sich zunächst an der mit der Novelle eingefügten Regelung des § 2 Abs. 3 BauGB, der die Ermittlung und Bewertung der Abwägungsbelange, nach allgemeinem Verständnis also die zweite und dritte Stufe des Abwägungsgebots, in einen verfahrensrechtlichen Kontext stellt. Noch deutlicher ist die hierauf bezogene Planerhaltungsvorschrift des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB, die Fehler auf diesen Stufen des Abwägungsgebots als Verfahrensfehler kategorisiert[516]. Die Intention des Gesetzgebers ist weiter an der Regelung des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB ablesbar, die ersichtlich von einer Überschneidung verfahrensrechtlicher Anforderungen mit den Anforderungen des Abwägungsgebots ausgeht. Mit dieser Neuorientierung des Abwägungsgebots vollzieht der Gesetzgeber eine Anpassung an den systematischen Ansatz der umzusetzenden Plan-UP-Richtlinie und Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie[517]. Diese Richtlinien betonen nicht primär die materiell-rechtlichen, inhaltlichen Anforderungen an die Planung, sondern räumen vor allem den Verfahrensanforderungen einen hohen Rang ein[518]. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Einhaltung verfahrensrechtlicher Standards in der Regel die Gewähr für die Erreichung der materiellen Ziele bietet[519].
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Inwieweit mit dieser gesetzlichen Neuorientierung des Abwägungsgebots eine Abkehr von der überkommenen Abwägungsdogmatik einhergeht, ist zweifelhaft[520]. Zunächst hatte der Gesetzgeber ersichtlich den Ansatz verfolgt, die Kategorie des Abwägungsvorgangs jedenfalls im BauGB selbst nicht mehr zu berücksichtigen und stattdessen die neue Kategorie des Abwägungsverfahrens zu installieren[521]. Gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf hat es der Gesetzgeber in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB schließlich doch bei der Bezugnahme auf den Abwägungsvorgang belassen. Damit ist davon auszugehen, dass die Kategorie des Abwägungsvorgangs fortbesteht. Das Verhältnis zu der neu geschaffenen Kategorie des Abwägungsverfahrens ist jedoch nicht eindeutig geklärt[522]. Bei der Betrachtung des § 214 BauGB zeigt sich jetzt das Bild einer dreifachen Verankerung jedenfalls einzelner Anforderungen des Abwägungsgebots. Bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bleibt es bei der unbefriedigenden Doppelprüfung der Anforderungen des Abwägungsgebots jeweils in Bezug auf Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis. Hinzu tritt, soviel ist aus § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB abzuleiten, die Überprüfung der korrekten Ermittlung und Bewertung der Abwägungsbelange als Elemente des Abwägungsverfahrens[523]. Für die kommunale Planungspraxis dürfte diese Problematik allerdings ohne größere Folgen bleiben. Hier bleibt es bei der Bindung der planenden Gemeinden an die formulierten Anforderungen des Abwägungsgebots[524]. Selbst für die Kontrolle durch die Gerichte kann die Zuordnung der Anforderungen im Regelfall dahingestellt bleiben, da § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB eine Mehrfachprüfung ausschließt.
e) Besondere Ausprägungen des Abwägungsgebotes
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Die Komplexität der Anforderungen des Abwägungsgebots schafft das Bedürfnis nach einfach handhabbaren Abwägungsregeln, die das Abwägungsgebot konkretisieren und seine Anwendung erleichtern.
aa) Grundsatz der Konfliktbewältigung
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Eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots ist das Erfordernis, planerische Konflikte nicht unbewältigt zu lassen[525]. Dies kommt zum Ausdruck im sogenannten Grundsatz der Konfliktbewältigung oder auch Problembewältigung. Die hieraus erwachsenden Anforderungen sind aber gerade in der Bauleitplanung nicht besonders hoch. Der Grundsatz kommt vor allem bei vorhabenbezogenen Planungen dann zum Tragen, wenn von der Planung offen gelassene Konflikte im Anschluss, etwa im Rahmen eines Zulassungsverfahrens, nicht mehr bewältigt werden können[526]. Dies spielt in der Planfeststellung, der kein Zulassungsverfahren mehr nachfolgt, eine größere Rolle als in der Bauleitplanung. Letztere kann und muss schon wegen ihres möglichen Abstraktionsgrades, der die konkreten von einem Vorhaben ausgehenden Auswirkungen häufig noch gar nicht erkennen lässt[527], nicht alle denkbaren aufgeworfenen Konflikte bewältigen. So nimmt das Bundesverwaltungsgericht an, die Gemeinde könne sich auch in planerischer Zurückhaltung üben und den Betroffenen auf diese Weise ein größeres Maß an Gestaltungsmöglichkeiten offen lassen. Dem Grundsatz sei etwa dann Genüge getan, wenn im Rahmen des Zulassungsverfahrens eine Lösung von etwaigen Konflikten auch über § 15 BauNVO noch möglich ist. Dies sei hingegen dann nicht mehr der Fall, wenn der Bebauungsplan bereits eine abschließende planerische Entscheidung trifft und keine Spielräume für eine Konfliktlösung mehr offen lässt[528]. Es muss sichergestellt sein, dass die notwendigen Konfliktlösungsmaßnahmen im Rahmen der Verwirklichung der Planung voraussichtlich erfolgen[529]. Im Übrigen ist es nicht unbedingt erforderlich, dass dem Bebauungsplan ein weiteres Verwaltungsverfahren nachfolgt. Die Bewältigung der Konflikte kann auch auf anderem Wege erfolgen[530].
bb) Gebot der Rücksichtnahme
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Das Gebot der Rücksichtnahme spielt im Bauplanungsrecht eine nicht geringe Rolle. Seinen Hauptanwendungsbereich findet es jedoch im Bereich der Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit im Einzelfall. Hier dient insbesondere § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO, der als normierte Ausprägung des Rücksichtnahmegebots zu gelten hat, der planerischen Feinsteuerung von Nutzungskonflikten im Genehmigungsverfahren. Darüber hinaus wird das Gebot der Rücksichtnahme auch aus dem Tatbestandsmerkmal des Sich-Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB abgeleitet und als öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB anerkannt. Im Rahmen der Bauleitplanung wurde das Gebot der Rücksichtnahme in der Vergangenheit als eine weitere Ausprägung des Abwägungsgebots betrachtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesbezüglich klargestellt, dass die Gemeinden im Rahmen der Bauleitplanung aufgrund des Abwägungsgebots die Pflicht zur Vermeidung unzumutbarer Beeinträchtigungen von Nachbargrundstücken trifft. Für ein hiervon zu unterscheidendes Gebot der Rücksichtnahme sei kein Raum[531]. Zu Recht wird demgemäß in der Literatur der Schluss gezogen, dass das Rücksichtnahmegebot im Rahmen der Bauleitplanung als Kategorie zu verabschieden ist[532]. Unabhängig hiervon lassen sich die zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelten Aussagen auch für die Anwendung des Abwägungsgebots fruchtbar machen.
IV. Planerhaltung
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Die Aufstellung von Bauleitplänen ist zeitaufwendig und ressourcenintensiv. Häufig stellen Bauleitpläne das Produkt eines sich über viele Jahre erstreckenden Planungsprozesses dar. Zugleich bilden sie die Grundlage für erhebliche Investitionen, die eines hohen Maßes an Rechtssicherheit bedürfen. Dies gilt in besonderer Weise für den Bebauungsplan, der die rechtliche Grundlage für die Verwirklichung von baulichen Nutzungen darstellt. Vor diesem Hintergrund erscheint die grundsätzliche Nichtigkeit als Rechtsfolge, die mit der Fehlerhaftigkeit von Rechtsnormen einhergeht, für die Anwendung auf Bebauungspläne unangemessen. Das Risiko, das langwierige Verfahren durch Fehler entwertet und damit erhebliche Investitionen ihrer Rechtsgrundlage beraubt werden, erscheint nicht hinnehmbar. Hierauf hat der Gesetzgeber 1979 mit der Einführung der Planerhaltungsregelungen reagiert, die sich nach mehrfacher Änderung und Ausweitung nunmehr in den §§ 214 f. BauGB finden[533].
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Die politische Entscheidung, Bauleitpläne in dieser Weise im Vergleich zu anderen Rechtssätzen zu privilegieren, ist nicht nur unkritisch zu sehen[534]. Letztlich stellen diese Regelungen das Eingeständnis dar, dass die formell- und materiell-rechtlichen Anforderungen an den Planungsprozess – auch in den Ausformungen, die sie in Rechtsprechung und Literatur gefunden haben – einen Grad an Komplexität erreicht haben, der für die Gemeinden nicht mehr handhabbar ist. Die Alternative zur Einführung umfassender Planerhaltungsregelungen müsste also die Vereinfachung des Planungsprozesses sein. Die gegenwärtige Situation, in der Gemeinden verleitet sein können, Fehler, die keine weiteren Konsequenzen nach sich ziehen, mit einzuplanen, weckt rechtsstaatliche Bedenken[535]. Allerdings ist anzumerken, dass die Planerhaltungsregelungen