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Besonderes Verwaltungsrecht


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Die Rechtsprechung bezeichnet das Abwägungsgebot als „dem Wesen rechtsstaatlicher Planung innewohnende[n] Grundsatz“[426]. Es wird also neben der einfachgesetzlichen Begründung unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet und trägt insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung[427]. Diese verfassungsrechtliche Verankerung hat zur Folge, dass das Abwägungsgebot gleichsam als Universalprinzip für alle Bereiche raumwirksamer Planung unabhängig von seiner ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung Geltung beansprucht[428].

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      § 1 Abs. 7 BauGB ordnet lediglich die Abwägung der berührten Belange an. Darüber hinausgehende Konkretisierungen, welche Anforderungen aus dem Abwägungsgebot erwachsen, enthält die Regelung nicht. Auch die Planerhaltungsregelungen der §§ 214 f. BauGB liefern keine entscheidende Klarstellung. § 214 Abs. 3 BauGB nimmt zwar auf die Abwägung und ihre Mängel Bezug, ohne jedoch festzulegen, worin diese Mängel im Einzelnen bestehen könnten. Allein § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB lässt erkennen, dass das Abwägungsgebot Anforderungen sowohl an den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis stellt, ohne diese Einteilung näher zu erläutern. Seit der Änderung durch die BauGB-Novelle 2004 stellt § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB zudem über den Verweis auf § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB eine Verknüpfung zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen im Sinne des § 2 Abs. 3 BauGB her, ohne dass jedoch deutlich würde, wie diese Verweisung zu verstehen ist. Der Gesetzgeber hat sich somit also der Normierung der Anforderungen des Abwägungsgebots weitgehend enthalten. Selbst der grundlegenden Vorschrift des § 1 Abs. 7 BauGB kommt allein deklaratorischer Charakter zu.

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1. die Gemeinde muss eine sachgerechte Abwägung überhaupt durchführen und darf sich nicht irrtümlich für gebunden erachten;
2. alle nach Lage des Falls relevanten Gesichtspunkte sind zu ermitteln und in die Abwägung mit einzubeziehen;
3. die Bedeutung und Gewichtung der betroffenen Belange muss zutreffend erkannt werden;
4. der Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen muss so vorgenommen werden, dass er nicht außer Verhältnis zu ihrer objektiven Gewichtung steht.

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1. Abwägungsausfall, wenn eine notwendige Abwägung gar nicht vorgenommen wird;
2. Abwägungsdefizit, wenn einzelne Belange nicht erkannt bzw. nicht berücksichtigt werden;
3. Abwägungsfehlgewichtung oder -fehleinschätzung, wenn die Bedeutung eines Belanges verkannt wird und
4. Abwägungsdisproportionalität, wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.

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      Wie gesehen unterscheiden Rechtsprechung und Literatur im Wesentlichen vier Abwägungsfehler, denen unterschiedliche Relevanz zukommt.

      aa) Abwägungsausfall

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