatsachen, das nach § 173 AO zwingend zu einer Neufestsetzung führt[438].
c) Das Steuerrechtsverhältnis
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Die Kategorie des Steuerrechtsverhältnisses ist die dogmatische Umschreibung der für das Steuerrecht charakteristischen Situation der Konkretisierung und Verdichtung von Rechtbeziehungen zwischen Steuerbürger und Steuerverwaltung. Im Vergleich zum normalen Verwaltungsverfahren ist diese Beziehung oftmals verdichtet und intensiviert[439]. Die Steuererhebung setzt nicht nur ein Verwaltungsverfahren als planvolle und zweckmäßige Ordnung zur Entscheidungsfindung voraus, dem – wie jedem Verwaltungsverfahren[440] – Prozesscharakter eigen ist und das regelmäßig mit einer Entscheidung endet[441]; die Intensität der Beziehungen zwischen Steuerverwaltung und Steuerbürger wird durch das steuerliche Schuldverhältnis als Hauptfall des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses überlagert und verdichtet[442]. Das Steuerschuldverhältnis ist zwar im Vergleich zum privatrechtlichen Schuldverhältnis asymmetrisch ausgestaltet, da einer der Beteiligten, der Fiskus, in letzter Konsequenz über einseitige staatliche Durchsetzungsmacht verfügt; gleichwohl ist damit stärker als im sonstigen Verwaltungsrecht ein Wechselseitigkeitsverhältnis verankert[443]. Das wegen seines Prozesscharakters[444] über den im Steuerverwaltungsrecht zentralen Verwaltungsakt in Form des Steuerbescheids[445] hinausweisende Steuerverwaltungsverfahren kombiniert mit dem Vor- und Nachwirkungen aufweisenden Steuerschuldverhältnis machen den Vorgang der Steuererhebung zu dem Prototyp einer verdichteten Staat-Bürger-Beziehung[446]. Diese Doppelung von administrativem Verfahren und verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ist das Charakteristikum im Vergleich zu anderen Staat-Bürger-Beziehungen. Das Steuerverfahrensrecht besitzt Prozesscharakter, das Steuerschuldrecht zeichnet sich – wie alle schuldrechtlichen Beziehungen – ebenfalls durch eine zeitliche Komponente, vor allem jedoch durch die Wechselseitigkeit und Wechselbezüglichkeit von Rechten und Pflichten aus, auch wenn stets deutlich bleiben sollte, dass es sich nicht um zivilrechtlich-privatautonome Gleichordnung handelt, sondern um eine asymmetrische Wechselseitigkeit[447]. Die insbesondere für Grund und Ausmaß des Vertrauensschutzes bedeutsame Stufung dieses Steuerrechtsverhältnisses stellt sich wie folgt dar: Ausgangspunkt ist die einfachgesetzliche materielle Steuerpflicht[448], etwa die Einkommensteuerpflicht nach § 1 EStG, die – z.B. durch Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland – jedoch nur einen Status begründet und für sich genommen noch keine schuldrechtlichen oder sonstigen Pflichten erzeugt[449]. Daher wird in diesem Zusammenhang auch von „Pflichtigkeit“, anstelle von Pflicht gesprochen[450]. Demgegenüber verdichtet sich das Steuerrechtsverhältnis mit der Verwirklichung von Abgabentatbeständen[451], die wiederum zu den konkret ausgestalteten Steuerpflichten der AO im Sinne der Steuerschuld nach § 33 Abs. 1 AO ihre schuld- und verfahrensrechtliche Fortsetzung finden[452]. Ganz in schuldrechtlichen Kategorien bezieht sich die Steuerschuld auf den Steueranspruch, bedeutet also eine Zahlungspflicht. Um die abgabenordnungsrechtliche Schuld gruppieren sich weitere steuerliche Pflichten, die diese teils modifizieren oder substituieren (Haftung), die teils in Abhängigkeit zur Steuerschuld stehen (unselbstständige Nebenpflichten wie Steuererklärungs- oder Steuertragungspflicht), teilweise aber auch – wie die Buchführungs– und Aufzeichnungspflichten – unabhängig von dem Bestehen eines konkreten Steuerschuldverhältnisses sind, jedoch dessen Umfeld betreffen[453].
Elftes Kapitel Haushalts- und Abgabenrecht › § 67 Abgabenrecht › D. Gebührenrecht
D. Gebührenrecht
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Anders als die Steuer, die zur Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs voraussetzungslos auferlegt wird, setzt die rechtmäßige Erhebung anderer Abgaben, einen konkreten staatlichen Bedarf voraus. Solche Abgaben werden daher auch Kausalabgaben oder Vorzugslasten genannt.
I. Gebührenbegriff
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Die Gebühr wird im Grundgesetz nur beiläufig erwähnt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und Art. 80 Abs. 2 GG). Eine umfassende Definition enthält die Verfassung nicht, sodass Rechtswissenschaft und Rechtsprechung diese erst entwickeln mussten.
1. Formeller Gebührenbegriff
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Zunächst bietet sich eine historische Bestimmung[454] des Gebührenbegriffs an. Schon früh spielte das Kriterium der „Gegenleistung“, welche die Steuer nach §§ 1 RAO und 3 Abs. 1 AO gerade nicht erfüllen darf, eine besondere Rolle. In Anlehnung an die Reichsabgabenordnung und an die – sie später ersetzende – Abgabenordnung 1977, enthalten die Kommunalabgabengesetze der Länder[455] eine Definition der Gebühr. Beispielhaft formuliert etwa § 4 Abs. 2 KAG NRW[456]: „Gebühren sind Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine besondere Leistung – Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit – der Verwaltung (Verwaltungsgebühren) oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen (Benutzungsgebühren) erhoben werden.“
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Die Definition des KAG NRW, welche bereits unterschiedliche Gebührentypen aufzählt, verdeutlicht den Gegenleistungscharakter dieser Kausalabgabe. Danach kann die Gebühr nur eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen sein. Ob auch für staatliches Handeln, das nur Kosten „provoziert“[457] und eben keinen Gegenleistungscharakter hat, ebenfalls Gebühren erhoben werden können, bestimmt diese Legaldefinitionen nicht. Ebenso wenig enthält die Definition greifbare materielle Kriterien für die Gebührengestaltung; man spricht daher auch vom formellen Gebührenbegriff.
2. Verfassungsrechtlicher Gebührenbegriff
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Das Bundesverfassungsgericht vermeidet bis heute[458] eine abschließende Definition der Gebühr, es hat sich jedoch schon früh gegen den formellen Begriff ausgesprochen und formulierte insofern, der enge, formelle Gebührenbegriff sei „auf den entscheidenden Fall der Verwaltungsgebühr zugeschnitten und nicht als abschließende verfassungsrechtliche Definition zu verstehen“[459]. Somit waren die Rechtsprechung und die Rechtswissenschaften vor die Herausforderung gestellt, brauchbare materielle Kriterien für die Bestimmung des verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs aufzustellen, um eine spätere Operationalisierung in der verwaltungsrechtlichen[460] Judikatur zu gewährleisten. Der verfassungsrechtliche, materielle Gebührenbegriff ist doppelgliedrig[461] und lässt sich in Anlehnung an Klaus Vogel wie folgt definieren:
Gebühren sind hoheitlich auferlegte Geldleistungen, die einem Rechtsträger zufließen und deswegen erhoben werden, weil ein konkreter Aufwand ausgeglichen werden muss. Der Aufwand