Unterlassen (als Verhaltensform) kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn in Dreipersonenverhältnissen ein Garant verpflichtet ist, Drohungen durch andere zu verhindern (→ BT Bd. 4: Valerius, § 5 Rn. 58).[305] Problematisch ist jedoch – wie bei der Gewalt (Rn. 58) –, ob in Zweipersonenverhältnissen in Fällen einer zunächst ohne Wegnahmevorsatz erfolgten Drohung eine Tatbestandsverwirklichung des aufgrund Ingerenz garantenpflichtigen Täters durch Unterlassen möglich ist. Jedenfalls ist zunächst stets zu prüfen, ob der Täter zu dem Zeitpunkt, in dem er den Wegnahmeentschluss gefasst hat, konkludent droht. Ist dies nicht der Fall, kommen eine Drohung und damit ein Raub durch Unterlassen wegen pflichtwidriger Nichtbeendigung der Drohungslage in Betracht. Umstritten ist auch, ob eine Drohung mit einem Unterlassen tatbestandsmäßig ist. Insoweit kann hier jedoch auf die Ausführungen zu § 240 StGB (→ BT Bd. 4: Valerius, § 5 Rn. 59 ff.) verwiesen werden. Maßgeblich ist danach, ob das jeweilige Verhalten – unabhängig davon, ob ein aktives Tun oder ein Unterlassen in Aussicht gestellt wird – geeignet ist, den Genötigten zu dem gewünschten Handeln zu motivieren.[306]
2. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache
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Neben der qualifizierten Nötigung ist als zweiter Akt eine Wegnahme einer fremden beweglichen Sache erforderlich. Diese Tatbestandsmerkmale entsprechen grundsätzlich denen des Diebstahls, sodass hier auf die Ausführungen zu § 242 StGB verwiesen werden kann (→ BT Bd. 5: Hans Kudlich, Diebstahl und Unterschlagung, § 29 Rn. 30 ff.). Allerdings ergeben sich aus der zweiaktigen Struktur des Raubes Besonderheiten.
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Zu hinterfragen ist zunächst im Hinblick auf die Zweiaktigkeit des Raubes, zu welchem Zeitpunkt die „Fremdheit“ der Sache vorliegen muss. Dies ist problematisch, wenn der Täter zwischen Nötigungs- und Wegnahmehandlung Eigentum erwirbt oder verliert. Diese Fallkonstellation wird in der Rechtspraxis selten sein, ist aber denkbar (z.B. Erbfall oder Bedingungseintritt beim Eigentumsvorbehalt). Hier ist schon im Hinblick auf den Wortlaut, der zeitliche Koinzidenz zwischen Fremdheit der Sache und Vollendung der Wegnahme verlangt, maßgeblich, ob die Sache bei Gewahrsamsbegründung fremd ist.[307]
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Auch hinsichtlich eines möglichen Gewahrsamsverlustes oder -wechsels ist fraglich, zu welchem Zeitpunkt das Opfer den für die Wegnahme erforderlichen Gewahrsam haben muss. Dies wird insbesondere relevant in Fällen eines Raubmordes, in denen der Täter den Gewahrsamsinhaber tötet, um sich eine fremde Sache zu verschaffen. Aus der Tatsache, dass Tote keinen Gewahrsam haben und die bürgerlich-rechtliche Fiktion des Erbenbesitzes (§ 857 BGB) im Strafrecht nicht gilt,[308] hat die Rspr. früher geschlossen, dass § 249 StGB nur anwendbar ist, wenn das Opfer zum Zeitpunkt der Wegnahmevollendung, d.h. Gewahrsamsbegründung, durch den Täter noch lebte.[309] Mit RGSt 60, 51 wurde diese Rspr. aufgegeben. Dort wird darauf abgestellt, dass die mit Raubabsicht begangene Tötungshandlung zugleich Beginn des Raubes und Vollendung der Wegnahme sei, da zu diesem Zeitpunkt das Opfer noch Gewahrsam habe und sich mit der Tötungshandlung der Täter in eine Lage brächte, die alleinige Herrschaft über die dem Getöteten gehörenden Sachen seinem Willen gemäß auszuüben.[310] Einschränkend wurde sodann ein zwischen Tötungshandlung und Wegnahme bestehender zeitlicher Zusammenhang gefordert,[311] der sich in der Rezeption der entsprechenden Entscheidungen hin zu einer Forderung nach einem unmittelbar zeitlichen und räumlichen Zusammenhang entwickelt hat.[312] In der Folge wurde in der Rspr. in der mit Raubabsicht begangenen Tötungshandlung zugleich der Beginn – aber gerade nicht mehr die Vollendung – der Wegnahme gesehen.[313] Nach dieser Auffassung unterfällt z.B. auch eine Konstellation dem Raubtatbestand, in der das Opfer infolge angewandter Gewalt unter Zurücklassung der Sache die Flucht ergreift, bevor der Täter diese an sich bringt.[314] Wenn man dies so versteht, dass sich Gewahrsamsverlust und Gewahrsamsbegründung hier – anders als in den typischen Diebstahlskonstellationen – nicht in einer einzigen Handlung des Täters realisieren, sondern auseinanderfallen, mag dies zwar auf den ersten Blick mit dem Wegnahmebegriff vereinbar erscheinen, so bleibt aber zu klären, ob ein Rekurs auf unterschiedliche Handlungszeitpunkte – fremder Gewahrsam bei Nötigungshandlung, Begründung neuen Gewahrsams durch Ansichbringen der begehrten Sache – unter systematischen Gesichtspunkten konsequent erscheint. Ließe man genügen, dass bei Begründung neuen Gewahrsams durch den Täter zu einem beliebigen Zeitpunkt davor ein fremder Gewahrsam bestand, würde der Tatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 StGB in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt. Ein Lösungsansatz, der gerade diese Problematik umgehen könnte, bestünde darin, in den Fällen der in Raubabsicht begangenen Nötigungshandlung, in denen das Nötigungsopfer den Gewahrsam infolge dieser Handlung verliert bzw. aufgibt, zugleich neuer Gewahrsam des Täters als begründet und somit die Wegnahme als vollendet anzusehen, so wie es schon RGSt 60, 51 feststellte. Denn bereits durch die Nötigungshandlung erscheint ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis an der Sache begründet, sodass nach der Verkehrsanschauung von einem Gewahrsamswechsel ausgegangen werden kann.[315] Mit Blick auf die geforderte Zweiaktigkeit des Raubtatbestandes stellt sich aber auch dieser Lösungsweg nicht frei von Friktionen dar. Als dogmatisch stringenteste Lösung bleibt wohl die Annahme einer bloßen Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB (freilich in Tateinheit mit entsprechenden Tötungsdelikten), die jedoch aus kriminalpolitischen Gründen nicht zu überzeugen vermag. Diese liefe nämlich auf eine Privilegierung des besonders gewaltsamen Täters hinaus. Bei diesem Versuch der Quadratur des Kreises ist der Rspr., die in der Ausführung der Tötungshandlung zwar den Beginn der Wegnahme, nicht aber zugleich deren Vollendung bejaht, i.Erg. zuzustimmen, wobei ein besonderes Augenmerk auf einen zeitlich-räumlichen Zusammenhang zwischen der Nötigungshandlung und der Vollendung der Wegnahme zu richten ist. Letzteres ist aber eine zu klärende Frage im Rahmen der Prüfung des Finalzusammenhanges (Rn. 75).
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Kein Einverständnis mit dem Gewahrsamswechsel und damit ein Gewahrsamsbruch liegen vor, wenn das Opfer unter dem Eindruck der angewandten Raubmittel die Wegnahme duldet und ihr (obwohl ihm das noch möglich wäre) keinen Widerstand entgegensetzt.[316] Wird dagegen mit Raubmitteln die aktive Mitwirkung an dem Gewahrsamswechsel erzwungen,[317] stellt sich die Frage nach der Abgrenzung des Raubes zur räuberischen (Sach-)Erpressung (Rn. 109 sowie → BT Bd. 5: Heinrich, § 32 Rn. 34 ff.). Für das Einverständnis kommt es grundsätzlich auf die Person des Gewahrsamsinhabers an (→ BT Bd. 5: Kudlich, § 29 Rn. 39), unabhängig davon, ob dieser zugleich Eigentümer der Sache oder lediglich (schutzbereiter) Dritter ist.[318]
a) Das Erfordernis einer raubspezifischen Verknüpfung zwischen qualifizierter Nötigung und Wegnahme
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Schon aus dem Wortlaut des § 249 StGB („mit Gewalt […] oder unter Anwendung von Drohungen“) wird deutlich, dass zwischen der qualifizierten Nötigung und dem Diebstahl ein spezifischer Zusammenhang bestehen muss.[319] Das Raubunrecht erfordert nicht nur eine additive Aneinanderreihung einer Wegnahme und einer qualifizierten Nötigung, sondern auch deren Verknüpfung in einer „raubspezifischen Manier“[320]. Die qualifizierte Gewalt oder die qualifizierte Drohung