der andere (deshalb) vom Verlöbnis zurück, wird man einen „wichtigen Grund“ annehmen müssen, weil eine Haftung nur eingreift, wenn der Zurücktretende das schutzwürdige Vertrauen des anderen auf das Zustandekommen der Ehe enttäuscht (eine Enttäuschung über den Charakter des anderen, der den Verunfallten mit seinem Schicksal alleine lässt, reicht nicht);[17] kein Verlobter darf indes darauf vertrauen, dass der andere auch bei geänderten Umständen an seinem Eheversprechen festhält (eine solche Bindung wird erst durch die Eheschließung erreicht). Eine moralische Bewertung der Motivation zum Rücktritt muss gleichermaßen unterbleiben wie eine Bewertung der Motivation zur Eheschließung (z.B. aufgrund der guten finanziellen Verhältnisse oder des äußeren Erscheinungsbilds des anderen Verlobten).
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Kann sich der Zurücktretende aber auch dann auf einen „wichtigen Grund“ berufen (mit der Folge, dass seine Ersatzpflicht entfällt), wenn er den zum Rücktritt motivierenden Grund selbst schuldhaft herbeigeführt hat? In Fall 6 wird man das ernsthafte Zerwürfnis mit den Schwiegereltern jedenfalls als wichtigen Grund ansehen können, fraglich ist nur, ob A diesen Grund „schuldhaft“ herbeigeführt hat und wie sich das auf ihre Haftung nach § 1298 auswirkt. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass der Rücktritt als solcher weder rechts- noch pflichtwidrig ist, denn die Eheschließungsfreiheit gebietet ein freies Entscheidungsrecht bis zur Trauung, und damit auch das Recht zur Umentscheidung. Deshalb kann einem Zurücktretenden allein deshalb kein Verschulden im Rechtssinne vorgeworfen werden, weil ein Verschulden ein pflichtwidriges Verhalten erfordert. Als relevante Pflicht, die schuldhaft verletzt werden kann, kommt primär die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 in Betracht (vgl. Rn. 67). Bei einer vorsätzlichen Provokation der Schwiegereltern, die zu einem endgültigen Zerwürfnis führt (Fall 6), liegt eine schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Verlobten vor. Da ein Verlobter, der den wichtigen Grund schuldhaft herbeiführt und dadurch den anderen zum Rücktritt veranlasst, diesem nach § 1299 ersatzpflichtig ist,[18] ergibt ein Rückschluss aus § 1299, dass er sich dementsprechend nicht selbst auf den Haftungsausschluss in § 1298 Abs. 3 berufen kann, wenn er selbst einem Rücktritt des anderen zuvorkommt (teleologische Reduktion von § 1298 Abs. 3). In Fall 6 ist A daher nach § 1298 schadensersatzpflichtig, ohne sich auf § 1298 Abs. 3 berufen zu können.
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Auch in der Abwandlung von Fall 5 hat A den „wichtigen Grund“, der B zum Rücktritt veranlasst, (also den Unfall) zwar an sich schuldhaft herbeigeführt, dennoch scheidet eine Haftung der A gegenüber B nach § 1299 aus, denn das Verschulden der A bildet in diesem Fall keinen „wichtigen Grund“, weil A keine Pflicht aus dem Schuldverhältnis (also aus dem Verlöbnis) gegenüber B verletzt hat.
Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › II. Verlöbnis › 4. Anspruch auf Rückgabe von Geschenken nach § 1301
4. Anspruch auf Rückgabe von Geschenken nach § 1301
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Unterbleibt die Eheschließung, so kann jeder Verlobte verschuldensunabhängig von dem anderen die Gegenstände, die er ihm geschenkt oder zum Zeichen des Verlöbnisses gegeben hat, nach Maßgabe der §§ 818 ff. herausverlangen, § 1301. Es handelt sich um einen Sonderfall der conditio ob rem (Zweckverfehlungskondiktion). Nicht zurückverlangt werden können indes Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke oder sonstige Zuwendungen i.R.d. nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wenn und weil diese nicht „zum Zeichen des Verlöbnisses“ gemacht werden. Eine Rückforderung ist im Zweifel ausgeschlossen, wenn das Verlöbnis durch den Tod eines Verlobten aufgelöst wurde, § 1301 S. 2.
Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › III. Eheschließungsrecht
III. Eheschließungsrecht
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Die Ehe kommt durch einen personenrechtlichen Vertrag zwischen den Brautleuten zustande, dessen Abschluss das Gesetz an bestimmte Voraussetzungen bindet. Die näheren (rechtsgeschäftlichen) Bestimmungen (§§ 1303 ff.) und die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen diese Anforderungen (§§ 1313 ff.) sind durch das Eheschließungsrecht abschließend (leges speciales) geregelt. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre scheidet aus. Dementsprechend hat sich im Eheschließungsrecht eine Terminologie entwickelt, die zum Teil nicht unerheblich vom allgemeinen rechtsgeschäftlichen Sprachgebrauch abweicht.
Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › III. Eheschließungsrecht › 1. Standesamtliche Trauung
1. Standesamtliche Trauung
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Fall 7:
M und F wollen heiraten, aber nicht an ihrem Wohnort in Regensburg, sondern aufgrund der traumhaften Kulisse auf der Fraueninsel im Chiemsee. Da ihr gemeinsamer Freund S Standesbeamter ist, erklärt er sich bereit, die Trauung vor Ort unter freiem Himmel durchzuführen, obwohl er weiß, dass er für diesen Bezirk nicht zuständig ist; nach der Trauung trägt er die vollzogene Ehe im Eheregister von Regensburg ein.
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Eine Ehe kommt nur zustande, wenn die Eheschließung vor dem Standesbeamten erfolgt, § 1310 Abs. 1 S. 1. Geschieht dies nicht, so liegt eine Nichtehe vor; die Beteiligten sind dann nicht miteinander verheiratet; die „Trauung“ löst (anders als bei der durch Aufhebung oder Scheidung aufgelösten Ehe, §§ 1318, 1569 ff.) keine Rechtsfolgen aus; Kinder aus der Verbindung sind nichteheliche Kinder.[19] Ob ein „Standesbeamter“ und ob der „zuständige“ Standesbeamte gehandelt hat, richtet sich nach den Vorschriften des Personenstandsgesetzes. Ein Standesbeamter (§ 2 Abs. 1 S. 1 PStG) ist eine für ein bestimmtes Standesamt bestellte Urkundsperson. Das Personenstandsgesetz hat sich textlich vom „Standesbeamten“ als dem Adressaten seiner Regelungen gelöst und richtet diese an das „Standesamt“ (vgl. z.B. §§ 12, 13 PStG; entsprechende Anpassungen auch im BGB, z.B. § 1309 Abs. 2 S. 1). Außerhalb des Standesamtsbezirks ist die dafür bestellte Urkundsperson kein „Standesbeamter“ und nicht nur ein „unzuständiger“ Standesbeamter. Die Eheschließung erfolgte deshalb in Fall 7 nicht vor einem Standesbeamten, so dass grundsätzlich eine Nichtehe vorliegt. Allerdings fingiert § 1310 Abs. 2 die Eigenschaft des Standesbeamten für eine Person, die dieses Amt öffentlich ausübt und die Ehe in das Eheregister eingetragen hat; M und F haben deshalb in Fall 7 vor einem „fingierten“ Standesbeamten die Ehe geschlossen.
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Ein für