es im Anwendungsbereich der AO nur noch den Einspruch als außergerichtlichen Rechtsbehelf. Die AO schließt im Achten Teil (§§ 369–412) mit dem nicht dem Steuerrecht im engeren Sinne angehörenden Steuerstraf- sowie dem Steuerordnungswidrigkeitenrecht.
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2. Ausgewählte Probleme des Steuerverwaltungsrechts
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Das Steuerrecht bildet neben dem Polizeirecht den Hauptfall der Eingriffsverwaltung[407]. Entsprechend wurde von Otto Mayer das Steuerrecht wie selbstverständlich in seinem Deutschen Verwaltungsrecht abgehandelt[408]. Dieser Zusammenhang erscheint heute aufgrund der Eigenentwicklung des Steuerrechts teilweise verschüttet. Als Prototyp verwaltungsrechtlicher Kodifikation vermag jedoch insbesondere das Steuerrecht das Verständnis für Grundlagen des allgemeinen Verwaltungsrechts zu befördern. Die Rechtsbeziehungen zwischen Steuerbürger und Steuerverwaltung sind gegenüber normalen Verwaltungssituationen regelmäßig charakteristisch intensiviert und verdichtet[409]. Gleichzeitig unterscheiden jedoch die spezifischen Besonderheiten des Steuerrechts, wie etwa die Festsetzungsverjährung, Außenprüfungen, die Abhängigkeit von Grundlagen und Folgebescheiden oder die Periodizität der Veranlagung, das Steuerrecht vom allgemeinen Verwaltungsrecht. Auch hat die frühe Kodifizierung des Steuerrechts zu einer Eigenständigkeit dieses Rechtsgebietes beigetragen[410]. Die zum Teil abweichende Gestaltung der AO gegenüber dem VwVfG trägt daher gleichsam den Besonderheiten dieses Rechtsgebietes Rechnung. Nachfolgend soll dementsprechend auf einige ausgewählte Probleme des Steuerverwaltungsrechts eingegangen werden, wobei Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum allgemeinen Verwaltungsrecht im Mittelpunkt der Betrachtung stehen sollen.
a) Der Steuerverwaltungsakt
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Der Verwaltungsakt bildet sowohl im allgemeinen Verwaltungsrecht als auch im Bereich des Steuerverwaltungsrechts die zentrale Handlungsform[411]. Durch die Konkretisierung[412] der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis dient er „der Umsetzung des abstrakten Gesetzes in konkrete Rechtssicherheit“[413]. Anderweitige Handlungsformen sind der Steuerverwaltung als Eingriffsverwaltung weitgehend verschlossen[414], wenn auch das Institut der tatsächlichen Verständigung vom BFH in ständiger Rechtsprechung zugelassen wird[415].
In Übereinstimmung mit § 35 S. 1 VwVfG und § 31 S. 1 SGB X definiert § 118 S. 1 AO den Begriff des Verwaltungsaktes als „hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“. Handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme von Steuerbehörden auf dem Gebiet des Steuerrechts, spricht man vom Steuerverwaltungsakt[416]. Wie im allgemeinen Verwaltungsrecht, so kann auch im Steuerrecht eine Typologie der Steuerverwaltungsakte erstellt werden, ein numerus clausus der Verwaltungsakte besteht auch hier nicht[417]. Der 2. Abschnitt der AO (§ 118–133) enthält allgemeine Regeln für Verwaltungsakte, die denen der §§ 35–52 VwVfG nachgebildet sind. Der Vierte Teil der AO normiert demgegenüber in den §§ 134 ff. AO Spezialregelungen für besondere Steuerverwaltungsakte, wie Steuerbescheide (§ 155), Feststellungsbescheide (§ 179) sowie Haftungs- und Duldungsbescheide (§ 191). Der Steuerbescheid ist ein Verwaltungsakt, durch den der gegen den Steuerschuldner gerichtete Steueranspruch festgesetzt wird, § 155 Abs. 1 S. 1 AO[418]. Ein Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid für einen auf ihm beruhenden Steuerbescheid als Folgebescheid[419]. Die materielle Bestandskraft des ersten Verwaltungsakts als Grundlagenbescheid bewirkt, dass die durch ihn geregelte Vorfrage bei dem nachfolgenden Verwaltungsakt als Folgebescheid nicht mehr geprüft und entschieden wird. Anders als beim Steuerbescheid bilden beim Feststellungsbescheid die Besteuerungsgrundlagen somit einen für sich selbstständig anfechtbaren Teil der Gesamtregelung[420]. Der Haftungsbescheid gem. § 191 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO ist kein Steuerbescheid, sondern enthält eine Ermessensentscheidung darüber, welcher von mehreren Gesamtschuldnern in Anspruch genommen wird. Durch Duldungsbescheid gem. § 191 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AO setzt die Finanzbehörde eine Kraft Gesetzes bestehende Verpflichtung fest, die Vollstreckung zu dulden[421].
Durch die in den §§ 122, 124 AO geregelte Bekanntgabe erlangt der Steuerverwaltungsakt Wirksamkeit[422]. Diese ist jetzt im vollautomatischen Besteuerungsverfahren auch elektronisch möglich, § 122a AO[423]. Die Bekanntgabe bestimmt den Beginn des Fristlaufs für Einspruch bzw. Anfechtungsklage und ist erforderlich für die Vollziehbarkeit des Steuerverwaltungsaktes. Auch ist die Finanzbehörde grundsätzlich an den von ihr erlassenen Steuerverwaltungsakt gebunden[424]; will sie ihn ändern, ist sie auf die Korrekturvorschriften angewiesen.
b) Die Korrekturvorschriften
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Die Finanzbehörden sind durch die wirksame Bekanntgabe des Steuerverwaltungsaktes grundsätzlich an dessen Regelungsgehalt gebunden. Diese Bindungswirkung der Verwaltung an ihre Entscheidung zugunsten von Rechtsicherheit und Vertrauensschutz kann jedoch in Konflikt mit dem Prinzip materieller Rechtsrichtigkeit treten, wenn sich der Steuerverwaltungsakt als fehlerhaft erweist[425]. Die Auflösung dieses Prinzipienwiderspruchs erfolgt im Steuerrecht über die Korrekturvorschriften[426].
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Die Korrekturvorschriften des Steuerrechts sind – anders als die §§ 48 ff. VwVfG im allgemeinen Verwaltungsrecht – zweigeteilt[427]. Das dualistische System der AO normiert eine abgestufte Risikoverteilung zwischen Fiskus und Steuerbürger angesichts der besonderen Fehleranfälligkeit des Steuerverwaltungsaktes, insbesondere des Steuerbescheids[428]. Bei offenbaren Unrichtigkeiten steht nach § 129 AO der Vertrauensschutz ganz im Hintergrund, denn die Fehlerhaftigkeit muss „offenbar“, d.h. erkennbar gewesen sein, der Vertrauenstatbestand zerstört sich schon auf der Tatbestandsebene bzw. evoziert keinen Schutz. Die Berichtigung solcher offenbarer Unrichtigkeiten gilt nach § 129 AO gleichermaßen für die allgemeinen wie auch die besonderen Steuerverwaltungsakte.
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Die Korrektur allgemeiner Steuerverwaltungsakte, d.h. solcher, die weder Steuerbescheid noch diesen gleichgestellt sind, erfolgt nach den §§ 130 ff. AO durch Rücknahme oder Widerruf. Die Vorschriften der §§ 130 ff. AO orientieren sich an denen des allgemeinen Verwaltungsrechts und folgen in Terminologie sowie Systematik den §§ 48, 49 VwVfG[429]. Wie auch die Vorschriften des VwVfG, differenzieren die §§ 130 ff. AO danach, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig, begünstigend oder belastend ist. Die Änderung des Steuerverwaltungsaktes steht hierbei im Ermessen der Finanzbehörde.
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Für die Korrektur von Steuerbescheiden sowie diesen gleichgestellten Bescheiden[430] gelten demgegenüber die besonderen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO[431]. Diese knüpfen in Terminologie sowie Regelungsgehalt an die überkommenen Korrekturregeln der RAO an. Bereits die Grundsystematik der §§ 172 ff. AO weicht erheblich von der des VwVfG ab[432]. Das VwVfG spricht terminologisch von Rücknahme und Widerruf, wohingegen die AO die Begriffe Aufhebung und Änderung verwendet. Außerdem unterscheidet die AO danach, ob die Korrektur zu Gunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen erfolgt, das Kriterium der Rechtmäßigkeit findet demgegenüber keine Erwähnung. Die Anwendung der §§ 172 ff. AO setzt als kennzeichnendes Merkmal die Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides voraus[433]. Auch spezifische Faktoren wie die zeitliche Beschränkung sowie der Umfang der Korrektur weichen konzeptionell von den Vorschriften des VwVfG