Peter Behrens

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht


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indem sie sie sich selbst vorbehalten.

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      Die Dienstleistungsfreiheit erfasst naturgemäß nur die grenzüberschreitende Leistungserbringung. Dafür kommen drei unterschiedliche Erbringungsformen in Betracht: Denkbar ist zunächst, dass der Leistungserbringer sich aus seinem eigenen Mitgliedstaat zum Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat begibt, und dort die Leistung erbringt (Beispiel: ein französischer Architekt begibt sich in die Bundesrepublik, um dort die Errichtung eines Bauwerks zu planen und zu überwachen); denkbar ist aber auch, dass sich der Leistungsempfänger aus seinem Mitgliedstaat zum Dienstleistungserbringer in dessen Mitgliedstaat begibt, um dort die Leistung in Empfang zu nehmen (Beispiel: ein Deutscher begibt sich in zahnärztliche Behandlung in den Niederlanden; ein Franzose reist nach Italien, und nimmt dort die Dienste eines Stadtführers in Anspruch, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieser Führer selbst in Italien ansässig oder ebenfalls aus Frankreich eingereist ist). Schließlich ist grenzüberschreitender Dienstleistungsverkehr auch ohne Ortswechsel des Leistungserbringers oder des Leistungsempfängers möglich, indem nur die Leistung die mitgliedstaatlichen Grenzen überschreitet (Beispiel: ein Deutscher versichert sich auf dem Korrespondenzweg bei einer englischen Versicherungsgesellschaft). Der grenzüberschreitende Charakter eines Dienstleistungsvorgangs ergibt sich also entweder daraus, dass Leistungserbringer und Leistungsempfänger in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind (dann kommt es auf den Ort der Leistungserbringung nicht an), oder daraus, dass die Leistung außerhalb des Staates erbracht wird, in dem der Leistungserbringer ansässig ist (dann kommt es allein auf den Ort der Leistungserbringung an).

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      Es liegt auf der Hand, dass die denkbaren Behinderungen des Dienstleistungsverkehrs sehr vielgestaltig sind. Soweit mit der Leistungserbringung ein Ortswechsel eines der Beteiligten erforderlich ist, kann sie durch Einreise-, Aufenthalts- oder Ausreisebeschränkungen (Mobilitätshindernisse) eines Mitgliedstaates behindert oder gar unterbunden werden. Des Weiteren können sich aus den mitgliedstaatlichen Berufszulassungs- und Berufsausübungsregelungen, die es für viele Dienstleistungen gibt (z.B. freie Berufe, Banken, Versicherungen, Handwerk etc.), potentielle Hindernisse ergeben. Sie müssen durch das Gemeinschaftsrecht abgebaut werden, wenn nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen überall in der Gemeinschaft ungehindert angeboten bzw. nachgefragt werden sollen. Deshalb sieht Art. 56 AEUV vor, dass Beschränkungen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft verboten sind. Andererseits werden in diesem Bereich sensible Regulierungsinteressen der Mitgliedstaaten berührt. Daher widmet sich der AEUV dem Beschränkungsverbot in einer Reihe differenzierter Normen, nach deren „Maßgabe“ (Art. 56 Abs. 1 AEUV) sich die vorgesehene Liberalisierung richten soll. Insbesondere sieht Art. 59 AEUV den Erlass von Liberalisierungsrichtlinien vor. Die genaueren Konturen der Abgrenzung zwischen freiem Dienstleistungsverkehr einerseits und staatlichen Regelungsinteressen andererseits ergeben sich aus der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtfertigung von Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs durch zwingende Allgemeininteressen (siehe dazu unten Rn. 153 ff.).

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      Es liegt auf der Hand, dass die Mitgliedstaaten legitime Interessen haben, Kontrollen sowohl über die Qualifikation der Erbringer von Dienstleistungen als auch über die Art und Weise ihrer Betätigung auszuüben. Solche Kontrollen sollen der Überwindung bestimmter Formen des Marktversagens – insbesondere von Informationsasymmetrien – dienen bzw. öffentliche Güter schützen. Es kann daher nicht darum gehen, jegliche mitgliedstaatliche Regelungsmöglichkeit zu beschneiden. Es kommt vielmehr auf eine sinnvolle Abwägung zwischen Dienstleistungsfreiheit und staatlichen Regelungsinteressen an. Die Situation ist also bei Dienstleistungen nicht anders als bei Waren.

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