Steuern Steuerträger und Steuerschuldner aufgrund Überwälzung[371] der Steuer auseinander fallen. Den Hauptanwendungsfall der indirekten Steuern bilden gegenwärtig die Verbrauchsteuern.
4. Weitere Klassifizierungsmöglichkeiten
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Daneben existiert insbesondere in der finanzwissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl weiterer Unterteilungsmöglichkeiten:[372] So sind etwa Personalsteuern auf die Person des Steuerpflichtigen zugeschnitten und berücksichtigen dementsprechend dessen persönliche Verhältnisse[373]. Das Gegenstück dazu bilden die Real- oder Objektsteuern, welche typisierend an Sachverhalte anknüpfen, die steuerliche Leistungsfähigkeit indizieren, ohne die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners zu berücksichtigen[374]. Nach Art der verfahrensrechtlichen Erhebung können Veranlagungssteuern, Abzugssteuern und Anmeldesteuern unterschieden werden. Generelle Steuern erfassen das Gesamteinkommen, wohingegen spezielle Steuern nur Teile des Einkommens, Vermögens oder spezielle Verkehrsvorgänge umfassen[375]. Die Unterscheidung zwischen gleichartigen und nicht gleichartigen Steuern ist für die Frage der Kompetenzverteilung nach Art. 105 GG von Relevanz[376]. Die Frage der Periodizität einer Steuer bestimmt sich nach der Turnusmäßigkeit ihrer Erhebung.
VI. Die Abgabenordnung als Prototyp verwaltungsrechtlicher Kodifikation – Grundfragen des Steuerverwaltungsrechts
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Das bedeutendste Steuergesetz ist die Abgabenordnung. Diese Formulierung kennzeichnet das Verständnis der Abgabenordnung (AO) als Mantelgesetz[377] des Steuerrechts. Bereits die Reichsabgabenordnung 1919[378] (RAO), als historische Vorgängerin der AO, strebte die Zusammenfassung der Vorschriften der verschiedenen Einzelsteuergesetze an, um das allgemeine Steuerrecht sowie das Steuerverfahrensrecht in einem „besonderen Gesetz“ zu regeln. Die Einzelsteuergesetze sollten demgegenüber lediglich „Sonderbestimmungen“ für die einzelnen Steuerarten enthalten[379]. Erst die Neufassung der Abgabenordnung aus dem Jahr 1977 (AO 1977)[380] verwirklichte jedoch diese ihr zugewiesene, grundlegende Funktion. Hatte die (R)AO eine Vorreiterrolle bei der Kodifikation von Verwaltungsverfahrensrecht, so geht das Steuerverwaltungsrecht auch heute bei der Anpassung des Rechts an die Entwicklung der Digitalisierung voran. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde in Form eines Artikelgesetzes nicht nur die AO novelliert, sondern auch entscheidende Neuerungen in das VwVfG eingefügt[381]. Im Bereich des Steuerverfahrens wird damit u.a. die Möglichkeit einer vollautomatischen Bearbeitung von Steuererklärung bis hin zur elektronischen Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten (§ 122a AO) rechtlich eingeräumt[382].
1. Struktur und Inhalt der AO
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Formal ist die AO ein Bundesgesetz auf der Kompetenzgrundlage von Art. 105 und 108 Abs. 5 GG[383]. Die AO löste mit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1977 die bisher geltende RAO aus dem Jahr 1919 ab und verwirklichte wichtige steuerliche Reformziele unter Berücksichtigung neuer rechtstaatlicher sowie technischer Erkenntnisse[384]. Gleichzeitig vollzog die AO die Harmonisierung mit den Vorschriften des am selben Tag in Kraft getretenen Verwaltungsverfahrensgesetzes[385] (VwVfG)[386]. Bei der erstmaligen Kodifizierung des VwVfG konnte der Bundesgesetzgeber daher neben den ungeschriebenen Grundsätzen des Verwaltungsrechts gleichsam auf die RAO als Prototyp einer verwaltungsrechtlichen Kodifikation zurückgreifen. Steuerverwaltungsrecht und allgemeines Verwaltungsrecht beeinflussten sich dadurch wechselseitig. Die formale Angleichung der AO an das erstmalig kodifizierte VwVfG wurde zwar in der Literatur aufgrund der zum Teil unreflektierten Übernahme verwaltungsrechtlicher Begrifflichkeiten in die AO kritisiert[387], sie hat sich jedoch für Entwicklung und Verständnis der Steuerrechtswissenschaft als fruchtbar erwiesen[388]. Die AO bildet somit gegenwärtig zusammen mit Teil X des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und den Verwaltungsverfahrensgesetzen die „Säulen-Trias“[389] des Verfahrensrechts[390]. Anders als das VwVfG enthält die AO indes nicht nur verfahrensrechtliche Regelungen[391]. Als Mantelgesetz strukturiert die AO diejenigen Materien, welche für alle oder zumindest einen Teil der Steuern gelten. Lediglich das Finanzverwaltungsgesetz (FVG) für die Finanzverwaltung und die Finanzgerichtsordnung (FGO) für das gerichtliche Verfahren wurden als selbstständige Gesetze neben der AO beibehalten[392]. Trotz dieses umfassenden Regelungsanspruchs[393], kann die AO nicht als steuerliche Grundordnung bezeichnet werden[394]. Die grundlegenden Entscheidungen über Anlage und Ausgestaltung des Steuerrechts sind auch weiterhin Verfassungsentscheidungen[395].
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Die AO ist inhaltlich insgesamt in neun Teile gegliedert: In ihrem Ersten Teil (§§ 1–32) definiert die AO die vor die Klammer gezogenen steuerlichen Grundbegriffe und trifft Regelungen zum Anwendungsbereich. Die Überschrift „Einleitende Vorschriften“ ist der RAO entnommen worden, erweist sich jedoch im Hinblick auf die Vorschriften über die Zuständigkeit der Finanzbehörden sowie das Steuergeheimnis als unzutreffend[396]. Der sachliche Anwendungsbereich wird durch die Vorschrift des § 1 AO bestimmt. Dieser erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 AO auf solche Steuern und Steuervergünstigungen, die durch Bundesrecht oder das Recht der Europäischen Gemeinschaften[397] geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden[398]. Für Zölle ist die AO vorbehaltlich des Zollkodexes anwendbar[399]. Für die von den Gemeinden verwalteten Steuern gilt die AO nur, sofern sie in den jeweiligen Landesgesetzen für anwendbar erklärt wird. Beziehen sich die Landesgesetze auf die AO, gelten die Vorschriften des VwVfG[400] lediglich ergänzend.
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Der Zweite Teil (§§ 33–77) der AO behandelt überwiegend das materielle Steuerschuldrecht. Das Steuerschuldrecht definiert die Grundsätze im Verhältnis zwischen Staat und Steuerschuldner. Geregelt werden die Ansprüche, die sich aus dem Steuerschuldverhältnis ergeben sowie Fragen bezüglich der Steuerbegünstigung oder Haftung. Der Begriff Steuerschuldrecht deutet zwar auf Gemeinsamkeiten mit dem Schuldrecht des BGB hin, gilt jedoch zum Teil als irreführend, da der Begriff des Steuerpflichtigen (§ 33) über das Steuerschuldrecht hinausreicht[401]. Er hätte dementsprechend an der Spitze der steuerlichen Begriffsbestimmungen platziert werden müssen[402].
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Der Dritte Teil (§§ 78–133) der AO befasst sich mit dem Besteuerungsverfahren. Das Steuerverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, das auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass von Verwaltungshandlungen gerichtet ist[403]. Insbesondere die verfahrensrechtlichen Vorschriften der AO sind daher weitgehend an das VwVfG angeglichen worden.
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Die Teile vier bis sechs (§§ 134–346) regeln die einzelnen Stationen des Steuerverfahrens. Daneben enthalten die Einzelsteuergesetze spezielle Verfahrensvorschriften für die jeweiligen Steuerarten. Die Besteuerung erfolgt im Rahmen eines gestuften Verwaltungsverfahrens, welches sich in vier selbstständige Teilbereiche untergliedert[404]. Das Steuerverfahren beginnt mit einer Vorbereitungsphase, in welcher die Steueransprüche im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (§§ 85 ff., 134 ff., 149 ff.) festgestellt werden[405]. Danach erfolgt die Entscheidung über die Steuerfestsetzung (§§ 155 ff., 179 ff.) durch Steuerverwaltungsakt. Das Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) verwirklicht zuletzt die festgestellten Ansprüche aus dem Steuerverhältnis. Das Vollstreckungsverfahren (§§ 249 ff.) betrifft demgegenüber die zwangsweise Verwirklichung der Ansprüche.
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Der Siebte Teil (§§ 347–367) der AO normiert