sind. Die Pflicht zur Amtsermittlung ist aber nicht unbeschränkt. Es sind nur solche Belange zu berücksichtigen, deren Abwägungsbeachtlichkeit für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan erkennbar ist[470]. Werden Belange von den Trägern oder Betroffenen nicht geltend gemacht, sind sie nur dann zu berücksichtigen, wenn sich ihre Betroffenheit aufdrängen musste[471]. Diese Wechselbezüglichkeit von Verfahren und Umfang des zu berücksichtigenden Abwägungsmaterials kommt besonders deutlich in der Präklusionsregelung des § 4a Abs. 6 BauGB zum Ausdruck.
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Neben der Erkennbarkeit wird das zu berücksichtigende Abwägungsmaterial auch durch die Beachtlichkeit der Belange und Interessen beschränkt. Die Beachtlichkeit fehlt solchen Belangen, die geringfügig beziehungsweise objektiv geringwertig oder – auch in der konkreten Situation – nicht schutzwürdig sind[472]. Nicht schutzwürdig sind etwa solche Interessen, die mit einem rechtlichen Makel behaftet sind oder auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht[473]. Unberücksichtigt bleiben können auch solche Betroffenheiten, die sich erst durch spätere Planungen mit anderem Geltungsbereich realisieren. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die spätere Betroffenheit bereits zwangsläufige Folge der infrage stehenden Planung ist oder wenn sie Folge eines planerischen Konzepts ist, das in der Baugebietsausweisung zum Ausdruck kommt.[474]
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Bei der Bestimmung der abwägungsbeachtlichen Belange spielen auch Prognosen eine erhebliche Rolle. Die Anforderungen an Prognosen sind von der Rechtsprechung vor allem für das Fachplanungsrecht näher ausformuliert worden. Die Grundgedanken lassen sich jedoch auch auf die Bauleitplanung übertragen[475]. Danach müssen Prognosen in einer der jeweiligen Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet werden. Weiterhin muss der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet werden. Die gerichtliche Kontrolle der Prognosen ist entsprechend begrenzt[476]. Zudem besteht für die Auswahl der geeigneten Methode ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung[477]. Dementsprechend darf ein Gericht auch nicht seine eigene Prognose an die Stelle der Prognose der planenden Gemeinde setzen[478]. Die Rechtmäßigkeit der Prognose hängt davon ab, ob sie bei der Planung einwandfrei erstellt worden ist. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Prognose durch die spätere Entwicklung bestätigt wird[479]. Allerdings kann im Einzelfall das Auseinanderklaffen zwischen Prognose und nachträglicher tatsächlicher Entwicklung ein Indiz für eine unsachgemäße Aufstellung der Prognose sein. Bei einer extremen Abweichung der tatsächlichen Entwicklung von der zutreffend aufgestellten Prognose besteht die Möglichkeit, dass der Bauleitplan funktionslos wird[480].
(3) Alternativenprüfung
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Dem Wesen der Planung entspricht es, dass während des Planungsprozesses sich unterscheidende Lösungsmöglichkeiten erwogen werden. Dies zeigt § 3 Abs. 1 BauGB anschaulich, indem er auch die Unterrichtung über „sich wesentlich unterscheidende Lösungen“ zum Bestandteil der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung macht[481]. Materiell-rechtlich stellt sich die Einbeziehung von Alternativen als eine Anforderung an die planerische Abwägung dar. Die Nichteinbeziehung naheliegender Alternativen kann zu einem Abwägungsfehler, insbesondere in Form eines Abwägungsdefizits führen.
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Die Notwendigkeit, Alternativen einzubeziehen, ergibt sich aus dem Eingriffscharakter der Planung. Lassen sich planerische Ziele auf anderem Wege mit geringeren Eingriffen verwirklichen, ist eine Planung nicht zu rechtfertigen. Auch müssen Eingriffe zu etwaigen Abstrichen bei der Erreichung des planerischen Ziels ins Verhältnis gesetzt werden. Dabei sind die Anforderungen an die Alternativenprüfung sinnvoll zu begrenzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind lediglich solche Alternativen einzubeziehen, die „als real mögliche Lösungen ernsthaft zu erwägen sind“[482]. Besondere Bedeutung erlangt die Einbeziehung von Alternativen im Rahmen der Umweltprüfung. Gemäß Nr. 2 lit. d Anlage 2 zum BauGB sind die „in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglichkeiten“ in den Umweltbericht mit einzubeziehen. Das Gesetz selbst beschränkt den Umfang der einzubeziehenden Alternativen durch den Hinweis, dass „die Ziele und der räumliche Geltungsbereich des Bauleitplans zu berücksichtigen sind“. Im Ergebnis dürften sich hieraus keine weiterreichenden Anforderungen an die Einbeziehung von Alternativen in die Abwägung ergeben[483].
(4) Berücksichtigung der Ergebnisse der Umweltprüfung
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§ 2 Abs. 4 S. 4 BauGB sieht vor, dass das Ergebnis der Umweltprüfung in die planerische Abwägung mit einzubeziehen ist. Hier stellt sich die Frage, ob der Umweltprüfung ein materieller Gehalt zukommt oder sie sich allein in verfahrensrechtlichen Anforderungen erschöpft. In diesem Fall wäre § 2 Abs. 4 S. 4 BauGB letztlich überflüssig, da selbstverständlich alle abwägungserheblichen Belange, die das Bauleitplanverfahren hervorgebracht hat, in der Abwägung zu berücksichtigen sind. Für die Umweltprüfung dürfte das Gleiche gelten wie für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Diesbezüglich macht das Bundesverwaltungsgericht zunächst deutlich, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Abwägung durch das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht beeinflusst werden. Mit der Umweltverträglichkeitsprüfung geht eine materiell-rechtliche Wirkung im Sinne einer stärkeren Gewichtung oder gar eines Vorrangs der Umweltbelange nicht einher[484]. Unabhängig hiervon sieht das Bundesverwaltungsgericht jedoch eine Wirkung auf die Abwägung. Es handele sich um eine auf „Umweltbelange zentrierte Vorabprüfung“, die die Voraussetzung dafür schaffe, dass Umweltbelange in gebündelter Form in die Abwägung eingingen; dies unter Vermeidung einer „atomistischen Betrachtungsweise“, die anderenfalls verhindere, dass die Umweltbelange mit dem ihnen bei einer Gesamtschau gebührenden Gewicht in die Abwägung eingehen. Dieser Effekt der Umweltverträglichkeitsprüfung werde überdies noch verstärkt durch deren integrativen Ansatz[485].
cc) Abwägungsfehlgewichtung oder -fehleinschätzung
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Nach der Ermittlung der in die Abwägung einzustellenden Belange hat die Gemeinde diese Belange zu gewichten und zu bewerten, da die Belange jeweils mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt werden. Dabei ist im Ausgangspunkt grundsätzlich von der Gleichrangigkeit der Belange – öffentlicher wie privater – auszugehen[486]. Daran anschließend ist die Feststellung der tatsächlichen Umstände, die für die Gewichtung relevant sind, erforderlich. Auf dieser Grundlage ist des Weiteren eine normative Bewertung der Belange vorzunehmen[487]. Auf dieser Stufe des Abwägungsgebotes geht es um die objektive Bewertung des einzelnen Belanges. Die Abgrenzung zu den benachbarten Stufen des Abwägungsgebotes ist schwierig. Liegt der Schwerpunkt der Bewertung der Belange in der Ermittlung ihrer objektiven Gewichtigkeit, stellt sich die Frage, ob die Verkennung dieses Gewichts nicht auch als Abwägungsdefizit betrachtet werden kann. Aber auch die Abgrenzung zur vierten Stufe gelingt nicht ohne Weiteres. Vielfach lässt sich das Gewicht eines Belangs nicht isoliert bestimmen, sondern ergibt sich letztlich nur aus dem Vergleich mit anderen berührten Belangen[488]. Relevanz kommt diesen Abgrenzungsfragen insofern zu, als die lediglich auf das objektive Gewicht der Belange bezogene Gewichtung ähnlich wie die Frage, ob die Belange überhaupt zu berücksichtigen sind, einer stärkeren gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein dürften. Das subjektive Ins-Verhältnis-Setzen zu anderen Belangen liegt hingegen im Zentrum der planerischen Gestaltungsfreiheit und ist damit nur einer beschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich.
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In den Zusammenhang der Gewichtung der Belange gehört auch die Diskussion um die Existenz sogenannter Optimierungsgebote. Der Gesetzgeber kann das Gewicht von Belangen durch gesetzliche Vorgaben stärken[489]. Dergestalt normierte Zielvorgaben müssen entsprechend dem Gewicht, das ihnen der